Susanne Klatten? Da war doch mal was….
Susanne Klatten ist seit ihrem 20. Lebensjahr und mit heute geschätzten 9 Milliarden Euro Privatvermögen die reichste Frau Deutschlands. Kaum 50 Jahre alt, ist sie bereits Trägerin des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland und des Verdienstordens des Freistaats Bayern. Worum hat sie sich verdient gemacht, was hat sie geleistet?
Ihre Leistung bestand zunächst darin, unschuldig die Tochter eines gewissen Herbert Quandt zu sein und einen großen Teil von dessen Vermögen geerbt zu haben. Es ist noch nicht allzu lange her, da hat sie (sich) einen Seitensprung geleistet, wegen dem die bis dahin unbekannte junge Frau dem allgemeinen Publikum überhaupt erst bekannt wurde.
Nachdem sie also ohne Leistung viel verdient hatte, machte sie standesgemäß ein Praktikum bei der Deutschen Bank und studierte Betriebswirtschaft im schweizerischen Lausanne und in London. So wurde sie in dem Staat, der leistungsloses Verdienen mit höchsten Ehren auszeichnet, schon in sehr jungen Jahren das, was in einschlägigen Magazinen als „mutige Unternehmerin“ bezeichnet wird.
Ein Soziologe namens Heinz Bude belobhudelte 2005 in „Die Zeit“ das Ergebnis dieses deutschen Entwicklungsromans wie folgt: Susanne Klatten passe nicht in das romantische Muster von Aufstieg und Niedergang einer Unternehmerfamilie, wie etwa Thomas Mann es in „Die Buddenbrooks“ geschildert habe, nein, ganz anders, viel besser: Frau Klatten verkörpere „die Modernität des Modells Quandt“: Sie entwickle die Dynastie nüchtern weiter, sie „unterstellt sich der Aufgabe ihrer Herkunft. Sie ergreift die Initiative und kommt ihrer Pflicht nach. Sie erfüllt kein Schicksal, sondern setzt einen Neubeginn.“
Nüchternheit, Modernität, Pflicht der Herkunft, Neubeginn: Schön, nicht wahr? So rückte die junge Frau in den Aufsichtsrat der Altana AG auf. Sie gründete die Beteiligungsgesellschaft SKion. In diesem unbekannten juristischen Konstrukt, das inzwischen weitere Tochter-Briefkästen beherbergt, steckt Deutschlands größter femininer Reichtum: Anteile an der Automobilfabrik BMW, am Chemiekonzern Altana, am Windturbinenhersteller Nordex. Und einiges mehr.
Die Klatten zählt, so erzählt uns das Magazin „capital“, zu den mutigen Unternehmern, die „Geld in die Hand nehmen, die mitten in der Krise Zukäufe und Deals wagen, während andere Milliarden verlieren.“ Gewiß, wenn sie eines gelernt hat, dann ist es das: Geld in die Hand nehmen. Diesen nüchternen Handgriff beherrscht sie, das ist Familientradition. „Den Boulevard beschäftigt noch die Gigolo-Affäre, da schlägt die Quandt-Erbin wieder zu. Wie immer gezielt und geräuschlos. Sie erwirbt für 300 Millionen Euro fast acht Prozent an dem Grafithersteller SGL. Klatten will auf 25 Prozent aufstocken – und sucht weitere Techfirmen.“ Mal eben 300 Millionen in die Hand nehmen, gezielt und geräuschlos zuschlagen – während der Plebs mit der Gigolo-Affäre abgespeist wird.
Ja, also der Gigolo. Da erwies sie sich ebenfalls als mutig, nüchtern, modern, pflichtbewußt und setzte einen Neubeginn. Neben ihrem geräuschlos-gezielten unternehmerischen Zuschlagen und neben ihrer Unternehmer-Ehe mit den drei Kindern ist sie aus verständlichen Gründen der Liebe bedürftig. So entspannte sie sich – wie andere Damen ihres Milieus – in einem Innsbrucker Kurhotel der High Society mit einem gewerbsmäßigen Gigolo aus einer italienischen Mafiagruppe. Sie habe diesen Hintergrund erst nicht erkennen können, sagte sie später, was sie ganz gewiß ehrlich gemeint hat.
Sie nahm neben dem, was sie mit ihm in diversen Hotels als Liebe nahm, auch hier Geld in die Hand: Sieben Millionen Euro etwa hat sie in ihren Kurzzeit-Liebhaber investiert, sozusagen aus der Seitensprung-Portokasse, gewiß aus versteuerten Beständen. Erst als er mit der Drohung, intime Fotos zu veröffentlichen, eine zweistellige Millionensumme erpressen wollte, beendete die sündige Susanne die Beziehung, verklagte ihn nüchtern wegen Erpressung und setzte einen Neuanfang. Der Richter, der den Gigolo zu sechs Jahren Haft verurteilte, begründete das milde Urteil damit, dass auch bei der Milliardärin und ihren drei weiteren Liebes- und Leidensgenossinnen „eine gewisse Leichtfertigkeit nicht verkannt“ werden könne.
Die Schuldlose stilisierte sich für ihren Gang zu Gericht öffentlich als Opfer. Der „Financial Times“ gegenüber erhöhte sie sich als feministische Vorkämpferin für alle Frauen bzw. Unternehmerinnen, die in Kurhotels der High Society offenbar häufig in ähnliche Lagen kommen: „Du bist jetzt ein Opfer, und du mußt dich wehren. Ich wehre mich jetzt im Namen aller Frauen meiner Familie. Und im Namen vieler anderer Frauen auch.“ Die Opfer-Frau winselte sich betroffenheitsselig ins Menschliche: „Es verletzt mich, wenn ich immer nur im Maß des Geldes gemessen werde. Ich möchte aber als Mensch gesehen werden.“ Sie möcht ein Mensch sein, fast glaub ich’s ihr. Aber sie schafft es nicht.
So mutig, nüchtern und neubeginnig gab sich Frau Klatten in anderer Hinsicht nicht. Die Quandts haben ihren Reichtum seit dem Ersten Weltkrieg in der Rüstungsindustrie verdient und damit auch schon manchen Verdienstorden, Großvater Günther Quandt bespendete seit 1931 die NSDAP, gründete Briefkastenfirmen in Liechtenstein und mehrte als Wehrwirtschaftsführer den Familienreichtum noch schneller als zuvor. Er reichte den Reichtum schuldlos an seine Söhne weiter, darunter an Herbert Quandt, der den Reichtum an Tochter Susanne weiterreichte. Die Vermehrung des geerbten Reichtums hatten u.a. Kriegsgefangene und Juden in der Akkumulatoren-Fabrik Hannover-Stöcken geleistet, die der Großvater sich von der SS für vier Reichsmark pro Tag liefern ließ.
Susanne Klatten verweigerte sieben Jahrzehnte später jegliche Aussage für die TV-Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“. Sich selbst als Opfer eines Gigolos erkennen, das kann sie. Die Opfer ihres Reichtums erkennen, das kann sie nicht. Sie ist ewig schuldlos. Als Vorbild der Uneinsichtigkeit kann sie sich auf Magda Quandt berufen, die dem NS-Großvater Günther weglief, um den aufstrebenden Gauleiter Joseph Goebbels zu heiraten und dann ihre sechs NS-Vorzeige-Kinder mit in den Tod riss, Opfer der Russen.
Die reichste Frau Deutschlands ist nicht dafür bekannt, dass sie in ihren Unternehmen die Demokratie fördert oder sich Gedanken über die Opfer ihres Reichtums macht. Aber sie fördert Politik, was bekanntlich, auch in der Familie Quandt, nicht dasselbe wie Demokratie sein muß. Sie macht es mit Pflicht zur Herkunft, mit nüchternem unternehmerischem Kalkül, in der Modernität des Modells Quandt. Die sündig-unschuldige Susanne ist Deutschlands größte Einzel-Bespenderin politischer Parteien. Sie bespendete die christianisierte Ostfrau Angela Merkel für den Wahlkampf 2005 mit immerhin 120.000 Euro. Die zwei kapitaldienlichsten Parteien bespendete sie zwischen 2002 und 2008 mit immerhin 845.000 Euro, 610.000 Euro für die CDU und 235.000 für die FDP. Ziemlich viel, nicht wahr? Einerseits. Andererseits ist das gerade mal ein Achtel der sieben Millionen, die die reichste Frau Deutschlands für einen Kurzzeit-Gigolo zahlte. Damit sich keiner über die Verhältnisse täuscht, die hier herrschen bzw. frauschen.
Dieser Text ist dem Buch „Schlitzohren und Halunken – Von Ackermann bis Zumwinkel“ entnommen. Hrsg: Peter Sodann. Ein Almanach der Missetaten. Erschienen im Eulenspiegel Verlag. 192 Seiten. Preis: 12,95 Euro. Die Beiträge für das von den Medien bislang kaum wahrgenommene Buch stammen von Satirikern, Kabarettisten, Politikern und Journalisten.
AutorIn: Werner Ruegemer