Theater Konstanz: Neues und Altes zur Religion

Ein Mantel- und Degenstück auf dem Münsterplatz, „Mein Kampf“ an Hitlers Geburtstag, wieder eine Aufführung in „Übersee“ und fast 20 weitere Premieren bietet das Stadttheater Konstanz in der Spielzeit 17/18 an. Motto aber auf allen drei Spielstätten: „Ist da wer?“, verbunden mit der Frage, „wie hältst Du’s mit der Religion“? Denn die Theaterleute wollen die Frage, wie wir leben, was wir glauben wollen, nicht alleine Ämtern und Amtskirchen überlassen.

„Im Flugzeug mit Turbulenzen gibt es keine Atheisten“. Schauspieldirektor Mark Zurmühle, der an der Seite von Intendant Christoph Nix und inmitten seiner Dramaturgen-Truppe den neuen Spielplan 2017/18 präsentierte (Foto), bringt es auf den Punkt: „Im Namen des Glaubens werden heute Kriege geführt, werden Verbrechen begangen – Religion spielt sich nicht mehr nur in Kirchen ab, sondern im Alltag.“ Da wollen die Theaterleute nicht abseits stehen und offerieren einen Premieren-Mix aus klassischen und modernen Stücken, mit christlichem oder islamischem oder jüdischem Hintergrund, bringen Musicals neben Dramen auf die Bühne. Eine sehr subjektive Auswahl:

„Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow in der Regie von Andrej Woron
Das 1940 vollendete Meisterwerk ist eine Satire auf das stalinistische Sowjetsystem und eine Auseinandersetzung mit jeder Art von Kunst im Zwiespalt von Gedankenfreiheit und orthodoxem Glauben.

„Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber in der Regie von Ingo Putz
Die Rock-Oper setzt sich auf sehr subjektive Weise mit der biblischen Passionsgeschichte auseinander, indem sie die letzten sieben Jahre im Leben Jesu schildert. Die häufig angefeindete Oper schafft es, die Sinnfragen der 68er-Generation in unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen auszudrücken.

„Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing in der Regie von Mark Zurmühle
Lessings letztes dramatische Werk gilt zurecht als die Parabel für religiöse Toleranz und eine Gleichberechtigung der Religionen. In der heutigen Zeit, in der das Feuer der Glaubenskriege wieder zu lodern scheint, ein wichtiges, ein aktuelles Stück.

„Ich rufe meine Brüder“ von Jonas Hassen Khemiri in der Regie von Stefan Eberle
Khemiri, Sohn einer Schwedin und eines Tunesiers, erzählt die Geschichte von Amor, von dem wir nicht wissen, ob er ein Terrorist ist und der die Grenze zwischen Täter und Opfer nicht ergründen kann – ein Lehrstück über Manipulation in einer Gesellschaft, die zwanghaft alles beobachten muss.

„Salome“ von Elnar Schleef nach Oscar Wilde in der Regie von Vera Nemirova
Der 2001 verstorbene Regisseur und Autor Elnar Schleef hat aus Oscar Wildes einziger Tragödie ein politisches Stück über religiösen Extremismus gemacht, wenn er die Bibel-Geschichte der Herodes-Tochter Salome erzählt, die sich für einen fanatischen Asketen und politischen Aufrührer einsetzt. Salomes ‚Tanz der sieben Schleier‘ ist seitdem in die Weltliteratur eingegangen.

„Die unsichtbare Hand“ von Ayad Akhtar in der Regie von Mark Zurmühle
Akhtar ist ein vielfach ausgezeichneter US-amerikanischer Autor und Pulitzer-Preisträger pakistanischer Herkunft. Sein Stück erzählt die Geschichte des Bankers Nick als Gefangener einer islamistischen Gruppe und die Geschichte über das Missverständnis von Ideologien im Spannungsfeld zwischen Terrorismus und der Macht des Kapitals.

„Mein Kampf“ von George Tabori in der Regie von Serdar Somuncu
Taboris Farce wird zu einem Fanal der Banalität des Bösen, wenn er Adolf Hitlers Phase im Wiener Männerasyl schildert. Das Leben eines talentfreien Möchtegern-Kunstmalers und Antisemiten wird nicht ohne Komik, aber mit untrüglichem Verständnis für den Reichtum jüdischer Kultur und Rhetorik beschrieben.

„Die Jungfrau von Orleans“ von Friedrich Schiller in der Regie von Johanna Wehner
Schillers Tragödie der Gotteskriegerin Johanna d’Arc zeigt sie als aktive Täterin, die von der Gesellschaft zunächst geopfert und später zum Nationalmythos verklärt wird. Ein Stück Welttheater, das die Manipulation durch Religion auch in unserer Zeit aktuell werden lässt.

Man sieht: Klassisches und Modernes fügt sich im neuen Spielplan des Konstanzer Stadttheaters. Und Flottes auch, wenn man sich auf die Freilicht-Aufführung von „Cyrano de Bergerac“ auf dem Münsterplatz oder von „Iphigenie auf Tauris“ in der Kapuzinerkirche in Überlingen (oder vielleicht doch im Weinmuseum von Meersburg?) freut. Immer aber wohl Spannendes, das der Spielplan 17/18 für das begeisterungsfähige Konstanzer Publikum bereit hält.

hpk