Theater Konstanz: Spielplanvorschau 2022/23

Theater Konstanz SpieplanvorschauDie Spielzeit 2022/23 hat das Theater unter das Motto gestellt „Respekt ist zumutbar. Immer.“, das einem Essay von Carolin Emcke entnommen ist. Geplant sind 22 Premieren, davon 7 Uraufführungen und eine Deutschsprachige und eine Deutsche Erstaufführung. 15 Regisseurinnen und 6 Regisseure werden die Stücke auf ihre Aktualität befragen. Hier geht es zur Übersicht, die zwar lang, aber auch aufschlußreich ist. Lesezeit rund 10 Minuten.

Die neue Spielzeit wird mit einem Klassiker im Stadttheater eröffnet:

Der zerbrochne Krug von Heinrich von Kleist
Ist es eine Komödie? Oder ist es eine Tragödie? Die scheinbare Provinzposse um Korruption, Lug und Betrug entpuppt sich rasch als Drama um Macht und Machtmissbrauch, in dem Positionen gesichert und Verhältnisse zementiert werden. Regie führt Schirin Khodadadian, die bereits „Jeder stirbt für sich allein“ in Konstanz inszeniert hat.

In der Werkstatt startet das Theater mit einer Uraufführung: KARL! Eine Stückentwicklung von Susanne Frieling und Hannah Stollmayer.
Etwa 2 Millionen Kinder in Deutschland leben mit einem Geschwisterkind mit Behinderung. Ihr Beitrag zur sozialen Teilhabe ihrer Geschwister ist enorm. Sie stehen mit Rat und Tat zur Seite, sind sowohl Freund*in als auch Betreuer*in. Sie selbst und ihre eigenen Bedürfnisse werden jedoch oft nicht wahrgenommen – nicht in der Öffentlichkeit, nicht in der Politik. In Zusammenarbeit mit einem Schauspieler des mehrfach international ausgezeichneten Theater HORA aus Zürich, richtet die Regisseurin Susanne Frieling mit „KARL!“ den Blick auf diesen blinden Fleck.

Das Junge Theater wird eröffnet in der Spiegelhalle mit: und alle tiere rufen: dieser titel rettet die welt auch nicht mehr von Thomas Köck für Publikum ab 14 Jahren.
Thomas Köck hat eine Bestandsaufnahme geschrieben: Welche Tierarten hat der Mensch bereits ausgerottet? Welche wird er bald ausgerottet haben? Und er fragt: Warum um alles in der Welt schaffen wir den Kapitalismus nicht ab, bevor es zu spät ist? Halt. Es ist ja schon zu spät. Trotzdem überwiegt nicht das Hoffnungslose, sondern die Empörung. Denn wir Menschen hätten es ja in der Hand, etwas zu ändern, oder nicht? Regie führt Hausregisseur Kristo Šagor.

Im Stadttheater folgt im Oktober die Uraufführung: Quijote von Hannes Weiler sehr frei nach Miguel de Cervantes.
Hannes Weiler entwickelt als Autor und Regisseur klassische Prosa thematisch sowie ästhetisch weiter. So befragt er auch diesen Klassiker der Weltliteratur auf neue Perspektiven, die in unserer Gesellschaft verankert sind. Quijote sucht das Abenteuer und zieht seit 1605 aus, um Herzen zu erobern und natürlich gegen Windmühlen zu kämpfen. Seine Abenteuer sind ein Beispiel für Erzählungen, in denen Menschen in Nostalgie gefangen sind und die Realität ausblenden. Doch was, wenn sich die Realität nicht länger leugnen lässt? Oder wenn sich diese noch absurder zeigt als jede fantastische Vorstellung?

Im November ein Stück für die ganze Familie: Die wilde Sophie nach dem Kinderbuch von Lukas Hartmann.
Die Geschichte vom dicken König Ferdinand, der sich vor allem und jedem fürchtet und deshalb seinen Sohn vor allen möglichen und unmöglichen Gefahren – und sei es großen Buchstaben mit spitzen Enden – beschützen will, wird in einer Bühnenfassung von Regisseurin Grit Lukas und Dramaturgin Doris Happl auf die Bühne des Stadttheaters kommen. Die Heldin des Stückes ist die wilde Sophie, die mit Witz und Einfallsreichtum alle Abenteuer besteht und den armen Prinzen befreit. Und so wird einmal nicht die Prinzessin, sondern der Prinz wachgeküsst.

Parallel für alle ab 4 Jahren kommt in die Werkstatt: Psssst!, unser Familienstück übers Rauschen und Lauschen von Barbara Fuchs & Jörg Ritzenhoff, eine Uraufführung.
Barbara Fuchs und Jörg Ritzenhoff machen sich auf die Suche nach dem Zusammenhang von Rauschen und unserem Lauschen. Auf leisen Sohlen begeben sich die Spieler*innen in das Reich der „Stille“ zwischen Naturgeräuschen vom Regen, Wind und Wasserfälle bis hin zur brummenden Heizung oder säuselnden Brausetabletten.

Im November rockt: Shockheaded Peter das Stadttheater, die Junk-Oper von den Tiger Lillies, Phelim McDermott & Julian Crouch.
Susi Weber inszeniert das mehrfach preisgekrönte Musical, das den Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann durch die Mangel nimmt: Was als bürgerliche Erziehung zur Abschreckung gedacht war, wird in diesem Stück ver-rückt und mit britischem Humor versetzt. Schrill und grotesk, mit der herrlichen Musik der Tiger Lillies, die an trunkene Zirkuskapellen erinnert.

Im Dezember folgt ein Titel, der Ihnen bekannt vorkommen könnte: „Tot sind wir nicht“ von Svenja Viola Bungarten.
Lockdowns und Beschränkungen haben in der Spielzeit 2020/21 den Probenstart verhindert, doch nun können wir endlich durchstarten! Als Abo-Produktion kommt das Theaterstück in der Spiegelhalle zur Premiere. Dort erwarten Sie die beiden Rentnerinnen Ute K. und Beate, die sich mit dem nicht ganz legalen Verkauf von Medikamenten ihren großen Traum erfüllen wollen: nach Okinawa ziehen und dort gemeinsam uralt werden. Natürlich klappt das nicht reibungslos. Regie führt Swen Lasse Awe.

Das Jahr 2023 startet im Stadttheater mit der Premiere von Georg Büchners Woyzeck in der Regie von Nina Mattenklotz.
Die Regisseurin stellt in ihren Inszenierungen soziale Klassen und geschlechterspezifische Herrschaftsverhältnisse in Frage. Und so stellen wir fest: Woyzeck ist nicht nur das Opfer der Verhältnisse oder ein pathologischer Musterfall. Woyzeck ermordet Marie: ein Femizid. In seinem Drama seziert Büchner die Erfahrung eines Lebens, das weder Sinn noch Moral zusammenhält, auch nicht das Glück der Familie oder das der Liebe.

In der Werkstatt erleben Sie im Februar: Eine Sommernacht
Ein wunderbares Stück mit viel Musik von David Greig & Gordon McIntyre, in dem sich zwei sehr unterschiedliche Menschen begegnen und eine Nacht verbringen, die ihre Leben verändern wird. Regie führt Esther Muschol, die für diese Mischung aus Unterhaltung und Tiefgang ein bewährtes Händchen hat.

In diesen Tagen bekommt die junge französische Autorin Gwendoline Soublin für ihr Stück „Tout ça, tout ça“ – der deutsche Titel lautet:„Und alles“ – den Baden-Württembergischen Jugendtheaterpreis verliehen. Wir sind stolz, im Februar in Konstanz die deutschsprachige Erstaufführung inszenieren zu dürfen! „Und alles“ ist ein Stück, das die Überforderung beschreibt, die uns überfällt, wenn wir der täglich auf uns einprasselnden Nachrichtenflut aus Radio, Fernsehen und Internet ausgesetzt sind. Und zwar aus der Perspektive von fünf Kindern. Es richtet sich an ein junges Publikum ab zehn Jahren und macht Mut, aus der Schockstarre und Passivität herauszukommen und selbst etwas zu tun! Regie führt Philipp Jescheck.

Auch in der kommenden Spielzeit wird eine zweite Premiere des Jungen Theaters auf die Stadttheaterbühne gebracht.
Hausregisseurin Franziska Autzen inszeniert im Februar „Animal Farm“
Eine dystopische Fabel nach George Orwell“. Orwells zeitkritische, auf Stalin gemünzte Parabel hat ihre Zeitlosigkeit längst erwiesen – und so zeigt das Theater „Animal Farm“ für alle Menschen ab 12 Jahren im Abo auf der Stadttheaterbühne.

In der Werkstatt folgt im März 2023: Ich lieb dich
Dieses Stück unseres Hausregisseurs und Autors Kristo Šagor ist wirklich etwas Besonderes. Es hat 2019 den Mülheimer KinderStückePreis der Fachjury und den Preis der Jugendjury verliehen bekommen. Höchste Zeit, es auch in Konstanz dem jungen Publikum ab acht Jahren in der Regie von Mia Constanine zu zeigen: „Ich lieb dich“ ist eine spielerische und philosophische Entdeckungsreise, stellt viele Fragen, hütet sich aber davor, einfache Antworten zu geben: Was genau ist denn Liebe? Warum wird man nicht immer zurück geliebt? Und warum hört die Liebe manchmal auf? Zum Beispiel die zu Zitroneneis?

Endlich! – nach bereits zwei Anläufen, die coronabedingt abgebrochen werden mussten, inszeniert Hausregisseur Kristo Šagor im März im Stadttheater Wer hat Angst vor Virginia Woolf von Edward Albee
Vier grandios verzweifelte, erbärmliche, absurde Menschen in einer herrlich verkorksten Nacht, in der die eigentlichen Feinde möglicherweise die Langeweile einer spießigen Provinz und die Angst vor dem Sterben sind.

Eine wichtige Aufgabe des Stadttheaters Konstanz, der wir mit Überzeugung und großer Freude nachkommen, ist der Austausch mit den Menschen aus der Stadt und dem Umland, ist der Dialog und direkte Kontakt. Dazu haben wir viele EXTRA-Veranstaltungen im Programm, zum Beispiel das Spielzeitfrühstück, das neue Format „Der Soundtrack meines Lebens“ im Klimperkasten oder die neue Zusammenarbeit mit dem Konstanzer Landgericht: „Von Fall zu Fall“.

Eine Produktion im Spielplan ist sogar explizit für Bürgerinnen und Bürger reserviert. Premiere ist im April in der Spiegelhalle mit der Uraufführung (Keine) Panik auf der Titanic
Unser STADTENSEMBLE, das wir in unserer ersten Spielzeit gegründet haben, wird dabei auf große Fahrt gehen, wohin? ist noch ungewiss. Kapitänin ist unsere Chefdramaturgin und Regisseurin Doris Happl. Und man kann auf dieser Reise mit dabei sein, denn das Stadtensemble wird neu durchmischt. Im Oktober werden dafür Auswahlworkshops stattfinden.

Mit Morgen ist auch noch ein Tag von Philipp Löhle feiern wir im April im Stadttheater Premiere. Der in Baden-Baden geborene und in Ravensburg aufgewachsene Dramatiker Philipp Löhle zeigt sich als brillanter Beobachter und empathischer Gesellschaftskritiker. So seziert er den frischgebackenen Pensionär Karl, der endlich von den Zwängen des strikten Tagesablaufs befreit ist. Er hat Zeit. Viel Zeit. Und die kann er mit seiner Frau Katja verbringen. Am Bodensee zum Beispiel. Diese ist jedoch weniger begeistert. Wohin diese Ausgangssituation führen kann, wird uns der Regisseur Abdullah Kenan Karaca erzählen. Karaca hat diese Spielzeit „Muttersprache Mameloschn“ inszeniert und bringt gerade als 2. Oberspielleiter die diesjährigen Oberammergauer Passionsspiele zur Premiere.

Im Mai folgt im Stadttheater ein Stück der jungen österreichische Autorin Anna Gschnitzer: Einfache Leute
Darin denkt sie über die Frage nach, inwieweit die Verhältnisse, in die wir hineingeboren werden, unsere Zukunft bestimmen. Was heißt es eigentlich, es „geschafft“ zu haben? Was ist es wert, dafür aufzugeben? – „Einfache Leute“ ist ein Stück Gegenwart zum Thema Klassismus, für die Bühne des Stadttheaters, mit vier großartigen Frauenrollen! Regie führt Hausregisseurin Franziska Autzen.

Die Uraufführung Lauter Denken mit vollem Mund ist eine Stückentwicklung von Franziska Henschel & Ensemble frei nach Motiven von „Alice im Wunderland“ von Lewis Caroll und wird im Mai für alle ab 6 Jahren Premiere haben.

Schon vor dem Frühstück sechs unmögliche Dinge denken? Das wird zumindest die Aufgabe des gesamten Produktionsteams sein, wenn Franziska Henschel zur kollektiven Text- und Stückentwicklung einlädt. Was macht man? Was nicht? Und ist „ich sehe, was ich esse“ dasselbe wie „ich esse, was ich sehe“? Carmen Schwarz wird anschließend das Material in Szene setzen.

Mit „All das Schöne“ hat sich Carmen Schwarz in dieser Spielzeit als Regisseurin in Konstanz vorgestellt und einen Dauerbrenner inszeniert, den wir mit Freude in der kommenden Spielzeit wieder in der Werkstatt zeigen werden.

Die Regisseurin Simone Geyer, die sich bereits mit „Jeeps“ dem Konstanzer Publikum vorstellte, entwickelt im Mai in der Spiegelhalle einen Abend über Kriegsreporter*innen mit dem aktuellen Arbeitstitel „PRESS“. Denn nicht erst die gegenwärtigen Geschehnisse verdeutlichen: für eine fundierte Berichterstattung sind wir angewiesen auf Menschen, die sich freiwillig in Krisengebiete begeben, um uns zu informieren. Was aber bewegt diese Menschen, einen Beruf des Ausnahmezustandes zu ergreifen? Und was passiert, wenn die Kameras nicht laufen und ihre Objektivität für einen Moment nicht gefragt ist?

Wir gehen wieder auf den wunderschönen MÜNSTERPLATZ, dieses Mal mit einer „Komödie mit erwünschten Nebenwirkungen“: Der eingebildet Kranke von Molière
Wir freuen uns, dass die Schweizer Regisseurin Christina Rast, die an vielen großen Häusern im deutschsprachigen Raum inszeniert, dieses Stück über den wohl berühmtesten Hypochonder der Theaterliteratur auf den Münsterplatz bringen wird.

Wer macht unsere Stadt? Wem passt sie? Das Kollektiv tondlhaas möchte Seh- und Gehgewohnheiten aufbrechen sowie Haltungen und Bewegungen im und durch Raum beeinflussen. Die Stadtvermessung :innen, deren Uraufführung im Juli in Konstanz zu erleben sein wird, möchte in narrativen Interventionen und Installationen dem Publikum jene Geschichten der Abweichung erzählen. Das Bild vom Mann als Prototyp des Menschen ist grundlegend für die Struktur unserer Gesellschaft. Nach der Essayistin Lauren Elkin – „Eine Frau braucht einfach nur vor die Haustür zu gehen, um subversiv zu sein.“ –, streift das Künstlerinnenduo mit weiblich-queerer Perspektive im Konstanzer Stadtraum umher und richtet die Aufmerksamkeit auf Gender Data Gaps und blinde Flecken.

Mobil unterwegs in Klassenzimmern wird neben unserer Wiederaufnahme „Johnny Hübner greift ein“ für Menschen ab 7 auch ein Stück für junges Publikum ab 14 sein: lauwarm von Sergej Gößner in der Regie von Julius Max Ferstl.

Nach dem Erfolg mit „Der fabelhafte Die“, einem Auftragswerk des Theater Konstanz, das zu gleich drei Festivals eingeladen wurde und gerade bei den Internationalen Maifestspielen in Wiesbaden gastiert, setzen wir die Zusammenarbeit mit dem Autor Sergej Gößner fort: „lauwarm“ ist ein Plädoyer dafür, nicht immer alles nur in zwei Schubladen einsortieren zu wollen! Denn das Leben und die Liebe sind komplex und selten eindeutig.

Text und Bild: Stadttheater Konstanz
Weitere Infos unter: www.theaterkonstanz.de