Theater und Film: Sie leben noch!

Ganz Deutschland stöhnt im Pandemieschlaf. Ganz Deutschland? Nein! Auch wenn das kulturelle Leben gerade weitestgehend brachliegt, gibt es aus der Region doch immer wieder kleine Lebenszeichen. Der Queerstreifen des Zebrakinos ist zur Überbrückung ins weite Netz ausgewichen und bietet seinen ZuschauerInnen im Februar Filme im Stream gegen einen kleinen Obulus an. Auch andere Kulturschaffende wie das Ein-Mann-Theaterensemble Simon Weiland nutzen die Zeit, um ihr Programm an die Leute zu bringen.

Queerstreifen im Februar

Die Queerstreifen-Reihe im Zebrakino zeigt im Februar wieder einmal zwei Filme, die buntes und diverses Leben sichtbar machen. „Eine total normale Familie“ handelt dabei vom Outing des Familienvaters Thomas als Transperson und wie er sich nach und nach zur Mama Agnete entwickelt. Die dänische Tragikomödie zeichnet eine Familie zwischen Heteronormativität, Wandel und Diversität und hinterfragt eindrücklich, was wir heute eigentlich als „normales“ und „natürliches“ Familienleben betrachten wollen.

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„Minjan“ hingegen handelt von David, Sohn einer russischen Einwandererfamilie, und seiner jüdischen Community in Brighton Beach, NYC. Als deren Teil ist er für das Quorum einer jüdischen Betgemeinde von zehn Betenden notwendig (hebräisch: „Minjan“). Dabei gerät Davids Homosexualität häufig in Konflikt mit den strengen Regeln des jüdischen Lebens seiner Community. „Minjan“ erzählt eine Geschichte von ausgelebter Sexualität, Werten und Tradition vor der Kulisse des New York vor der Gentrifizierung, aber im steten Angesicht von HIV/Aids und den damit verbundenen Stigmata.

Beide Filme können für je 9,99 Euro auf der Seite des Zebrakinos gestreamt werden. Dabei wird das Kino beim Online-Ticketkauf genauso unterstützt, als würden die Tickets im wirklichen Leben leibhaftig an der Kasse erworben – nur gibt es weniger Austausch davor und danach im Foyer und weniger tolle Kinoatmosphäre (aber dafür gibt es auch weniger laute und raschelnde SitznachbarInnen). Nüsse und Wein müssen aber selbst organisiert werden – die lassen sich nämlich noch nicht streamen, doch die Zebra-Leute arbeiten wahrscheinlich schon daran.

Eine total normale Familie
Minjan

Simon Weiland – Im Kosmos der Träume: Ein-Mann-Theater online

Simon Weiland ist als Musiker und Theaterspieler schon eine ganze Zeitlang im Hegau-Bodensee-Raum umtriebig. Die Zeit der im letzten Jahr ausgefallenen Auftritte hat er entsprechend genutzt und im K9 ein kleines Sammelsurium aus sieben Solo-Theaterstücken aufgezeichnet. Hier werden bekannte, althergebrachte Motive in neue Kontexte übertragen; Weiland springt dabei eindringlich zwischen den verschiedenen Rollen hin und her und erweckt sie stimmlich und lautmalerisch zum Leben. Und das alles praktisch ohne Requisite, nur manchmal in Begleitung seiner Gitarre, minimalistisch und immer auf das Wichtige und Relevante bedacht. Der Künstler lenkt nicht mit Brimborium ab, sondern besinnt sich auf die Essenz des Theaters – und erreicht so Dimensionen von Eindrücklichkeit, die man in vielen aufwendigen Über-Inszenierungen des modernen Theaters zuweilen vermissen mag.

Auch wenn Live-Atmosphäre und Publikumsinteraktion zwangsläufig hintenan stehen müssen, bietet Weiland ein kurzweiliges und dennoch tiefsinniges Programm für alle Theaterwütigen, die dringend eine weniger mainstreamige, regionale Alternative zu Netflix, Prime und Konsorten brauchen.

Simon Weiland finden Sie hier

MM/jh (Bild: Szene aus „Eine total normale Familie“, geliefert vom Veranstalter)