Transportiert Musik wirklich Freude und Trauer?

Klar, wenn in Beethovens Symphonie No. 5 das Schicksal an die Tür klopft, geschieht das in dräuendem c-moll. Komponiert der gelegentlich etwas mürrische Musikheroe hingegen in seiner nächsten Symphonie No. 6 „Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen“, tut er dies selbstverständlich in Dur. Daher stellt sich die alte Frage täglich neu: Ist Dur fröhlich, Moll hingegen traurig?

Der Forschergeist, der bekanntlich niemals ruht, hat sich jetzt wieder dieses Themas angenommen, wie die Universität Konstanz schreibt (der Text wurde minimal gekürzt):

Akkorde und Melodien in Dur oder Moll – was in der westlichen Kultur gerne als „fröhliche” versus „traurige” Musik bezeichnet wird – werden womöglich doch nicht universell so wahrgenommen. Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen der Western Sydney University und der Universität Konstanz fand Anhaltspunkte, dass die Emotionen, welche Dur und Moll transportieren, von Gewöhnung und assoziativer Konditionierung abhängen könnten.

Für die neue Studie begaben sich Forscher*innen der Western Sydney University, der Australian National University und der Universität Konstanz in abgeschiedene Gemeinden im Nebelwald Papua-Neuguineas, die unterschiedlich häufig in Berührung mit westlicher Musik gekommen waren. Sie spielten den Menschen dort Dur- und Moll-Akkordfolgen (Kadenzen) vor und fragten sie, welche davon sie glücklicher stimmten.

Dieses musikalische Experiment wiederholten die Forschenden mit Musikern und Nicht-Musikern im australischen Sydney. Anschließend verglichen sie die emotionalen Wahrnehmungen und Vorlieben für Dur- und Moll-Harmonien bzw. -Akkorde unter allen Studienteilnehmer*innen.

„Wie die Teilnehmenden in Sydney auf Dur und Moll antworten würden, hatten wir aufgrund vorhergehender Forschung stark erwartet. Die eigentliche Frage war: Würden ähnliche Reaktionen bei den Teilnehmenden in Papua-Neuguinea auftreten oder nicht? Hier waren wir sehr neugierig auf die Ergebnisse,“ erklärt die Autorin der Studie, Dr. Eline Smit. Sie forscht am MARCS Institute for Brain, Behaviour and Development in Sydney und als Postdoc im Fachbereich Linguistik der Universität Konstanz.

Die australischen Teilnehmer*innen, so ergab die Studie, zeigten eine klare Präferenz für Dur-Melodien und -Akkorde, welche sie als fröhlicher wahrnahmen. Die Teilnehmenden aus Papua-Neuguinea, die mit westlicher Musik geringfügig in Kontakt gekommen waren, stimmten weniger deutlich damit überein, dass Dur fröhlicher als Moll klinge. Dagegen assoziierten Teilnehmer*innen aus Papua-Neuguinea, die bislang kaum mit westlicher Musik zu tun gehabt hatten, keine Glücksgefühle mit Dur-Klängen.

Ko-Autor Dr. Andrew Milne sagt, die emotionalen Unterschiede zeigten, dass es wohl keine universelle Reaktion auf Dur- und Molltonarten gibt, sondern dass der Grund eher eine Gewöhnung und Konditionierung innerhalb der westlichen Kultur sein dürfte. Er erklärt: „Musik macht einen bedeutenden Bestandteil der meisten Kulturen aus und spielt eine riesige Rolle in unserem Alltag. In jedem Spielfilm, jeder TV-Show begleitet ein Soundtrack emotionale Szenen. Und typischerweise werden Dur-Akkorde in glücklichen und euphorischen Szenen verwendet, während Moll-Klänge ein Gefühl von Unbehagen oder Trauer transportieren.”

„Diese assoziative Konditionierung zieht sich durch unser ganzes Leben und könnte ein Grund dafür sein, warum sowohl Musiker als auch Nicht-Musiker in der westlichen Kultur Dur-Klänge als fröhlicher empfinden, während Menschen mit sehr geringem oder begrenzten Kontakt mit westlicher Musik und Kultur hier schwächere oder gar keine Assoziationen haben,” so Milne.

Dr. Eline Smit betont, dass ihre Ergebnisse die bedeutende Rolle des Vertrautheitsgrades mit Musik in Dur und Moll für die emotionalen Reaktionen der Menschen verdeutlichen: „Je größer die Vertrautheit, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man die typisch westlichen Empfindungen hat. Jedoch können unsere Ergebnisse nicht ausschließen, dass jemand, der noch nie mit Dur- oder Moll-Musik zu tun hatte, auch Dur als fröhlich und Moll als traurig wahrnimmt.”

Die Studie „Emotional responses in Papua New Guinea show negligible evidence for a universal effect of major versus minor music“ wurde im PLOS ONE Journal veröffentlicht: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0269597.

Text: MM/red, Bild: Towet Village im Uruwa River Valley, eine der Gemeinden auf Papua-Neuguinea, wo Teilnehmer*innen der Studie befragt wurden. Astra Milne, CC-BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)