Vom See ans Meer
Der Schriftsteller Karl-Heinz Ott ist Gast des ersten „Konstanzer Literaturgesprächs“ im neuen Jahr. Seinen letzten größeren Auftritt in Konstanz hatte er gemeinsam mit seiner Frau, der Dramatikerin Theresia Walser, im Sommer 2014. Damals wurde ihr Stück „Konstanz am Meer“ in einer Freilichtaufführung am Münster uraufgeführt. Eine Auftragsarbeit zum Konzilsjubiläum. Das Stück war einer der vielbeachteten Höhepunkte der Konzilsfeiern.
Nun kommt Ott wieder nach Konstanz. In der Tasche hat er seinen neuen, gerade mal 140 Seiten starken Roman „Und jeden Morgen das Meer“ (Hanser-Verlag, München), über den Ursula März in der „Zeit“ schrieb, er berühre „die tiefsten Fragen des Lebens“. Auch Hubert Winkels lobte das Buch, in dem der Autor „mit wenig Handlung, sozialem Stoff und vielen Erinnerungen einen ganzen Gesellschaftsroman“ beim Leser aufrufe.
Hauptfigur des Romans ist Sonja, Anfang sechzig, die es nach Wales ans Meer zieht. Es ist eine Flucht vor ihrem Leben am Bodensee. Dreißig Jahre war sie Chefin des hochpreisigen Hotels „Lindenhof“, ihr Mann Bruno hatte als Koch sogar einen Stern. Doch dann stirbt Bruno durch eigene Hand und sie verliert den Überblick über die Geschäfte. Sein Bruder Arno ist bereit, alles, und damit auch einen Berg von Schulden zu übernehmen, vorausgesetzt, Sonja verschwindet. Also reist sie nach Wales zu Mister Pettibone, obwohl der Engländer sie vor der abgewirtschafteten Pension, die sie übernehmen will, gewarnt hat, vor dem Essen, vor seinem Onkel und vor dem ganzen traurigen Leben auf der Insel. Doch das Meer ist herrlich. Und ist Wales bei Sturm und Regen nicht allemal besser als ein Feinschmeckerhotel am Bodensee?
Autor Ott schlüpft also in die Haut einer Frau, die sich in einer sozialen Notsituation befindet. Er schafft damit nicht nur ein grandioses Porträt, sondern – noch einmal Ursula März – „eine seltene, wenn nicht gar neue Erscheinung in der Literaturgeschichte. Denn um die Frauenquote ist es in existenzphilosophischen Romanen nicht allzu gut bestellt“. Einerseits ist es die Frauengestalt in diesem melancholischen Roman, die fasziniert, andererseits betört die Beschreibung der angeblich so öden walisischen Küstenprovinz.
Karl-Heinz Ott sei der meistunterschätzte Schriftsteller der Republik, sagte einer, der es wissen muss: der Literaturkritiker Denis Scheck. Auch er lobte den berührenden Roman als kleine Sensation. Ott, der 1957 in Ehingen/Donau geboren und für sein literarisches Werk mehrfach ausgezeichnet wurde, hat fünf Romane (unter anderem „Ins Offene“, „Endlich Stille“) und etliche Theaterstücke (unter anderem „Gastmahl“, „Geierwally“, gemeinsam mit Theresia Walser) geschrieben, die in der Kritik gut angekommen sind. Was noch fehlt, ist der Sprung in die Bestsellerlisten …
Das „Konstanzer Literaturgespräch“ mit Karl-Heinz Ott wird von Siegmund Kopitzki moderiert. Der ehemalige Kulturredakteur ist Vorsitzender der literarischen Gesellschaft „Forum Allmende“, die die Reihe veranstaltet, und hat Otts Werdegang seit mehr als einem Vierteljahrhundert journalistisch begleitet.
Manfred Bosch (Foto: Oli Hanser)
Wann? 23. Januar, 20 Uhr. Wo? Foyer der Spiegelhalle (Hafenstrasse 10).
Karten zu 8,- € nur an der Abendkasse.
Weitere Informationen unter www.forum-allmende.de