Von Räten und Revolutionären

Das neueste Buch des Regional-Historikers Karl Schweizer aus Lindau erinnert an die November-Revolution 1918 und die Räterepublik 1919 in der Bodensee-Region – eine der wenigen Arbeiten, die sich dem historischen Datum vor 100 Jahren widmen. Das 208-Seiten-Buch erzählt mithilfe zahlreicher Zitate aus Polizeiakten und Zeitungsartikeln präzise von dem kurzen Aufflackern revolutionärer Ideen, vor allem aber von ihrem Scheitern. In Lindau und anderswo am Bodensee.

Ende des 1.Weltkrieges, November-Aufstände, Räteregierungen – vor genau 100 Jahren standen die politischen Zeichen in Deutschland auf Sturm. Umso erstaunlicher, dass in diesen Tagen, ein Jahrhundert danach, hierzulande kaum etwas darüber zu lesen ist, diese Daten kaum beachtet werden. Umso verdienstvoller darum Schweizers Veröffentlichung, die vor allem die Geschichte der Sozialisten und Kommunisten am See schildert.

Und das tut Schweizer mit der ihm eigenen Akribie. Schier unzählige Zitate lassen die Leserin, den Leser fast ermüden, doch dem Autoren gelingt es immer wieder, neben nüchternen Behördentexten in persönliche Schicksale einzutauchen und vieles vom Leben und Arbeiten gerade ärmerer Menschen vor 100 Jahren zu erzählen. Das ist spannend zu lesen und wichtig für das eigene Geschichtsverständnis.

Genau am Jahrestag der Berliner Revolution, am 9. November, liest Karl Schweizer in Konstanz aus seinem aktuellen Buch und diskutiert über seine neuesten Forschungen, die weit über Lindau hinausreichen: Freitag, 9.11., ab 19.30 Uhr im Treffpunkt Petershausen, Georg-Elser-Platz 1.

Schweizer bricht stets nationale Entwicklungen in München, Stuttgart und Berlin auf die regionale Ebene herunter und stellt so den historischen Rahmen her, der diese Monate des Umbruchs erst verstehen lässt. Und er beschränkt sich nicht auf 1918/19, sondern schildert die Schicksale vieler mutiger Frauen und Männer in Zeiten des Nazi-Terrors, ihr Leiden im KZ, aber auch ihren Kampf im Widerstand. Mehr noch: Die letzten Seiten seines Buches widmet er dem Aufbau der KPD in Lindau nach dem 2.Weltkrieg bis zum Verbot der kommunistischen Partei 1956.

Ein wahres Geschichtsbuch also, das dem pensionierten Pädagogen da gelungen ist, und das Fakten ans Tageslicht bringt, über die viel zu selten geschrieben und geredet wird. Keine große Literatur, aber ein Sachbuch, das als Nachschlagewerk taugt.

hpk

Karl Schweizer: Novemberrevolution 1918 – Räterepublik 1919. Sozialisten und Kommunisten in Lindau und Umgebung, edition Inseltor, Lindau, 2018, 208 Seiten, 140 Bilder, Preis: 19,- €