Warum ein Rottweiler so gerne mit der Bahn fährt
Das erklärt der Kabarettist und zeitweilige seemoz-Autor Thomas C. Breuer in seinem neuen Buch mit viel Witz und Humor. Seit rund 35 Jahren tingelt Breuer durch den Südwesten der Republik und verlässt sich dabei auf den Schienenverkehr zwischen Main und Bodensee. Der in Rottweil ansässige Breuer erlebt dabei allerlei Seltsames und so war es nur eine Frage der Zeit, bis seine Reisebeobachtungen zwischen Buchdeckel gepresst wurden und nun auf Leser warten.
Thomas C. Breuer ist im Besitz der Bahncard 100. Was die ihn gekostet hat, will er uns nicht verraten. „Günschtig“, so übrigens der Titel seines Buches, war sie sicher nicht. „Zwischen Oechsle und Zäpfle – Kuriose Reisen durch Baden-Württemberg“ tituliert der Wortkünstler seine Erfahrungen, die er zwischen Scherzheim und Alblachtal gemacht hat. Aber nicht nur dort. Fast überall, wo es wegen fehlender Anschlüsse längere Wartezeiten gibt – und das war und ist des öfteren der Fall – beäugt er das jeweilige Städtchen, trifft dort meist auf skurille Besonderheiten und notiert sie vergnüglich.
Baden-Baden beispielsweise kommt gar nicht gut weg. Hier, so der Autor, „ist sogar der Sonnenschein eitel“ und die Pferdewettzeitung habe man den Herren ab 60 „unter die Achsel geschraubt“. Auch das werden die Baden-Badener wohl nicht gerne lesen: „Diese Stadt ist eines der letzten Paradiese für Heiratsschwindler, hier können sie artgerecht ihrer Passion nachgehen, die Schmeichelheuchler, hier flaniert der Graf zu Gnatz im Gefolge der Lady Duvulfy-Haeberlin, die er anlässlich der VII. Internationale der Inkontinenz kennengelernt hat“. Dazu sichtet Breuer noch ein „affiges Groschengrab von Festspielhaus“ und jede Menge „Instant-Millionäre aus dem Osten“. Herrlich böse auch sein Resümee: „Jeder Stopp in Baden-Baden vermittelt einem eine vage Idee davon, dass Sterblichkeit durchaus auch ihre guten Seiten haben kann“. Völlig einig ist er sich mit Mark Twain, der einst über die Stadt lästerte: „Eine Stadt, die bis auf Betrug, den kleinen Schwindel und das Protzentum hohl ist“. Also ab durch die Mitte.
Und wenn der jeweilige Bahnhof nichts hergibt und die dazugehörige Ortschaft außer Ödnis rein gar nichts zu bieten hat, verbringt Breuer seine Zeit mit ethnologischen Studien und beobachtet seine Mitfahrer. Da trifft er naturgemäss auf völlig unterschiedliche Charaktere. Der eine sitzt ruhig und in ein Buch versunken, ein anderer schnarcht friedlich vor sich hin. Nebendran nervt eine Göre mit ihrem Handy, das ohne Unterlass aufdringlich klingelt. Das alles wäre noch einigermassen zu ertragen. Dann aber, irgendwo auf der Schwäbischen Alb, dringt eine Horde ausgeflippter Bundeswehrsoldaten ins Abteil, grölt grenzwertiges Liedgut und schüttet sich dabei Hochprozentiges in die Kehlen. Wenn diese Kombo dann noch Verstärkung erfährt durch eine Schwarzwälder Trachtengruppe auf Betriebsausflug, dann hält sich die Begeisterung der restlichen Passagiere in Grenzen. Breuer notiert aufmerksam, lauscht nebenbei den meist in Regionalzügen unverständlichen Durchsagen, die scheppernd durch die Lautsprecher knallen und sehnt sich insgeheim der Endstation entgegen.
Auf der Südschiene reisend spült es den Rottweiler bisweilen auch in unsere Region. Zum Beispiel nach Singen. Seine dort schon mehrmals vernommene Lieblingsdurchsage: „Die Abfahrt unseres Zuges verspätet sich um einige Minuten, da wir den Gegenzug aus Stuttgart abwarten müssen. Der bringt nämlich unseren Lokführer“. Auch die Stadt an sich scheint ihn nur wenig zu begeistern: „Ob Singen als Abschreckung für Besucher aus dem Ausland gedacht ist?“ Sieht so aus, also verlässt Breuer den Ort des Grauens und begutachtet Radolfzell. Mangels Zeit leider nur den in der Tat völlig verlausten Bahnhof. So überrascht es nicht, wenn wir darüber folgendes lesen: „Wer wissen will, ob er es denn ggf. auch mal in Tokio aushielte, dem sei als Überbevölkerungstestgelände der Bahnsteig zwischen den Geleisen 4 und 5 empfohlen…“. Mal ganz unter uns, werter Thomas C. – das nächste Mal sollte Dich Dein Weg in die Radolfzeller Altstadt führen. Lohnt sich und wäre bei einer Zweitauflage eine freundliche Bemerkung wert. Danke vorab.
Auch Konstanz liegt bisweilen auf der Reiseroute des passionierten Bahnfahrers. Eine „Stadt für reiche Schlucker“, ansonsten aber „weitgehend ansehnlich“. Wer so wie Breuer „in den Schwäbischen Karpaten“ lebe, für den sei Konstanz eine Art „Kulturtankstelle“. Weniger begeistert ist der Autor vom hiesigen Bahnhof, der für eine bedeutende Grenzstadt „kümmerlich“ erscheint. Mit dieser Einschätzung ist er nicht alleine. Die Bahn will zwar den maroden Bahnhof neu gestalten, hat dafür aber nur ein Nasenwasser vorgesehen. Wenn die Konstanzer einen schöneren und vor allem barrierefreien Bahnhof möchten, dann sollen sie ihn bitteschön selber bezahlen. So einfach ist das. Dafür sollte man Verständnis haben, denn Stuttgart 21 wird wohl unter sechs bis acht Milliarden nicht zu haben sein. Mal schauen, ob der Stuttgarter Juchtenkäfer die Baukosten weiter in die Höhe treibt.
Thomas C.Breuer liefert mit seinem Buch gute, witzige und flott geschriebene Unterhaltung. Und wer über die Weihnachtstage mit der Bahn unterwegs ist, dem sei „Günschtig“ als Reiselektüre wärmstens anempfohlen.
Thomas C.Breuer – „Günschtig“, Zwischen Oechsle und Zäpfle – Kuriose Reisen durch Baden-Württemberg, Info Verlag, Lindemanns Bibliothek, 176 Seiten, Paperback, 12,80 Euro
Autor: H.Reile