Was darf Kultur in Konstanz kosten?

seemoz-KulturbüroMit dem 5. Internationalen Literaturfestival Konstanz unter dem verstörenden Titel „Aufs Äusserste, Europa“ ging am Sonntag ein kulturelles Highlight zuende. Aufstrebende Autoren aus ganz Europa waren in die Konzilstadt gekommen und präsentierten ihre neuen Romane, die allesamt europäische Aspekte in den Vordergrund stellten: Eine aktuell-politische und literarisch anspruchsvolle Spitzenleistung, die nur unter denkbar schwierigen Bedingungen zustande kam. Und deshalb auch ein Plädoyer für mehr Unterstützung der freien Kultur in dieser doch so kulturbewußten Stadt

Zu danken ist alles das dem Engagement der fünf Frauen aus dem Kulturbüro Konstanz, das in einem Hinterhof der Wessenbergstraße eine erstaunlich erfolgreiche Arbeit für die freie Kultur in dieser Stadt leistet. Unter der Leitung von Sarah Müssig und Angelika Braumann hat sich eine Schaltzentrale für die freie Kultur in Konstanz entwickelt, die ihre Erfolge im Stillen feiert.

Denn nicht nur das letzte Literaturfestival, auch der nächste „Krimiwinter“ (s.Foto), auch Ausstellungen und Kunstpreise, Kulturfeste und nicht zuletzt der Betrieb des Kulturzentrums fallen  in die Verantwortung des Kulturbüros. Fünf Frauen, verteilt auf 3,5 Stellen, teilen sich diesen kreativen Job, alle nur befristet beschäftigt und ständig von finanzieller Austrocknung bedroht. Und dieses Damoklesschwert schwebt nicht nur über den Arbeitsplätzen, sondern auch über den vielen, spannenden Kulturprojekten.

„Denn“, sagt die Kulturbüro-Leiterin Sarah Müssig, „wir wissen nicht, ob wir solche Reihen wie das überaus erfolgreiche Literaturfestival weiterführen können – dazu reichen unsere personellen Ressourcen einfach nicht“. Mindestens zwei Stellen müssten zusätzlich geschaffen werden, um „der freien Kulturszene weiterhin eine wirkungsvolle Plattform bieten zu können.“ Und, darf man anfügen, um diese überaus erfolgreiche Kulturarbeit fortzusetzen.

Wenn am 2. Oktober der Kulturausschuss des Konstanzer Gemeinderates zu seiner nächsten Sitzung zusammentritt, steht – im Vorfeld der anstehenden Haushalts-Beratungen – auch das Kulturbüro auf der Tagesordnung. Da wird es auch darum gehen, das Aufgabenspektrum und die Rahmenbedingungen des Kulturbüros konzeptionell-politisch zu klären. Und es wird zu klären sein, ob der Bürgermeister und die GemeinderätInnen ihren hehren Worten die nötigen Taten folgen lassen werden: „Das Kulturbüro hat sich hohe Anerkennung und Akzeptanz erarbeitet“ (Bürgermeister Osner), „der Knackpunkt sind die fehlenden zwei Stellen“ (Stadtrat Müller-Fehrenbach, CDU), „das Kulturbüro als festes Standbein zu erhalten, ist wichtig“ (Stadträtin Kusche, FGL), „die Stadt Konstanz hat es verdient, dass strategisch über Kultur nachgedacht wird“ (Stadtrat Venedey, FWK).

Zurück zum gerade zuende gegangenem Literaturfestival, „das unsere Erwartungen bei weitem übertroffen hat“ (Sarah Müssig):

Eine gekonnt-schwungvolle Mely Kijak

Stellvertretend für fünf ausverkaufte, erfolgreiche Dichterlesungen ein Bericht von der Samstagslesung im Konstanzer K9: Eine wortgewaltige Katja Kettu aus Finnland las aus ihrem Roman „Wildauge“, der die Liebesgeschichte zwischen einer finnischen Hebamme und einem deutschen SS-Offizier in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges erzählt, und Mely Kijak zitierte ihre Geschichte „Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an“ vom langsamen Krebstod ihres Vaters.

Während  Kijaks Monolog sehr emotional daherkam, haperte es bei der Lesung der finnischen Autorin an der Übersetzung: War die deutsche Fassung zu sperrig (die 2. Person Singular des Präteritums – du arbeitest, du redetest – wirkt im Deutschen anders wohl als im Finnischen nur  gestelzt, war aber der Konstruktion des Romans aus aneinander gereihten Tagesbuchaufzeichnungen geschuldet) oder war die Lesung der Übersetzung zu holprig? Solche sprachlichen Unzulänglichkeiten gab es bei Mely Kijak nicht. Die Kolumnistin und Journalistin mit kurdischen Eltern las gekonnt-schwungvoll und zog die Zuhörer im ausverkauften K9 unweigerlich in ihren Bann. Was wohl auch daran lag, dass fast alle Besucher persönliche Erfahrungen mit dem Thema – die Geißel ‚Krebs‘ und die Versäumnisse unseres Gesundheitssystems – haben. Auf jedem Fall gab es nach Ende der Lesung angeregte Diskussionen im Schankraum und auf der Straße, auch wenn die angekündigte „Festivalparty“ eher hinter den Diskoklängen der allwöchentlichen K9-Kuppel-Party verschwand.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: hpk

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04.09.2014: Europe and a nervous breakdown