Was reizt Literaten am Bodensee?

seemoz-bosch-bodensee-2Was haben Felix Mendelssohn Bartholdy und Werner Finck, Klaus Mann und James F. Cooper, Martin Walser und Ernest Hemingway gemeinsam? Sie waren da, am See, und haben darüber geschrieben. Für „‘Denk ich an den Bodensee …’ – Eine literarische Anthologie“, hat der Konstanzer Literaturhistoriker Manfred Bosch mehr als 50 Texte zusammen getragen.

Reiseberichte, Notizen, Gedichte, Briefe, Reportagen bekannter und weniger bekannter Autoren zeugen von der Reise- und Schreiblust zum Sehnsuchtsort „Bodensee“. Es geht um die vielfältigen „Blicke“ auf den See, die ganz unterschiedlich ausfallen, immer individuell sind, dabei der Natur und den Bewohnern aller drei Anrainerstaaten gelten. Auf den Spuren politischer Ideen der Französischen Revolution, als wahrhaft europäisches Reiseziel lockte der See zuweilen, als Quell für Inspiration und Erholung regt er bis heute so manchen Text an.

Ganz nebenbei erfährt der Leser Hintergründiges: Welcher Vision folgt Rilke im nächtlichen Konstanz, was verärgerte hingegen René Schickele an dieser Stadt? Warum flüchtete Hermann Bahr entgegen ärztlicher Anordnung vom See und was macht Werner Finck mit zwei Stahlhelmen im Gepäck auf Autofahrt um den See?

Die sehr bibliophil gestaltete Anthologie zeigt in Texten unterschiedlichster Gattungen, oft aus entlegenen Quellen stammend, was Autoren am Bodensee faszinierend und bemerkenswert fanden und finden. Häufig schwärmen sie, dann berichten sie wiederum desillusioniert von anderem – denn auch Nebeltage gibt es am Bodensee. So vielseitig und wandelbar, wie die Landschaft selbst, gestalten sich die unterschiedlichen Texte, denen vom Herausgeber jeweils eine kurze Einführung zum Autor und zum Entstehungszusammenhang vorangestellt ist.

Dabei ist besonders die Wahrnehmung der Region interessant: Wie unterscheiden sich die Blicke Reisender von denen Einheimischer? Ist ein gewisser Realismus oder gar eine kritische Innensicht eine Tugend ansässiger Autoren, und neigt der fremde Blick eher zur Verklärung? Was von den älteren Texten ist heute noch nachvollziehbar? Wie hat sich der Blick auf die Gegend verändert?

In diesen Fragen spiegelt sich die sehr eigene Sicht der Verfasser auf den See. Die im 18. Jahrhundert beginnende und bis in die Gegenwart reichende Textsammlung zeigt – der Bodensee war wohl zu allen Zeiten eine Reise wert. Ein Lesebuch für alle, die den See lieben und sich gern auf eine literarische Zeitreise einlassen.

PM/hpk