Wenn der rote Großvater erzählt

„80 Jahre deutsche Geschichte – von unten erlebt und aufgeschrieben von Fritz Besnecker, Antifaschist und Kommunist in Baden-Württemberg“ (so der Untertitel seiner Autobiografie „Das widerständige Leben des Fritz B.“). Über sein langes, widerständiges Leben berichtet der rote Großvater leider nur noch in seinem Buch – zwei Tage vor Erscheinen seiner Autobiografie starb Fritz Besnecker in Singen. In seinem lesenswerten Buch aber lebt er weiter.

Und er schreibt, wie er erzählte: Ungekünstelt, aber immer lebendig, kenntnisreich und nie langweilig, anklagend, aber nie beleidigt und schon gar nicht beleidigend. In jedem Fall aber parteiisch. Große Literatur darf nicht erwarten, wer sich in dieses 234-Seiten-Buch vergräbt, stattdessen finden die Leser unzählige Geschichten zur Geschichte des Antifaschismus in und um Singen der letzten 80 Jahre.

Und da hat Fritz Besnecker wahrlich viel zu erzählen. Von den letzten Kriegstagen in Singen, die er als Bub erlebte, vom Aufbau und Überlebenskampf der KPD und ihrer Jugendorganisation FDJ im Ländle, vom Studium des Handwerkers aus Singen in Moskau, vom Kampf gegen die Berufsverbote und gegen die Raketenstationierung, über die Organisation der ersten Ostermärsche, über den bis zu seinem Ende dauernden Widerstand gegen Alt- und Neu-Nazis, über seine Arbeit in der Geschichtswerkstatt in Singen und der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschisten) auf Landes- und Bundesebene, schließlich über die Organisation der Partei Die Linke.

Das war immer ein Leben voller Kampf und gegen Widerstände. Zweimal saß er monatelang im Gefängnis, ohne Anklage und – nach seiner Freilassung – auch ohne Entschädigung. Selbst zu einer Entschuldigung mochten sich die Singener Juristen nicht durchringen. Gleichwohl folgte er stur-konsequent zeitlebens seinem Lebensmotto, dem Tucholsky-Wort: „Nichts erfordert mehr Charakter als im offenen Gegensatz zu seiner Zeit laut zu sagen: Nein“.

Und dennoch beschreibt Fritz B. nicht nur politische Auseinandersetzungen in und um die Linke. Lustiges Lokalkolorit ist in seinem Buch zu finden, wenn er beispielsweise seine Campingtouren beschreibt, über Segelausflüge auf dem Bodensee oder Jugendstreiche in der Schweizer Bahn berichtet. Manche Passagen muten geradezu heimattümelnd an, so dass auch weniger politisch Interessierte reichlich Lesestoff in diesem Buch finden.

Schon im Mai gab es in Singen eine nicht nur von Weggefährten gut besuchte Lesung aus diesem „Geschichts“buch, veranstaltet von VVN-BdA und der Singener Geschichtswerkstatt, in der die Besneckers viele Jahre mitarbeiteten. Es war die Ersatzveranstaltung für eine schon zu Fritzens Lebzeiten vorgesehene, dann aber seines Todes wegen verschobene Veranstaltung, die nicht nur Lesung, sondern auch mündliches Interview mit dem Zeitzeugen Fritz Besnecker sein sollte – getreu dem Stil auch seines Buches, in dem viel eher erzählt als aufgeschrieben wird. Da hätte der rote Großvater dann wirklich erzählt…

In die Rolle ihres Mannes schlüpft auf einer neuerlichen Leseveranstaltung nun Roswitha, die über 50 Jahre mit Fritz Besnecker verheiratet und dessen auch politische Kameradin war: Sie wird auf einer Lesung am 4. Oktober in der Konstanzer Volkshochschule die Rolle der Interviewten übernehmen und zwischen den Lesepassagen viel Wissenswertes aus dem Leben dieser zwei bewundernswerten Antifaschisten erzählen (seemoz wird rechtzeitig an den Termin erinnern).

Autor: hpk

 

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