Wenn Mutter und Sohn ins Theater gehen

Das Konstanzer Theater zeigt ein Stück für Kinder, das sich mit den Fragen nach dem Glauben beschäftigt. Zentral sind dabei der Tod und der Umgang mit der Trauer. Aber auch Albträume, Eifersucht und das schlechte Gewissen werden in „Der Hahn ist tot!“ besprochen. Ein tolles Stück für die ganze Familie mit Kindern ab sieben Jahren. Veronika Fischer hat sich mit ihrem Sohn Konrad das Stück angesehen.

Esel, Hund und Katze verbringen ihre Tage gemütlich mit Nichtstun. Alles scheint friedlich und schön, die Vögel singen, Mücken schwirren in der Luft, die Zeit verfliegt – bis die Katze (Vanessa Radman) plötzlich anfängt, bitterlich zu weinen. Was nun? Etwas unbeholfen sehen Hund (Lea Beie) und Esel (Jonas Pätzold) sich an. Die Katze ist traurig. Der Hahn ist tot. So richtig weiter weiß keiner. Wie geht man um mit diesem Gefühl? Autorin Reihaneh Youzbashi Dizaji hat zusammen mit der Theaterpädagogin Stéphanie Dreher Grundschulkinder zu ihrer Weltanschauung befragt und aus diesen Gedanken ihr Stück konzipiert.

Während sich Esel und Hund ablenken und so tun, als ob nichts sei – noch ein Tässchen Tee und etwas Gebäck dazu? – wird die Katze aktiv. Kurzerhand stopft sie den toten Kameraden aus und bringt ihn wieder mit in die gewohnte Runde. Während ich mich frage, ob diese Art der Trauerbewältigung nicht ein wenig makaber ist, findet Konrad den Move vollkommen normal. Aber etwas anderes war von meinem Sohn nicht zu erwarten, immerhin hat er sich beim letzten Flohmarkt, als er sein Taschengeld selbstständig einsetzen durfte (Anfängerfehler, ich weiß), einen ausgestopften Fuchs gegönnt (sowas gibt es tatsächlich für schlappe 18,50). Ob er es auch okay fände, einen Menschen auszustopfen, frage ich ihn auf dem Heimweg. „Natürlich, aber halt nur Bürgermeister oder so. Die kann man dann ins Rathaus stellen.“ Alles klar!

Hahn goes Haneke

Mit dem ausgestopften Hahn entfacht sich ein Familiendrama alla Haneke. In diesem Fall passt die Analogie nicht nur namentlich zu dem österreichischen Filmemacher, bekannt für seine depressiven Familiendramen wie „Liebe“ oder „Happy End“. Auch hier im Stück werden verschiedene Beziehungsebenen um den toten Freund im Dialog deutlich. Während sich Esel die größten Vorwürfe macht, ist auch der Hund nicht frei von Schuld – so denkt er zumindest selbst. Immerhin war er fürchterlich eifersüchtig auf Hahns Freundschaft zur Katze. Diese trauert um das Objekt ihrer Liebe und greift zur Bewältigung zu transzendenten Mitteln wie schamanischen Tänzen oder dem gemeinsamen Lachen, das kurz darauf in traurigem Schweigen versiegt – einer der stärksten Momente im Stück.

Spielbrett und Origamihüte

Dass die Thematik spielerisch aufgegriffen wird, ist schon auf den ersten Blick zu erkennen. Bühenbild und Kostüme (Franziska Jacobsen) lassen unweigerlich an Spiel, Spaß und gute Laune denken. Die drei Figuren springen auf einem kreiselförmigen Spielbrett herum und tragen dabei Hüte, die wie aus Papier gefaltet aussehen. Ansonsten ist alles schlicht und lässt somit den Schauspielern die Freiheit, den Tieren ihre Charakteristika durch die Spielweise zuzuschreiben. Und das tun sie ganz hervorragend. Die Katze räkelt sich, sie kratzt und schmeichelt – in Wort und Tat, ebenso wie der Hund ein wenig tollpatschig und treudoof dem keinesfalls dummen, sondern allerhöchstens langsamen Esel hinterher trottet. Ihn mag Konrad am liebsten, weil er so lieb wirkt. Man möchte ihn auch zum Trost über sein Fell streichen, wenn er von seinem persönlichen Albtraum erzählt.

Hier wird der Einfluss der Grundschulkinder besonders schön deutlich. Die Tiere erzählen sich von ihren nächtlichen Träumen, von Gewehren und Abgründen, vom Verlassensein und Nichtfliegenkönnen. Ein schöner Gesprächseinstieg nach der Inszenierung. Überhaupt öffnet das Stück viele Türen für den Austausch, auf eine ganz leichte Art, ohne Schwermut oder Ängste.

Und was hat Konrad am besten gefallen? Eigentlich alles: „Die Bühne, die Tiere und wenn der Hahn noch dabei gewesen wäre, wäre es bestimmt zum Totlachen gewesen.“

Veronika Fischer (Foto: Theater Konstanz/Björn Jansen)

Nächster Termin: Sonntag 22.4., 15 Uhr in der Werkstatt