Wenn Wanzen unter die Haut gehen
Geht Ihnen die Manipulation durch Presse und Politik auch auf die Nerven? Haben Sie die Geheimnistuerei satt? Oder mögen Sie lieber Verschwörungstheorien? Dann sind Sie morgen Abend auf der Werkstatt-Bühne des Konstanzer Stadttheaters gerade richtig. Denn die Premiere des Tracy-Letts-Stücks „Verwanzt“ berührt alle diese Fragen: Hoch aktuell in Zeiten von Edward Snowden und Vorratsdatenspeicherung.
Dass Wanzen buchstäblich unter die Haut gehen können, erklärt die Hauptperson Peter, ein Armee-Deserteur, der sich manipuliert fühlt. Und tatsächlich ist der Originaltitel „Bug“ mehrdeutig – das meint im Amerikanischen zugleich ‚Wanze‘, aber auch ‚Programmfehler‘ oder ‚Minispion‘.
Und genau darum geht es in dem Verwirrspiel des prominenten US-Dramatikers Tracy Letts: In einem schäbigen Motel der tristen amerikanischen Provinz treffen die abgehalfterte Kellnerin Agnes, ihre ebenso kaputte Freundin, ihr gerade aus der Haft entlassener Ex-Mann Goss, der Deserteur Peter und ein geheimnisvoller Arzt aufeinander. Die Party, eigentlich nur für Alk und Drogen gedacht, artet alsbald zum Psychothriller aus, von dem weder Schauspieler noch Zuschauer wissen, ob es sich um eine manipulative Inszenierung, einen Drogentrip oder um eine apokalyptische Paranoia handelt.
Und gerade das reizte Anja Panse (s. Foto) an dem Drama. „Das ist ein Stück für Leute, die sich mit einfachen Lösungen nicht zufrieden geben“, meint die Regisseurin, die viele Jahre fest am Konstanzer Stadttheater engagiert war und sich nach ihrem Umzug auf Gast-Inszenierungen konzentriert. „Wir zahlen für unser Handy, obwohl wir wissen, dass man uns damit überwachen kann“. Und Dramaturg Andreas Bauer ergänzt: „Wir erahnen die Manipulationen, aber wir erkennen sie nicht“. Oder wissen Sie, wer in Syrien warum gegen wen Krieg führt? Oder in der Ukraine? Und was es mit der Vorratsdatenspeicherung wirklich auf sich hat?
Oder auf „Verwanzt“ bezogen: Kämpft hier ein aufrechtes Individuum gegen die Schweinereien eines manipulativen Systems? Oder ist alles nur Einbildung und Wahn in Zeiten des Terrors? Was ist Wahrheit, was Verschwörungstheorie? Wem können wir trauen, was verstehen wir wirklich?
Nach der Premiere am Samstag sind mindestens 11 weitere Vorstellungen geplant. Und folgerichtig haben die Theaterleute Fachleute zur Diskussion geladen. Am 8.5. ist Thomas Grüter zu Gast. Der Arzt aus Münster ist Fachmann für Verschwörungsgeschichten und kann viel über erfundene Täter und verschwiegene Verbrechen erzählen. Am folgenden Tag, 9. Mai, berichtet dann der Psychiater Prof. Hoffmann aus der Reichenau über wirkliche Phantasten und ihre Hirngespinste. Die Diskussionen finden jeweils im Anschluss an die sicher beeindruckenden Vorstellungen statt.
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