„Wir sind das Kapital“
Mit Begeisterung und Gewinn habe ich das Buch meines alten Freundes Günter Faltin „Wir sind das Kapital“ gelesen. Ich kenne ihn als Hochschulplaner bei der Gründung der Universität Konstanz, Mitgründer der seinerzeit „berühmten“ Gaissberg-WG in Kreuzlingen, und als Gründer der „Teekampagne“ (die mich auch heute noch mit feinstem, unschlagbar günstigen Darjeeling beliefert) und als kreativen Kopf.
„Die Ökonomie ist als Dienerin des Menschen angetreten und hat sich zu seiner Peitsche entwickelt.“ (S. 14). Günter Faltin zeigt in seinem Buch praktikable Auswege aus diesem Dilemma auf, ideologiefrei und ohne moralische Zeigefinger. Dabei schöpft er aus seinem Erfahrungsschatz als Hochschullehrer, erfolgreicher Unternehmer (er bevorzugt die Bezeichnung „Entrepreneur“), Unternehmensgründer und -berater für Projekte in den unterschiedlichsten Kulturen. Eine Besprechung des Vorgängerbuchs „Kopf schlägt Kapital“ titelte: „Für die Mozarts der Wirtschaft“.
Wer nun von einem Hochschul-Ökonomen ein formelgespicktes, theorielastiges und schwer verdauliches Werk erwartet, sieht sich getäuscht: Faltin schreibt anschaulich, sprachlich feinfühlig, lesbar und praxisbezogen. Obwohl hier und da durchaus merkbar, dass er mit den „klassischen“ Ökonomietheorien durchaus vertraut ist, bevorzugt er den erzählerischen Ton, anschauliche Bilder und Belege aus seiner reichhaltigen Erfahrung gegenüber langatmigen theoretischen Begründungen.
Henry Ford mochte Werbung nicht
Wussten Sie zum Beispiel, dass Henry Ford Werbung ebenso strikt verabscheute wie Profitmaximierung als Unternehmensziel? Oder: Klebt man auf Weinflaschen mit dem gleichen Inhalt unterschiedliche Preisetiketten, beurteilen Versuchspersonen den „teuersten“ Wein als den besten. Biertrinker werden sagen: “Das haben wir schon immer gewusst …“ Überraschend ist eher: Ein Gehirnscan während des Trinkens zeigte, dass der „teuerste“ Wein den Versuchspersonen tatsächlich besser schmeckte. An solchen und ähnlichen Beispielen zeigt Faltin die Manipulierbarkeit des Menschen auf, ohne dabei in das bei Linken verbreitete Jammern über die Schlechtigkeit der Welt zu verfallen.
Faltin möchte das selbstständige und genussvolle Denken und Arbeiten („Entrepreneurship“) als „Volkssport“ befördern. Dies betreibt er mit ansteckender Begeisterung: nicht zufällig sind in seinem Umkreis eine ganze Reihe innovativer, anregender und erfolgreicher Unternehmen entstanden. Wem „Wir sind das Kapital“ zu wenig Zahlen und Formeln enthält, sei an den noch immer gültigen Lehrsatz von Bertolt Brecht erinnert: „Der Geschmack des Puddings erweist sich beim Essen.“ Faltins Pudding schmeckt und macht Lust darauf, selbst unternehmerisch tätig zu werden. Und so ganz nebenbei begründet er dabei eine unternehmerische Ethik, die sich nicht an „man sollte, man müsste …“ orientiert, sondern praktisch begründet ist.
Kein Buch für Rechthaber
„Wir sind das Kapital“ ist mehr als ein Buch über Ökonomie und Unternehmensgründungen: so ganz nebenbei kann man es auch lesen als Gedankenanregung dafür, wie wir leben wollen. Wem das Ganze vielleicht etwas zu weltverbesserisch und missionarisch klingt (Klappentext), dem kann ich aus eigener Erfahrung versichern: missionieren ist ganz und gar nicht Faltins Sache.
Eine Warnung sei noch ausgesprochen: „Wir sind das Kapital“ ist ein im besten Sinne „originelles“ Werk. Rechthaber und Schubladendenker werden Schwierigkeiten bei der Lektüre haben: Man muss schon eigenständig denken und die Sätze auf Zustimmungsfähigkeit überprüfen. Ich meine jedenfalls, dieses Buch hat das Zeug dazu, in ein paar Jahren zu einem Klassiker zu werden. Meine Empfehlung: LESEN! Sie werden ganz persönlich Gewinn daraus ziehen…
Maik Schluroff[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]