Wut

Unter dem Schock der Anschläge auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt in Paris, bei dem vor zwei Jahren 16 Menschen ermordet wurden, schrieb sich Elfriede Jelinek in Rage. Herausgekommen ist „eine rasende Text­fläche namens Wut“, die der Dramaturg Daniel Grünauer und die Regisseurin Claudia Meyer nächsten Samstag auf die Bühne der Konstanzer Theater-Werkstatt bringen werden.

Wut, Zorn, Rage werden in Zeiten terroristischer Anschläge immer wieder als Motiv genannt; aber nicht nur dort – der Pegida-Anhänger empfindet Wut auf „die da oben“, Al Quaida-Kämpfer sind wütend auf „die westliche Welt“, Palästinenser auf Israelis und AfD-Wähler „auf das System“. Und die Literaturnobelpreisträgerin Jelinek ist wütend auf alle die, die aus Wut schlimme Verbrechen begehen, auf „Gott und die Welt“.

Und sie hat sich diese Wut von der Seele geschrieben – auf 120 Seiten, die vorzutragen vier Stunden dauert. Für die Konstanzer Premiere am 3. Februar (20 Uhr, Theater-Werkstatt) haben der Dramaturg Daniel Grünauer und die Regisseurin Claudia Meyer (Foto) das Stück auf 80 Minuten und 40 Seiten eingedampft.

Vier SchauspielerInnen (Katrin Huke, Jana Alexia Rödiger, Ralf Beckord und Sebastian Haase) sitzen dann in einem „Denkraum“ und reden sich in Rage: Stammtisch-Parolen und Goethe-Zitate, Philosophisches und Politisches werfen sie sich gegenseitig an den Kopf, liefern keine Erklärung oder gar Aufklärung über Terrorismus oder Massenmord, sondern artikulieren nur ihre Wut – „eine Denkvorlage“ wollen die Theaterleute bieten. Claudia Meyer, die Jelink-Dramen bereits in Weimar und Bern inszeniert hat, verzichtet auf aufwändige Kostüme und komplizierte Handlung: Sie lässt vier ganz unterschiedliche Schauspieler als wütende junge Männer und wütende Alte und die Autorin selbst als wütende Zuschauerin zu Wort kommen.

In einem Pressegespräch rechtzeitig vor der Premiere bekennen sich Regisseurin und Dramaturg zu diesem Experiment der „rasenden Textfläche“, machen aber auch neugierig auf gänzlich ungewohntes Theater. Die Abiturienten aus Gaienhofen jedenfalls, die der Generalprobe lauschten, waren begeistert.

hpk