Zeitgenössische Kunst in der Shedhalle?
Dafür macht sich die Initiative für zeitgenössische Kunst (IZK) seit geraumer Zeit stark. Doch taugt die unter Denkmalschutz stehende Halle auf dem alten Siemens-Gelände überhaupt dafür? Dazu haben wir Tobias Engelsing, den Leiter der städtischen Museen, befragt.
Eine Initiative um den Grünen-Stadtrat Peter Müller-Neff behauptet: Konstanz hat ein Defizit in der Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Stimmt das, und wenn ja, warum ist das so?
Was die privaten Galerien anlangt, nein. Die Galerien Geiger, Grashey, das Neuwerk, Lachenmann und andere Akteure zeigen ein eindrucksvolles Spektrum zeitgenössischer Kunst. Was die öffentlichen Anbieter anlangt: Ja. Wir haben als Stadt weder die Räume noch die personelle und finanzielle Ausstattung, hochrangige zeitgenössische Kunst zu zeigen. In den 1920er-Jahren unternahmen meist zugezogene fortschrittliche Kräfte hier engagierte Versuche, zeitgenössische Kunst und Literatur bekannter zu machen – sehr schön nachzulesen in Manfred Boschs „Bohème am Bodensee“ und in zahlreichen Ausstellungskatalogen der Wessenberg-Galerie. Meine Kollegin Barbara Stark erinnert mit ihren eindrucksvollen Ausstellungen und Katalogen immer wieder an diese Aufbrüche am Bodensee – auch wenn ein Mitglied der neuen Initiative als Südkurier-Redakteur (Anm.d.Red.: Siegmund Kopitzki) diese Leistungen jahrelang kleinzuschreiben versucht hat.
Nach 1945 war es der Kunstverein, der die konservativen Konstanzer mit Zeitgenössischem konfrontiert hat, die städtische Ausstellungspolitik aber blieb, trotz Uni-Gründung – passend zum beschaulichen politischen Klima in der „Konzilsstadt“ – lange der Kunstgeschichte verhaftet. Eine Rolle spielte sicher auch, dass sich, anders als in St. Gallen oder in Friedrichshafen, im industriearmen Konstanz nie ein breiteres, zeitgenössisch orientiertes Mäzenatentum ausgebildet hat, das mit eigenen Sammlungen und Schenkungen auch öffentlich aufgetreten wäre.
Was halten Sie von der Forderung der Initiative, eine alte Fabrikhalle im Siemens-Areal zur Halle für zeitgenössische Kunst umzubauen und einzurichten?
Das ist eine ebenso zauberhafte wie leider unrealistische Idee. Der Kauf und Umbau einer in die Jahre gekommenen, denkmalgeschützten Fabrikhalle zu einer Kunsthalle für hochwertige zeitgenössische Kunst mit allen Anforderungen an Raumklima, Lichteinfall, Sicherheit, Beleuchtung, Depot- und Arbeitsflächen wäre für eine strukturell unterfinanzierte Stadt wie Konstanz schon eine sehr ehrgeizige Angelegenheit – vor allem angesichts der Tatsache, dass das Bodensee-Forum noch erhebliche Kosten verursacht.
Rechnet man dann aber noch die jährlichen Betriebskosten für professionelles Personal, Aufsichtsteams, Sicherheitseinrichtungen, Sammlungsaufbau, Ausstellungs- und Werbe-Etat hinzu, wird klar, wie weit dieser Vorschlag von der lokalen Haushaltsrealität entfernt ist. Ein Beispiel aus der banalen Realität: Die Museen wollen seit Jahren den derzeit größten Ausstellungssaal der Stadt, den Richentalsaal, professionell beleuchten. Die dafür nötigen rund 40 000 Euro waren aber finanzpolitisch nicht durchsetzbar.
Wie schätzen Sie denn die öffentliche Wirkung der genannten Kunsthaus-Initiative ein?
Wir städtischen Kulturmacher freuen uns natürlich, wenn daran erinnert wird, dass Ausstellungsraum unter anderem auch für die zeitgenössische Kunst fehlt, das schafft vielleicht Bewusstsein für notwendige Entwicklungen der Stadt. Noch mehr würden wir uns freuen, wenn die Initiative nicht nur über die Medien klagen, sondern ihre frühere Ankündigung realisieren würde, Geld zu sammeln und eine Bürgerstiftung zu gründen. Eine solche, von vielen Bürgern getragene Kunst-Stiftung könnte sehr positiv auf den politischen Entscheidungsprozess einwirken.
Haben Sie denn bessere Ideen statt der alten Industriehalle, wie die zeitgenössische Kunst hier angemessener berücksichtigt werden könnte?
Ohne eine gewisse Investition in die Zukunft der überregional ausstrahlenden Kulturstadt Konstanz wird es nicht gehen, das ist klar. Stadtspitze, Kulturamt, Kunstverein, Wessenberg-Galerie und Rosgartenmuseum sind der Überzeugung, dass nur eine Kombi-Lösung Erfolg haben könnte – weil sie mutmaßlich noch finanzierbar wäre: Wir versuchen, zusätzliche Ausstellungsflächen zu gewinnen, die von den genannten Institutionen gemeinsam genutzt werden könnten – so wie der hübsche, aber zu kleine und nur begrenzt professionell nutzbare Richentalsaal. Aktuell prüft eine städtische Arbeitsgruppe im Auftrag des Oberbürgermeisters Burchardt mehrere innerstädtische Optionen zur Raumerweiterung innerhalb bestehender Strukturen – auch für die zeitgenössische Kunst. Weil in solchen Überlegungen aber auch private Flächen eine Rolle spielen könnten, kann man noch nicht konkreter werden.
Wenn in dieser Zeit der vorsichtigen Erkundungen immer neue, phantastischere Ideen in die Öffentlichkeit geworfen werden – erst die Sparkasse, dann die Siemens-Halle – erhöht das die Chancen für andere Überlegungen nicht gerade. Meine Bitte an alle Kunstfreunde: Lasst die Verwaltung mögliche Optionen baulich, rechtlich und eigentumsbezogen prüfen und ordentlich durchrechnen. Sollten diese Optionen realitätstauglich sein, legen wir sie dem Gemeinderat zur Beratung vor – Konstanz wartet schon so lange auf die moderne Kunst, da dürfte ein weiteres Weilchen noch auszuhalten sein.
Das Gespräch mit Tobias Engelsing führte Holger Reile
@ T. Engelsing
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste! Masse an Ideen heißt nicht unbedingt Klasse. Aber „brain storming“ ist nützlich, und wenn möglichst viele KonstanzerInnen Ideen sammeln, ist das Bürgerbeteiligung.
Das BoFo könnte zum Museum umgebaut werden: gute Lage, schöner Platz, ideale Anbindung an die Stadt ….
und wenn schon eine Spardose, dann wenigstens eine nützliche!