Zugehört!

seemoz-Varese2Dieser diabolisch dreinblickende Herr ist Edgar Varèse. Nie von ihm gehört? Sollten Sie aber, denn er war ein umwerfender Komponist und nicht umsonst ein Abgott des jungen Frank Zappa. Das Philharmonische Kammerorchester für Neue Musik spielt am Sonntag in Konstanz sein Stück „Density 21.5“ sowie Werke aktueller französischer Komponisten wie des jüngst verstorbenen Großmeisters Pierre Boulez. Am Abend zuvor gibt es dazu eine empfehlenswerte Klang-Werkstatt – mit einem leibhaftigen Komponisten.

Französische Musik aus der Zeit nach Ravel und Debussy hatte es in Deutschland – abgesehen von Boulez – nie leicht. Ein Grund dafür sind die unterschiedlichen Traditionslinien im 20. Jahrhundert. In Deutschland und Österreich revolutionierten ab etwa 1909 Arnold Schönberg und Co. mit der freien Tonalität („Atonalität“) und dann der Zwölftönmusik die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten. Man stelle sich das etwa so vor wie die musikalische Entsprechung zur expressionistischen und abstrakten Malerei.

In Frankreich: Ironie statt letzte Dinge?

In Frankreich hingegen gingen die frühen Neuerer weniger fundamental zur Sache: Wie Erik Satie und Les Six ironisierten sie ihre Werke durch Titel wie „Der Ochse auf dem Dach“, nahmen Anregungen aus dem Jazz auf und setzten oft auf Leichtigkeit, kleinere Formen und hohen Unterhaltungswert – das war eher Toulouse-Lautrec oder Paul Signac als Macke oder Kandinsky.

Man merkt schon, hier entstand ein Klischee, das bis heute nachwirkt: Diesseits des Rheines herrschte in der Neuen Musik oft faustisches Brüten und Wüten über die letzten Dinge, während die neutönerischen Franzosen elegant, witzig und oberflächlich waren und sind – aus deutscher Sicht nicht ganz ernst zu nehmende musikalische Leichtfüße eben. Das Ergebnis überrascht kaum: Das normale Publikum in Frankreich hasste seine Neutöner nicht einmal richtig, während schon früh Teile des Publikums und der Kritik in Deutschland von „entarteter“ Musik sprachen.

Das alles war einmal. Zeitgenössische Musik heutzutage ist international. Oder etwa doch nicht? Ist etwa die Spektralmusik der letzten Jahrzehnte typisch französisch?

Was hat das mit Zappa zu tun?

Varèse ist in Paris aufgewachsen, zählt aber zu den amerikanischen Klassikern, weil er seit dem 1. Weltkrieg meist in den USA lebte. Sein „Density 21.5“ ist eines der berühmtesten Flötenstücke überhaupt, es wurde 1936 geschrieben. Während Querflöten normalerweise aus Holz oder Gold- bzw. Silberlegierungen gefertigt werden, wurde „Density 21.5“ für eine Platinflöte komponiert, und Platin hat ein Dichte von 21,5 Gramm pro Kubikzentimeter, daher der Titel.

Schon der ganz junge Zappa war von Varèses Musik so fasziniert, dass er sich etwas ziemlich Abgefahrenes zum Geburtstag wünschte: Seine Eltern sollten ihm erlauben, Varèse unbekannterweise in New York anzurufen. Und so kam es zu einem historischen Telefongespräch zwischen dem etwa 15-jährigen Zappa und dem über 70-jährigen Varèse, der seinem jungen Bewunderer erzählte, er arbeite gerade an einem Stück namens „Déserts“ (das Epoche machen sollte). Doch das ist eine ganz andere Geschichte …

Und wie klingt das nun?

Am Sonntag, 28.02., um 19 Uhr spielen 15 MusikerInnen, Mitglieder der Südwestdeutschen Philharmonie, unter der Leitung von Franz Lang ein Programm „Récréations Françaises“ mit Werken von Gérard Pesson, Betsy Jolas, Henri Dutilleux, Edgar Varèse und Pierre Boulez. Das ist eine gute Gelegenheit, sein Urteil in Sachen aktueller französischer Musik zu schärfen.

Wer diese hörenswerte Musik näher kennenlernen will, hat übrigens bereits am Vorabend die Chance dazu: Am Samstag, 27.02., findet um 19 Uhr eine Klang-Werkstatt mit dem Komponisten Johannes Schöllhorn statt, moderiert durch Intendant Beat Fehlmann.

Konzert: Sonntag, 28.02.2016, um 19 Uhr im Inselhotel, Auf der Insel 2, Konstanz. Karten 18 Euro, ermäßigt 14 Euro.

Klang-Werkstatt: Samstag, 27.02.2016, um 19 Uhr im Studio der Philharmonie am Fischmarkt 2, Konstanz. Der Eintritt ist frei.

Karten für das Konzert sind beim Stadttheater Konstanz (07531 900-150), bei der Südwestdeutschen Philharmonie (9.00 Uhr bis 12.30 Uhr) und bei der Tourist-Information am Hauptbahnhof sowie in allen Ortsteilverwaltungen erhältlich. Tickets können auch im Internet gekauft und ausgedruckt werden: www.philharmonie-konstanz.de

Harald Borges, Quelle: PR

Texte Zappas:
http://rchrd.com/mfom/zappa-varese.html
http://wiki.killuglyradio.com/wiki/Frank_Zappa_on_Edgar_Var%C3%A8se