Zugehört!

Peter Eoetvoes, Dirigent / 11.09.2006 / Koelner PhilharmonieDie diesjährigen Donaueschinger Musiktage finden vom 14.–16. Oktober statt. Höchste Zeit also, sich um die begehrten Karten zu bemühen. Aus dem Programm der inter­national bedeutenden Leistungsshow für Neue Musik in diesem Jahr: Zwölf Konzerte mit insgesamt 18 Uraufführungen, dazu Klang­installationen, Performance-Projekte und zahlreiche Sonderveranstaltungen, dargeboten von Spitzenensembles wie dem Arditti String Quartet, dem ensemble recherche und dem Symphonieorchester des SWR.

Seit 95 Jahren gibt es die Donaueschinger Musiktage, also beinahe so lange wie die „Neue“ Musik selbst, wenn man deren Beginn einmal um 1909 herum mit Schönbergs Klavierstücken op. 11 ansetzt. In fast all diesen Jahrzehnten (mit Ausnahme der Jahre 1933–1945 versteht sich) haben die Musiktage die Musikgeschichte mitgeprägt und Karrieren angestoßen oder auch schnell wieder beendet. Sie sind zudem einer der wichtigsten Orte, an denen Deutschland nach dem Nationalsozialismus den Anschluss an Moderne und ästhetische Aufklärung wieder gewann, auch wenn bis heute große Teile des gewöhnlichen Konzertgänger-Publikums der avancierteren Musik der letzten Jahrzehnte gleichgültig bis feindselig gegenüberstehen. So weit die Geschichte …

Was gibt’s Neues?

Was aber bringt der Jahrgang 2016? Zu den Höhepunkten des Wochenendes gehört der neue Streichquartett-Zyklus von Peter Eötvös (dem Mann auf dem Foto). Mit „The Sirens Cycle“ vertont der ungarische Komponist die „verhängnisvolle Schönheit des Sirenengesangs“, und dies auf Texte von Homer, Joyce und Kafka für Streichquartett, Koloratursopran und Elektronik (letztere steuert das renommierte IRCAM aus dem Pariser Centre Pompidou bei). Weitere Highlights des Programms sind ein neues Werk für Sopran und Ensemble von Rebecca Saunders sowie ein Posaunenkonzert von Georg Friedrich Haas mit Mike Svoboda als Solist. All diese KomponistInnen sind seit langem feste Größen im internationalen Musikgeschehen und damit für die Veranstalter auch eine sichere Bank, denn sie schaffen publizistische Aufmerksamkeit und Publikumszuspruch. Ja, auch das Donaueschinger Avantgarde-Publikum hat seinen ganz eigenen Konservativismus und hört immer gern wieder, wen es schon kennt.

Aber auch die jüngere KomponistInnen-Generation ist in Donaueschingen vertreten: Die englische Komponistin Joanna Bailie (*1973) schreibt ein Werk für das SWR Vokalensemble; der Schweizer Komponist Martin Jaggi (*1978) hat ein Opus für das SWR Symphonieorchester komponiert. Insgesamt sieben Werke bringt übrigens allein das SWR Symphonieorchester bei seinen Auftritten bei den Donaueschinger Musiktagen zur Uraufführung. Mit Klanginstallationen von Thomas Köner, Yutaka Makino und Johannes S. Sistermanns sind die Musiktage über die Konzertsäle hinaus auch im öffentlichen Raum präsent.

Avantgarde umgarnt Schlager

Der veranstaltende SWR setzt zudem einen eher ungewöhnlichen thematischen Schwerpunkt, lässt er zumindest in einer Pressemitteilung verlauten: „Die Donaueschinger Musiktage nehmen in diesem Jahr Tuchfühlung mit der Sphäre der Unterhaltungsmusik auf. Deutsche Schlager finden bei den Musiktagen ebenso einen avantgardistischen Widerhall wie der mythische Gesang der Sirenen. Peter Ablinger thematisiert in seinem neuen Werk ‚Die schönsten Schlager der 60er und 70er Jahre‘ das verführerische Konzept der musikalischen Sorglosigkeit. Franck Bedrossian (der 2012 den Preis des Orchesters für sein beeindruckendes ‚Itself‘ erhielt) kommen die Farben der Unterhaltungsmusik in seinem Orchesterwerk ‚Twist‘ mit E-Gitarre und E-Piano entgegen. Und auch im Konzert des experimentellen Techno-Künstlers Curd Duca werden die Schnittstellen zwischen Pop und Avantgarde offenbar.“

Allzu wörtlich sollte man diese Ankündigung allerdings nicht nehmen, denn in Donaueschingen (wie auch bei anderen Veranstaltungen neuster Musik) haben die oftmals intellektuell angestrengten Ankündigungen in Presseerklärungen und Programmheften recht oft wenig mit dem zu tun, was es dann später tatsächlich zu hören gibt. Auch in der Musik gilt schließlich: Die Wahrheit liegt auf dem Platz, und da bietet Donaueschingen hoffentlich auch in diesem Jahr wieder einige starke Überraschungen.

Online-Informationen: www.swr.de/donaueschingen
Gedruckte Programme: Telefon: +49 771 857-266
Karten: Telefonisch unter 01806 700 733. Online bei http://www.reservix.de

Für die Installation von Yutaka Makino in der Alten Hofbibliothek ist eine Anmeldung erforderlich.

Weitere Informationen: Kultur, Tourismus und Marketing, Karlstraße 58, D-78166 Donaueschingen, Telefon: +49 771 857-221, E-Mail: tourist.info@donaueschingen.de

Harald Borges/Quelle: PR/Foto: Klaus Rudolph