Zugehört!

Alexander Priors Lebenslauf klingt ein wenig nach dem biografischen Stoff, aus dem die Träume jeder PR-Abteilung sind: Geboren im Oktober 1992 in London als Sohn eines Farmers und einer kulturinteressierten Mutter aus Russland, hat er bereits als 17jähriger seine Dirigentenausbildung in St. Petersburg abgeschlossen und war der jüngste Student dort seit Sergei Prokofjew. Er hat trotz seiner Jugend also schon viel erlebt – und steht demnächst auch in Konstanz am Dirigentenpult.

Prior ist übrigens nicht nur Dirigent, sondern hat mit seinen jungen Jahren beinahe schon so viele Sinfonien wie Beethoven geschrieben (allerdings hören sich manche seiner Stücke eher nach der Musik zu „Star Wars“ oder „Jäger des verlorenen Schatzes“ als nach zeitgenössischer Sinfonik an). Ein umtriebiger, höchst talentierter junger Künstler also, der bereits einige Orden erhielt – und aller Wahrscheinlichkeit nach einer äußerst erfolgreichen Zukunft in den großen Konzertsälen der ganzen Welt entgegensieht.

Im Konzert der Südwestdeutschen Philharmonie am 11. und 13. Mai steht ihm noch ein weiterer Star zur Seite: Die Norwegerin Tine Thing Helseth ist eine Trompetenvirtuosin von internationalem Rang und derzeit Artist in Residence des Internationalen Bodenseefestivals (seemoz berichtete).

Skandinavische Weite?

Der Abend bietet (für deutsche Ohren eher randständige) Musik aus Skandinavien. Am bekanntesten dürfte Sibelius‘ 2. Sinfonie sein, die 1901/1902 teils an der italienischen Riviera entstand und auf Anhieb ziemlich erfolgreich wurde. Das Motto des Konzertes „Im Rückblick“ passt gut zu diesem Komponisten, denn Sibelius (1865-1957) hat zwar den überwiegenden Teil seines Lebens im 20. Jahrhundert verbracht, ist aber musikalisch konsequent im 19. Jahrhundert geblieben, schaute also musikalisch Zeit seines Lebens in den Rückspiegel. Wenn er schrieb, „meine Musik hat nichts, absolut nichts von Zirkus; was ich zu bieten habe, ist klares, kaltes Wasser,“ trifft er die Sache nicht ganz, denn zumindest wir Heutigen sind es gewohnt, in Sibelius‘ Sinfonien neben Wasser auch weite, einsame Waldlandschaften, ein wenig Resignation und dazu passend Nebelschwaden mitzuhören.

Sibelius hatte es nicht immer ganz leicht mit dem Musikbetrieb. Ein Kritiker entdeckte in seiner Musik das „feine, dünne Wimmern eines Melodiefragments“, während der gelegentlich ziemlich gehässige Adorno gar schrieb, seinen „Tonfolgen widerfährt sehr früh ein Unglück, etwa wie einem Säugling, der vom Tisch herunterfällt und sich das Rückgrat verletzt. Sie können nicht richtig gehen.“ Den Finnen ihrerseits war das schnurzegal, sie betrachteten Sibelius bereits früh als ihren Nationalkomponisten schlechthin und sicherten ihm durch eine Staatsrente ein relativ sorgenfreies (und langes) Leben. Dank seiner Symphonien, einiger Orchesterstücke mit nationalen Anklängen und seines viel gespielten Violinkonzertes genießt er tatsächlich bis heute weltweit eine gewisse Popularität. Man muss sich nur vorstellen, er sei 20 Jahre früher geboren und 40 Jahre früher gestorben, dann wirkt seine Musik nicht mehr so aus ihrer Zeit gefallen.

seemoz-TineVon Beethoven bis Donovan

Spannend ist es immer, neue Musik zu entdecken, und dazu gibt es in diesem Konzert Gelegenheit. Tine Thing Helseth spielt das Solo im Trompetenkonzert „Screen Memories“ der schwedischen Komponistin Britta Byström, die 1977 geboren wurde und hierzulande sehr unbekannt ist. Das Werk ist 2012 entstanden und bereits das zweite Trompetenkonzert der Komponistin, die selbst Erfahrungen mit diesem Instrument gesammelt hat. Sie komponiert neben Opern und Chorwerken vor allem Orchestermusik, die mit ihren romantischen Anklängen und ihrer postavantgardistischen Tonsprache auch bei einem breiteren Publikum ankommt. Von ihrem Trompetenkonzert „Screen Memories“, bei dem die akustischen Déjà-vus von Beethoven bis hin zum britischen Folkmusiker Donovan reichen sollen, darf man sich also einfach überraschen lassen.

Auf die Faröer-Inseln führt die Musik von Carl Nielsen (1865-1931) zu Beginn des Konzerts. „En Fantasirejse til Færøerne“ [Eine Fantasiereise zu den Färöern] heißt das teils lebhafte Stück des Dänen, der heutzutage vor allem für seine Symphonien bekannt ist, die ein wenig wie Solitäre in der Musikgeschichte dastehen. (Der in Konstanz bestens bekannte Dirigent Douglas Bostock hat übrigens eine hörenswerte Gesamtaufnahme mit dem Royal Liverpool Orchestra vorgelegt). Nielsens Färöer-Stück entstand zwar erst 1927, ist aber Spätromantik reinsten Wassers und somit ein würdiger Auftakt dieses Konzertes.

Harald Borges / Quelle: PR

Zu den Konzerten gibt es eine Stunde vor Beginn einen Einführungsvortrag.

Konzert: Im Rückblick
Wann: Mittwoch, 11.05., Freitag, 13.05., jeweils um 20 Uhr im Konzil Konstanz
Wo: Konzil, Hafenstraße 2, 78462 Konstanz
Karten: 18-48 Euro. Schüler und Schülerinnen, Studierende, Auszubildende, HelferInnen im Freiwilligen Sozialen/Ökologischen Jahr, Arbeitslose, SozialhilfeempfängerInnen, Schwerbehinderte ab 80 Prozent Behinderung, Begleitpersonen von RollstuhlfahrerInnen und Behinderten mit SB-Ausweis „B“ (Begleitperson erforderlich) erhalten mit gültigem Ausweis ermäßigte Eintrittskarten.

Karten für das Konzert sind beim Stadttheater Konstanz (07531 900-150), bei der Südwestdeutschen Philharmonie (9.00 Uhr bis 12.30 Uhr) und bei der Tourist-Information am Hauptbahnhof sowie in allen Ortsteilverwaltungen erhältlich. Tickets gibt es auch im Internet: www.philharmonie-konstanz.de