Zugehört!

Dieser Mann besitzt durchaus Popstar-Quali­täten: Martin Grubinger hat in den letzten Jahren trotz seines in der Klassik-Szene eher stiefmütterlich behandelten Instrumentariums, des Schlagzeugs, eine erstaunliche Popularität gewonnen. Er setzt als Multi-Perkussionist international Maßstäbe, regt KomponistInnen zu neuen Werken an – und wird in der Saison 2016/2017 Artist in Residence des Tonhalle Orchesters Zürich. Eine gute Gelegenheit also, ihn dort einmal (wieder) zu hören.

„Schon im Alter von dreieinhalb Jahren wusste ich: Das Schlagzeug ist mein Instrument.“ Nun ja, man kennt Statements internationaler Stars, die so übertrieben sind, dass man ihre PR-Agenten über die Leichtgläubigkeit des Publikums lachen zu hören vermeint. In diesem Fall darf man eine solche Aussage aber durchaus ernst nehmen, denn die meisten Weltklasse-InstumentalistInnen haben bereits in zartem Kindesalter an oder auf ihrem Instrument zu üben begonnen. Beim heute 33-jährigen Martin Grubinger kommt erleichternd hinzu, dass sein Vater selbst Schlagzeuger und Lehrer am Salzburger Mozarteum ist, und es sind oft solche Familienkonstellationen, aus denen besonders begabte MusikerInnen entspringen, die aufgrund früher konsequenter Förderung besondere Fähigkeiten entwickeln. In Thüringen etwa hatte die fruchtbare Familie Bach über Jahrhunderte einen erklecklichen Prozentsatz der Musikerposten inne, und dort sagte man mancherorts zu Stadtpfeifern und Orgelbankdrückern ganz pauschal „der Bach“, auch wenn sie ganz anders hießen. So weit sind die Grubingers allerdings noch nicht.

Grubinger (der auch schon bei der Südwestdeutschen Philharmonie gastierte), ist in der nächsten Saison mit Zürich besonders verbandelt. Das Tonhalle Orchester Zürich, in der Tat eines der besseren Orchester der Welt, leistet sich jedes Jahr sowohl einen Artist in Residence (ausübende/r KünstlerIn) als auch einen Creative Chair (KomponistIn), deren Tun besondere Aufmerksamkeit erfährt.

Creative Chair ist in dieser Saison der Komponist und Dirigent Péter Eötvös, und natürlich kommt es auch zu einer Zusammenarbeit mit dem Artist in Residence Grubinger, der im nächsten März dreimal „Speaking Drums“ von Eötvös spielen wird. Grubingers Saisonprogramm hat es eh in sich: Am 14. und 15. 9. spielt er Avner Dorman, am 18.9. eine Bearbeitung der 15. Sinfonie von Schostakowitsch für Klaviertrio und Schlagzeug. Und auch seine weiteren Zürcher Konzerte in der Tonhalle versprechen ausgefallene Werke der klassischen bis aktuellen Musik. Plus natürlich Grubingers ganzen beeindruckenden Einsatz.

Nebenbei aber ist Grubinger auch eine/r der ganz wenigen klassischen MusikerInnen, der/die das Maul aufmachen: Er sagte 2010 wegen der dortigen Rechtstendenzen ein Konzert in Kärnten ab und wollte dort erst wieder auftreten, „wenn ein Klima herrscht, das sich dem Multikulturellen, dem Miteinander, dem Zusammenhalt verschiedener Traditionen, verschiedener Völker und verschiedener Einflüsse verbunden fühlt“ (Wikipedia). Es gibt eine lange Tradition der „Unpolitischen“ in der ohnehin größtenteils ziemlich stockbürgerlichen Klassikszene, da wärmen Menschen wie Grubinger (oder der in der Türkei verfolgte Fazil Say) einem natürlich das Herz.

In einer Hinsicht ist Grubinger, dem so ziemlich alles zu gelingen scheint, allerdings zu bedauern, und dies ist kein Witz: Er nennt zwar einige hundert Schlaginstrumente sein eigen. Doch eins, das er nach seinen Angaben nur ein einziges Mal spielen durfte und sofort haben wollte, hat er nicht bekommen, obwohl er es ziemlich wohlklingend fand: Die Meisterschale des FC Bayern München.

Das Programm zum Download.

Billettkasse: Claridenstrasse 7, CH-8002 Zürich, Fon: +41 44 206 34 34, Fax: +41 44 206 34 69, E-Mail: boxoffice@tonhalle.ch, Tickets: webshop.zurichticket.ch.

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10–18 Uhr bzw. bis Konzertbeginn; Samstag, Sonntag, Feiertage 90 Minuten vor Konzertbeginn; Sommerferien (Mitte Juli bis Mitte August): Montag bis Freitag 10–14 Uhr.

Harald Borges/Quelle: PR (Foto Christian Schneider)