Lebensgeschichten (7): Von Würde, Geschichten und lebendigen Büchern

„Man muss immer die Buntheit von Personen sehen“, so Lena Rapp, Co-Gründerin des Projekts Würdewerkstatt und federführende Autorin der darin entstehenden Lebensgeschichten, die in den letzten Wochen bei seemoz zu lesen waren. Im Interview erzählt die 21-Jährige, was es mit diesem Projekt auf sich hat, wie es entstanden ist und was sie damit bewirken möchte.

Grundsätzlich will die Initiative Würdewerkstatt mittels unterschiedlichster Projekte und Veranstaltungen für das Thema Menschenwürde sensibilisieren und so auch präventiv gegen unterschiedliche Gewaltformen vorgehen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf emotionaler Gewalt. „Menschen, denen die Würde verletzt wurde, verletzten wiederum auch andere. Das ist ein Kreislauf, der sich immer weiter aufspielt“, erläutert Rapp.

Entstanden ist das Projekt zusammen mit Rapps Mutter und einigen Freund*innen. Durch die vielen unterschiedlichen Menschen, die beteiligt sind, ist es damit zwar schwerpunktmäßig in Diez, Rapps derzeitiger Heimatstadt, angesiedelt, verteilt sich aber über weit mehr Städte – darunter auch Konstanz. Hier werden vor allem zwei Projekte der Würdewerkstatt umgesetzt: die Lebensgeschichten und eine lebendige Bibliothek.

Wie Worte Gewalt bekämpfen sollen

[the_ad id=“94028″]Die Lebensgeschichten sind ein zentraler Baustein der Würdewerkstatt. Die ersten waren in den vergangenen Wochen bei seemoz zu lesen. Inhalt der Geschichten ist jeweils ein Portrait über einen Menschen, das dessen Leben ehrlich und möglichst wertungsfrei darstellen soll. Vom Ziel und Mehrwert dieses Projekts ist Rapp felsenfest überzeugt: „Wir wollen damit Austausch schaffen und zwischen verschiedenen Menschen vermitteln. Ich habe gemerkt, dass andere Menschen plötzlich Verständnis für viele Dinge haben, wenn ich ihnen diese Lebensgeschichten zeige. Sie können Vorurteile aus der Welt räumen.“

Teil der Lebensgeschichten können alle werden, die das wollen. Eine Vorauswahl oder Aufnahmekriterien gibt es nicht. „Ich bin der Überzeugung, dass wir in einem Biotop lauter interessanter Menschen leben. Es gibt wirklich niemandem, von dem du sagen kannst, seine Geschichte ist nicht interessant“, betont Rapp.

Die Person hinter den Geschichten

Rapp selbst ist begeisterte Schreiberin und passionierte Musikerin. Die Liebe zum Schreiben hat damals ihre Deutschlehrerin am Musikgymnasium geweckt. „Ich hatte bei ihr die Freiheit, nach meiner Vorstellung zu schreiben“, erzählt sie lächelnd. Bei den Lebensgeschichten steht für sie weniger ihre eigene Schreibfreiheit im Vordergrund als die Bedürfnisse und Gedanken der Protagonist*innen: „Für die Zeit, während der ich mit meinen Protagonist*innen zusammenarbeite, versuche ich in deren Sichtweise hineinzuschlüpfen – sozusagen in deren Leben. Das heißt, ich freue mich mit, ich heule mit – und ich ärgere mich mit.“

Stöbern in lebendigen Büchern

Um das Ziel der Würdewerkstatt, die Förderung eines Austauschs zwischen verschiedenen Menschen, breitflächig voranzubringen, organisieren die Mitglieder hier in Konstanz zusätzlich eine sogenannte „lebendige Bibliothek“.

Was verwirrend klingen mag, ist ein weit verbreitetes Konzept: Bei lebendigen Bibliotheken werden statt Büchern aus Papier echte Personen eingeladen, über ihr Leben oder bestimmte Themen zu berichten und sich mit den Besucher*innen auszutauschen. So auch hier. Die lebendige Bibliothek der Würdewerkstatt soll am Samstag, 22. Juli 2023, um 14.30 Uhr im Kulturkiosk Schranke stattfinden und die Leser*innen der Lebensgeschichten mit den porträtierten Protagonist*innen sowie weiteren spannenden Persönlichkeiten zusammenbringen.

Alle Interessierten sind an diesem Tag also herzlich eingeladen, sinnbildlich in lebendigen Büchern zu stöbern. Außerdem stehen auch noch Plätze als „lebendige Bücher“ zur Verfügung. Wer also Lust hat, seine Geschichte mit anderen Menschen zu teilen, kann sich gern unter wuerdewerkstatt@gmx.de bei den Organisator*innen melden. Bei schlechtem Wetter bleibt der Treffpunkt am Kulturkiosk Schranke, die Veranstaltung findet dann aber in Räumlichkeiten des Treffpunkts Petershausen statt, zu denen gemeinsam gelaufen wird.

Rapp zeigt sich aufgeregt im Hinblick auf die Veranstaltung: „Ich bin gespannt und hoffe, dass es gut ankommt. Ich würde das gerne öfter machen und hoffe, dass viele Leute sehen, dass es ihnen etwas bringt und eine Notwendigkeit dafür da ist.“

Offenheit ist der Schlüssel

Konkrete Wünsche an das Publikum der Würdewerkstatt hat Rapp kaum. Nur eines betont sie mehrfach: „Ich würde empfehlen, an die Projekte offen heranzugehen und sich überraschen zu lassen.“ So könnten die Leser*innen, aber auch die Besucher*innen der lebendigen Bibliothek am meisten für sich mitnehmen – und so lerne auch Rapp aus jedem Projekt etwas für sich.

Autor*in: Connie Lutz
Bildrechte: Lena Rapp von der Initiative Würdewerkstatt

Bildbeschreibung für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen: Das Bild zeigt Lena Rapp vor einem Schreibtisch sitzend. Sie blickt lächelnd nach hinten in die Kamera. Im Hintergrund sind ein großer Schrank mit Ordnern, viele Zettel und ein Laptop zu sehen.