„Anarchisten von Konstanz“ verklagen die Volkshochschule

Der Kündigungsschutzprozess Reinhard Zahn gegen die Volkshochschule Konstanz-Singen (vhs) geht in die nächste Runde: Am 28.2. 2012 ist der erste Gerichtstermin vor dem Arbeitsgericht Radolfzell. Denn im gestrigen Gütetermin konnten sich die Parteien auch nach 45minütigem Schlagabtausch nicht einigen. Diskussionslinien aber wurden abgesteckt: Danach muss mit einer Schlammschlacht alsbald gerechnet werden.

Offensichtlich wird im weiteren Verfahren um die materielle, aber auch um die formale Unwirksamkeit der Zahn-Kündigung noch in der Probezeit gestritten: „Materiell“ meint die inhaltliche Begründung der Kündigung, zu der vom vhs-Vorstand bislang kein Sterbenswörtchen zu hören war – diese Verteidigungslinie wird sich bis zum Prozess am 28. Februar wohl kaum durchhalten lassen. „Formal“ meint die Auslegung der vhs-Satzung: Wer darf Kündigungen aussprechen – der Vorstand oder die Mitgliederversammlung? Und so viel wurde schon in der ersten juristischen Diskussion zwischen Arbeitsrichterin Dr. Adam und den Anwälten Dr. Rolf Stagat (für die vhs) und Marion Strolka (für R. Zahn) deutlich: Die aktuelle vhs-Satzung ist, um es zurückhaltend auszudrücken, arg interpretationsfähig.

Der Fall Zahn

Am 1.8. 2011 tritt Reinhard Zahn seinen Posten als Hauptstellenleiter der vhs in Konstanz an. Vorher hatte er 10 Jahre lang die vhs in Weil am Rhein geleitet. Ende Oktober wird er ohne Angabe von Gründen noch in der Probezeit, die Ende Januar ausgelaufen wäre, fristlos gekündigt. Im November befassen sich der Haupt- und Finanzausschuss sowie der Konstanzer Gemeinderat mit der vhs-Problematik. Im Dezember wird die Gemeindeprüfungsanstalt von Landrat Hämmerle mit einer Sonderprüfung der Volkshochschule beauftragt. Daraufhin beantragt Jürgen Leipold (SPD) eine Vertagung dieses Themas bis in den Juni – später wird eingeschränkt, man könne die Diskussion auch vorziehen, wenn Prüfungsergebnisse früher vorliegen sollten. Am 20.12. findet der Gütetermin im Kündigungsschutzverfahren statt, das Reinhard Zahn mittlerweile gegen die vhs angestrengt hat.

Den Zuschauern, unter ihnen zahlreiche vhs-DozentInnen aus Singen, Konstanz und Lörrach, bot sich ein bissiges, teilweise arrogant geführtes Streitgespäch voller Andeutungen und Anschuldigungen. Einig waren sich die Juristen höchstens in der Einschätzung, dass das Kündigungsschutzgesetz in diesem Fall keine Anwendung findet.

Da war die Rede zum Beispiel von den „Anarchisten aus Konstanz“ – so bezeichnete wohl der vhs-Vorstand intern Zahn und seinen Vorgänger, denen eine Kumpanei unterstellt wurde. Und über einen Brief des Vorstandes wurde spekuliert, in dem Zahn bereits vor Antritt seines Jobs etliche Vorhaltungen gemacht wurden. Arbeitsrichterin Dr. Adam gab mehrmals zu verstehen, dass sich „solche Diskussionen nur im Kreise drehten“ – sie mahnte hingegen an, die menschliche Seite der Kündigung nicht außer acht zu lassen. Nikola Ferling, vhs-Vorstandsvorsitzende, schwieg zu alledem.

Ist die Kündigung sittenwidrig?

Verschroben wirkte die Argumentation des vhs-Anwalts. Der Konstanzer Dr. Stagat warf der Gegenseite vor, „nur Vermutungen ohne rechtliche Relevanz“ vorzutragen. „Wie sollen denn handfeste Argumente geliefert werden“, entgegnete die Freiburgerin Strolka, „wenn nachprüfbare Gründe für die Kündigung ungenannt bleiben?“ Auch Arbeitsrichterin Dr. Adam riet an, bei einem neuerlichen Termin gute Gründe für die Kündigung zu nennen.

Denn immerhin steht, auch wenn der Kündigungsschutz nicht greift, die Sittenwidrigkeit dieser Kündigung im Raum. Ohne die Chance zur rechtlichen Würdigung nämlich verkäme die Probezeit in jedem Arbeitsverhältnis zur Farce. Ohne begründbaren Sachvortrag keine Aussicht auf Kündigung, so die erkennbare Meinung des Gerichts. Die Anwälte haben dann auch bis Anfang Februar noch Zeit, ihre Schriftsätze einzureichen.

Ist die vhs-Satzung eindeutig?

Gestritten wurde auch über die neue vhs-Satzung. Muss die Mitgliederversammlung – aus der fraglichen Sitzung übrigens hatte sich der Konstanzer Vertreter, Bürgermeister Boldt, rechtzeitig vor der Entscheidung über die Zahn-Kündigung, verabschiedet – eine solche Kündigung aussprechen oder reicht, wie geschehen, die Unterschrift des vhs-Vorstandes? Über die Auslegung der Paragrafen 10 bis 12 der vhs-Satzung wird wohl auch beim ersten Prozesstag am 28.2. noch heftig gestritten werden. Nur so viel ist jetzt schon klar: Derart wichtige Satzungen sollten sorgsamer formuliert werden – sogar von Schlamperei war die Rede.

Einen letzten Einigungsversuch machte die Arbeitsrichterin, als sie 3000 Euro als Abfindung bei Gehaltsfortzahlung bis zum 30.11. vorschlug. Und der vhs-Anwalt setzte noch einen oben drauf, als er die „Faustformel“ ins Spiel brachte. Danach würden 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zur Abfindungsfindung angerechnet – ein verächtlicher Betrag bei gerade dreimonatiger Beschäftigung von Reinhard Zahn in Konstanz.

Dieses Angebot mochten Zahn und seine Anwältin nun doch nicht annehmen. Zumal sie sich das Recht auf Schadensersatzforderungen in dann zusätzlichen Prozessen ausdrücklich vorbehielten. Und wie es scheint, stehen ihre Chancen am 28.2. nicht schlecht. Für den vhs-Vorstand, die Stadtspitze und Bürgermeister Boldt stehen nach der Müller-Esch-Blamage hingegen neuerdings schwere Zeiten bevor: Ohne Imageverlust und weiter greifende Konsequenzen für die Stadt und einzelne Verantwortliche wird auch diese Prozesslawine nicht zu überstehen sein.

Autor: hpk

 

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