„Da soll sich niemand für dumm verkaufen lassen“
Dr. Lothar Stetz, bis 2008 Chef der vhs-Konstanz und jetzt in gleicher Funktion in München tätig, macht sich für seine alte Arbeitsstätte und seinen Nach-Nachfolger Reinhard Zahn stark. Auf seemoz-Anfrage plaudert Stetz aus dem Nähkästchen und plädiert für Kreativität und Motivation statt Bürokratie und Regulierungswut an der Volkshochschule. Er kritisiert „schlechten Stil“ und gibt zu bedenken: „Konstanz muss Schaden von seiner vhs abwenden“.
Sie verfolgen die Vorgänge an Ihrer alten Arbeitsstätte?
Natürlich. In dieser Einrichtung habe ich fast neun Jahre gearbeitet, selbstverständlich liegt sie mir noch immer sehr am Herzen. Umso erschreckender finde ich die Entwicklung der letzten Jahre.
Nach dem Rauswurf des Ehepaares Schmid soll nun auch Reinhard Zahn entsorgt werden. Was halten Sie von diesem Vorgehen?
Von außen betrachtet ist mir das absolut unverständlich. Ich kenne Reinhard Zahn aus gemeinsamen Regionalkonferenzen der Volkshochschulen der Oberrheinschiene. Das ist ein gestandener Volkshochschulleiter. Die Entscheidung für ihn als Leiter der Hauptstelle Konstanz hatte mich damals sehr gefreut, ja richtig erleichtert. Der war ja jetzt kaum da, konnte seine eigene Handschrift in der kurzen Zeit nicht einmal ansatzweise zeigen.
Was könnte der Grund sein, dass man dem Mann, der gerade mal drei Monate im Amt war, nun ohne Angabe von Gründen vor die Türe setzt und skrupellos mit seiner beruflichen Existenz spielt?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich habe keinen Kontakt zu der neuen Leitung der vhs. Während der Probezeit muss man keine Gründe für eine Kündigung angeben. Allerdings ist das ganz schlechter Stil und passt überhaupt nicht zum Anspruch einer Volkshochschule. Reinhard Zahn zieht man beruflich sicher den Boden unter den Füßen weg. Das ist verantwortungslos, wenn es dafür keine benennbaren, nachvollziehbaren Gründe gibt.
Wer könnte daran Interesse haben, Zahn auf dem kalten Weg zu demontieren….?
Die Hauptstelle Konstanz ist die Hauptstelle mit dem größten Programm, den meisten Teilnehmern und dem wichtigsten betriebswirtschaftlichen Beitrag. Die Stadt Konstanz hat deshalb auch immer großen Wert darauf gelegt, dass sie eine starke Leitung hat, üblicherweise war die Funktion mit dem Amt des stellvertretenden Direktors gekoppelt. Meinem Vorgänger Dr. Schmidt-Liebich und mir war immer wichtig, selbstbewusste, ideenreiche, initiative Mitarbeiter zu haben. Das ist, so scheint es mir, offenbar nicht mehr gewünscht.
Was läuft Ihrer Meinung nach schief bei der vhs?
Ich beobachte eine starke Tendenz, die vhs zu bürokratisieren, alles zu regulieren, Eigeninitiative zu unterdrücken. Das ist natürlich Gift für eine Einrichtung, die ständig neue Weiterbildungsbedürfnisse, neue Trends antizipieren und jedes Semester ein anspruchsvolles, aktuelles Programm vorlegen muss. Wenn man da nachlässt, bleiben die Teilnehmer verdammt schnell weg. Gegenhalten kann man nur durch kreative, motivierte Mitarbeiter, die sich mit der Institution Volkshochschule identifizieren, und mit einer Leitung, die etwas von Erwachsenenbildung versteht und sie nicht wie eine untergeordnete Behörde verwaltet.
Ich bekomme ja mit, dass schon versucht wird, die aktuellen Schwierigkeiten auf eine angebliche Misswirtschaft 2006/2007 zuzurechnen, die man jetzt eben auszubaden habe. Da soll sich niemand für dumm verkaufen lassen. Die vhs war bis zu meinem Ausscheiden seit vielen Jahren budgetiert und hat mit diesem immer gleichen knappen Budget jedes Jahr zähneknirschend bis zuletzt einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen.
Das war nur möglich mit erheblicher inhaltlicher Arbeit des gesamten Teams am Programm, dem qualitativen Ausbau des Angebots und einem wertschätzenden Umgang mit Mitarbeitern, Dozenten und Teilnehmern. Die vhs hatte in diesen Jahren ihre Reputation, ihre Teilnehmerzahlen und auch die Einnahmen durch die Teilnehmergebühren erheblich steigern können. Das sind objektiv nachweisbare Fakten, die ich vehement verteidigen werde. Teilnehmer und Dozenten, von deren Kompetenz eine vhs ja lebt, spüren sehr genau, ob man sich für sie und ihre Bedürfnisse wirklich interessiert.
Das macht alles viel Arbeit, aber genau darauf muss das hauptsächliche Engagement ausgerichtet sein. Und nicht auf die technokratische Steuerung irgendwelcher betrieblicher Prozesse bis in das aller kleinste Detail, die nur die Eigenverantwortung und Kreativität der Mitarbeiter erstickt. Damit schadet man der vhs.
Was könnte/sollte man tun, um die vhs endlich wieder in ruhigeres Fahrwasser zu hieven?
Ich denke, Landrat Hämmerle, den ich immer sehr geschätzt habe, sollte die Leitung dringend an die Aufgaben einer Volkshochschule erinnern und auf einer Kultur des Umgangs in dieser Einrichtung bestehen, die die Mitarbeiter motiviert und sie nicht entmutigt. Eine Volkshochschule braucht fachlich kompetente, selbstbewusste Mitarbeiter. Schön wäre aus meiner Sicht, wenn Reiner Zahn die Chance bekäme, wirklich zu zeigen, wie er sich die Entwicklung der Volkshochschule Konstanz-Singen vorstellt. Ich konnte ja kaum glauben, dass die Stadt Konstanz nicht alles Gewicht in die Waagschale wirft, um ihre Hauptstelle zu schützen. Das wäre in Stockach so sicher nicht passiert.
Die Fragen stellte Holger Reile
Dankeschön, Herr Dr. Stetz,
Sie haben eine neue Grundlage für eine ernsthafte Debatte geschaffen. Die VHS ist immer wieder auf dem Altar der Politik geopfert worden. Da sind Kompetenzfelder eingerissen worden, die langfristig weh tun.
Sehr geehrter Herr Lichtwald,
ich habe mir durchaus überlegt, mich öffentlich zur Situation an der vhs Konstanz-Singen zu äußern, auch weil unklar ist, ob das der vhs mehr nutzt oder schadet. Schon die frühere Entlassung von Reiner und ganz besonders von Gabi Schmid war für mich bestürzend – leider trägt ein Vergleich nicht gerade zur Transparenz bei. Nach der Entlassung von Reiner Zahn hat es mich gewundert, dass man bei mir noch anfragt, einer Antwort wollte ich mich nicht verweigern. Der Fall ist ja auch skandalös: Entweder kann sich die vhs die Stelle nicht mehr leisten – dann hätte man gar nicht erst ausschreiben dürfen. Oder es gibt andere Gründe – dann ist es ein Gebot des Anstands, darüber mit dem Betroffenen zu sprechen. Dass die vhs ihre Position in einem möglichen Arbeitsgerichtsprozess nicht schwächen möchte ist zynisch angesichts der Tatsache, dass Zahn vor dem beruflichen Aus steht.
Aber noch zwei Sätze zur wirtschaftlichen Situation und ihrer Vorgeschichte: Sie berufen sich da auf Quellen aus dem Kreistag. Vielleicht sollten Sie als investigativer Journalist doch mal genauer nachfragen. Es gab bei der Prüfung der Haushalte der letzten Jahre durchaus berechtigte Kritik, insbesondere was die Darstellung bestimmter Positionen in der Bilanz anbetroffen hat. Interessant daran ist einmal, dass in exakt gleicher Weise schon seit grauer Vorgeschichte der vhs verfahren wurde. Weder die regelmäßige Prüfung durch das Landratsamt noch durch das damit in den letzten Jahren betraute Wirtschaftsprüfungsunternehmen hat die Aufbereitung der Finanzdaten jemals kritisiert. Nicht schön, aber kommt durchaus vor, wie die über 50 Milliarden der Tochterbank der HRE zeigen (dort übrigens ohne personelle Konsequenzen). Aber, und das ist jetzt der spannende Punkt: Es ist gerade nicht so, dass die Bilanz der vhs durch ihre damalige Darstellung ein Defizit verschleiert hat. Es ist vielmehr so, dass sich bei korrekter Darstellung ein höherer Haushaltsüberschuss ergeben hätte. Ich hatte 2008 zum ersten Mal seit vielen Jahren (das Zuschussniveau lag 2008 auf dem Niveau von 1992) bei den Trägern eine Erhöhung des Zuschusses an die vhs um 50.000 Euro pro Jahr beantragt. Diese Erhöhung sollte entsprechend nicht ein Defizit ausgleichen, sondern zwei neue Teilzeitstellen finanzieren: Aus meiner Sicht war bei der Zunahme des Programmangebots und der Verdichtung der Aufgaben eine spezialisierte Stelle im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und im Bereich der Unterstützung der vielen Außenstellen in den kleineren Gemeinden erforderlich. Das ist auch so genehmigt worden. Also noch einmal im Klartext: die wirtschaftliche Situation der vhs war in Wirklichkeit bis 2008 (soweit überblicke ich es zumindest) sogar besser, als im Abschluss ausgewiesen. Als früherer Leiter bedauere ich natürlich, dass wir (und die Rechnungsprüfung und der ja durchaus verwaltungserfahrene Vorstand) an dieser Stelle nicht exakt genug gearbeitet hatten. (Übrigens: Fragen Sie zu diesem Thema mal ein paar Kämmerer in den Bodenseegemeinden an. Das sind in der Regel vorsichtige Menschen, die gerne einen kleinen Puffer für unvorhersehbare Risiken in ihren Haushaltsansätzen berücksichtigen. Wenn Sie dann noch wissen, dass das mittelständische Unternehmen vhs nur minimale Rücklagen bilden durfte …). Sicher ist: zur Legendenbildung taugt der Vergleich der aktuellen Misere mit der damaligen wirtschaftlichen Verfassung der vhs ganz bestimmt nicht. Sollten da einige an einer gewissen Amnesie leiden, kann ich gerne helfen.
Lothar Stetz
Nicht schlecht für einen Wunderfitz. Dass die Politik am Geldhahn gedreht hat, ist keine Frage. Nach der nichtöffentlichen Information an die Kreisräte vor der Sommerpause begann das Defizit ab dem Jahr 2006. Klar war damit aber auch, dass mit dieser VHS keine ehrgeizigen Pläne mehr zu realisieren waren.
Herr Lichtwald,
woher beziehen Sie denn Ihre Erkenntnisse, sicher nicht von der VHS. Die VHS Konstanz-Singen stand bei dem Weggang von Dr. Lothar Stetz nicht nur inhaltlich, sondern gerade auch finanziell hervorragend da. Jahr für Jahr konnte die Zahl der Veranstaltungen und auch der Teilnehmenden nachweislich (und damit auch die Teilnehmergebühren) gesteigert werden, der Trägerzuschuss musste in all den Jahren nie erhöht und auch keine Kredite aufgenommen werden.
Dass Sie es immer noch nicht verschmerzt haben, dass der Südkurier ein besseres Angebot als das Wochenblatt machen konnte, tut mir Leid, aber das sollte doch eigentlich in der Bewertung der Sache keine Rolle spielen. Und dass die VHS inhaltlich im Südkurier nicht mehr vorkommt, liegt daran, dass von den aktuellen Akteurinnen bei der VHS auch keine Pressearbeit mehr geleistet wird.
Mich wundert eher, wie lange eine Stadt wie Konstanz (OB, Gemeinderäte…) noch zusieht, wie der Landkreis bzw. die vom Landkreis Beauftragten die VHS im gesamten Landkreis systematisch kaputtmachen. Vielleicht sollten mal wieder die Pläne einer eigenen VHS Konstanz auf den Tisch, man blickt doch sonst so gerne nach Friedrichshafen. Und nicht nur dort gibt es eine Trennung zwischen VHS F’hafen und VHS Bodenseekreis, Beispiele dafür gibt es sehr viel mehr (Stadt und Kreis Ludwigsburg, Heilbronn und VHS Unterland, Ulm….) . Ein BM Boldt wird natürlich nie auf so eine Idee kommen, hinter wem sollte er sich dann verstecken? BM Maas hätte dem Niedergang nicht so tatenlos zugesehen!
Wer bürokratisiert die Volkshochschule denn? Dr. Stetz macht es sich zu leicht, die jetzige Führung pauschal anzugreifen.Fakt ist, dass das Loch in der Kasse seit 2006 immer größer geworden ist. Da mag auch einem seiner Nachfolger schon fest bange ums Herz geworden sein. Die Bindung der VHS in Sachen Werbung an den Südkurier (Programmheft mit Verteilung) war wohl auch falsch: Die VHS kommt im vorpolitischen Raum kaum noch vor. Erwachsenenbildung braucht in Baden-Württemberg eine neue Definition. Darüber müsste öffentlich diskutiert werden, nicht über irgendwelche Dozentenvertreter, die die potentielle Laufkundschaft der VHS nicht interessiert – außer, dass das Image geschädigt wird.
Anscheinend müssen wir unsere „Freiheit“ und Wertesystem gar nicht erst am Hindekusch sondern direkt vor unserer Haustüre verteidigen.
Aus allem was man liest geht doch eines klar hervor: die „Leitung“ hat sich quasi selbst ins Amt gebracht ohne für die Leitungsaufgaben tatsächlich qualifiziert- sondern im Gegenteil dazu gar nicht in der Lage zu sein. Und „räumt“ seither mit Personen, deren nase oder was ihr nicht gefällt willfährig und ja brutal auf! Das entlassene Ehepaar gehört reinstalliert, die beiden VorsitzendenInnen deinstalliert!
Nun kommt einer daher mit gutem Ruf und Namen und scheint ein Konzept zu haben, das einigen wehtut und schon wird auch er regelrecht weggetreten.
Wann kommen unsere gewählten Politikvertreter mit Fachamt ihrer Pflicht nach und verabschieden sich von Inkompetenz, Willkür und Methoden wie sie der klassische Manchester-kapitalismus praktiziert hat? Und auch den Damen und Herren, die das christliche Wertesystem im Namen tragen, will man zurufen: steht auf und lasst Gerechtigkeit walten.
Das erinnert uns doch schon sehr an den guten alten deutschen Film „Jagdszenen in Niederbayern“. Hätte nicht gedacht, dass einem das auch im „grünen“ Konstanz passiern kann.