„Eine Oberbürgermeisterin nicht nur für fette Jahre“

Wenn Entertainer bei ihrer Vorstellung der Konstanzer OB-KandidatInnen alles Politische bewusst ausklammern, wenn über Kultur nur noch schwadroniert wird und der Wahlkampf vor Belanglosigkeiten nur so strotzt, dann, ja dann endlich sind handfeste Argumente gefragt. Sabine Seeliger, die mit der Veröffentlichung ihrer Wahlkampfspenden schon ihr Versprechen nach Transparenz einlöste, tritt jetzt mit einer „Einladung zu einer finanzpolitischen Auseinandersetzung mit Substanz“ an die Öffentlichkeit

„Bislang kam keine Debatte zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten zustande. Eine Chance dazu sehe ich auf dem Podium des Südkuriers am heutigen Dienstag und mache hiermit den Vorschlag, diese Diskussion auch in den Print- und Online-Medien der Region zu führen. Im Lauf der Wahlkampagne wurde eine Vielzahl an Versprechungen gemacht, deren Finanzierung bislang unklar blieb: Bau neuer Parkhäuser, Shuttlebus, Konzerthaus, Erschließung und Errichtung der Infrastruktur für infrastrukturferne Baugebiete (Hafner), 24-Stunden-Kindergarten, Laptops für alle Schüler, Wassertaxi, Kunsthalle….

Bislang hat keine Mitbewerberin und kein Mitbewerber eine konkrete Aussage gemacht, wie die versprochenen Wohltaten finanziert werden könnten, sondern lediglich den von mir vorgelegten Finanzierungsvorschlag für die Verkehrslösung abgelehnt. Aussagen wie: „Ich weiß, wie Zuschüsse beantragt werden“ oder „Durch meine Wirtschaftspolitik wird das Geld eingenommen, das wir im sozialen Bereich ausgeben“ sind zu substanzlos, als dass sie als zuverlässige Finanzierungsstrategie durchgehen könnten.

So hat Herr Burchardt  bislang Nachhaltigkeit noch für keinen Politikbereich konkretisiert, insbesondere nicht für die Finanzpolitik. Zur Finanzierung von ihm geforderter zusätzlicher Ausgaben, wie z.B. Konzerthaus, sind keine Strategien erkennbar. Und Frau Reiser, die Mitbewerberin mit den offensichtlich größten Wahlkampfausgaben, hat auf Ihrer Netzseite am 23.06. veröffentlicht, dass sie eine Woche vor der Wahl noch keinen Überblick über ihre Wahlkampfkosten hat: „Ich habe die Finanzierung meines Wahlkampfes noch nicht offen gelegt, weil es bisher noch viele unbekannte Größen gibt. Ich gehe von 1€ pro Wähler aus. Das ist ein Erfahrungswert. Manche rechnen sogar mit 1€ pro Einwohner. […] 10.000 Euro habe ich selbst eingebracht. Rund 10.000 Euro habe ich bisher an Wahlkampfspenden bekommen – dabei handelte es sich um Beträge zwischen 50 € und 2.500 €. Um Rechnungen bezahlen zu können, die bisher aufgelaufen sind, habe ich einen Kredit aufgenommen.“ Wenn der Schlusssatz ihrer Konzilrede stimmt – „Mein Wahlkampf ist meine Arbeitsprobe.“ – dann ist absehbar, wie die Aufstellung des städtischen Doppelhaushalts und der mittelfristigen Finanzplanung unter ihrer Regie aussehen würde.

Als Einstieg in die Debatte um Finanz- und Wirtschaftsstrategien stelle ich mit konkreten Beispielen vor, wie ich auch in Zeiten sinkender Gewerbesteuereinnahmen Zukunftsinvestitionen stemmen, konkrete Sparmaßnahmen einleiten und regionale Wirtschaftskreisläufe ankurbeln will. Ich schlage im Folgenden Schritte vor, die unabhängig von Finanzierungszusagen von Bund und Land möglich sind. Ich will nicht, dass Konstanz nur als Antrags- und Bittsteller bei übergeordneten Körperschaften auftritt, die selbst mit schwindender Finanzkraft (Finanzkrise, Schuldenbremse) kämpfen. DAS heißt für mich: Konstanz stark machen.

Sparen und Investieren: Meine Vorschläge zu innovativer Politik bei knappen Mitteln

Beispiel 1: Energetische Sanierung öffentlicher Gebäude. Oft scheitert die Durchführung von sinnvollen energetischen Sanierungsmaßnahmen öffentlicher Gebäude an der knappen Finanzlage des städtischen Haushalts. So wurde im Doppelhaushalt 2011/12 der Posten Bauunterhaltung /Energieeinsparung wiederum verschoben. In Freiburg ist es gelungen, mit einem BürgerInnenfonds die Staudinger Gesamtschule zu sanieren. Dies hatte mehrere Vorteile:

1.) Eltern Lehrer und Kinder erleben gemeinsam, was an Energieeinsparung in einem Gebäude möglich ist und haben gleichzeitig viel für das eigene energiesparende Verhalten gelernt.

2.)Die Schule hat einen Komfortgewinn.

3.) Bürger und Bürgerinnen wird eine sichere und attraktive Geldanlage angeboten, wenn die Stadt den Einspargewinn mit den Geldgebern aus dem Bürgerfonds teilt. Gleichzeitig wissen die Bürger und Bürgerinnen, dass mit ihrem Geld Sinnvolles geschieht.

4.) Das Handwerk vor Ort erhält Aufträge.

5.) Die Stadt kann ohne Belastung des eigenen Haushalts die Energieeinsparungsmaßnahmen durchführen und gleichzeitig dauerhaft die Kosten für den Schulunterhalt senken.

Beispiel 2: Grundauslastung für Car-Sharing durch Reduzierung des städtischen Pkw-Fuhrparks. Innovation fördern durch Sparen am städtischen Fuhrpark. Im OB-Wahlkampf gab es einen großen Konsens, dass Car-Sharing einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des ruhenden Verkehrs leisten kann. Car-Sharing wird allerdings nur dann attraktiv, wenn an möglichst vielen Stellen in der Stadt genügend Autos für die Nutzer und Nutzerinnen bereitstehen, damit die Wege zum „Teilauto“ auch kurz sind.

Um hier einen massiven Einstieg zu erreichen, schlage ich vor, dass Stadt und städtische Betriebe und möglichst viele Konstanzer Firmen ihren Pkw-Fuhrpark stark reduzieren und ihre Mitarbeiter bei Bedarf das Car-Sharing-Angebot nutzen. Auf diese Weise wird eine genügend große Grundausstattung und Grundauslastung des Car-Sharing-Systems erreicht. Die Vorteile:

1.) Kosteneinsparung bei Stadt, Stadtwerken und Firmen durch geringere Fuhrparkkosten.

2.) Konstanzerinnen und Konstanzer profitieren von einem umfangreichen Car-Sharing-Angebot.

3.) Reduzierung des ruhenden Verkehrs durch gemeinsame Nutzung eines Autos durch viele Personen.

4.) Minderung des Parkraumdrucks.

5.) Bezahlbarer Zugang zu Automobilität für einkommensschwache Bevölkerungsschichten.

6.) Neue Kultur des gemeinsamen Nutzens und der Kooperation zwischen Bürgern, Wirtschaft, Stadt und deren Betriebe.

7.) Mögliches neues Mobilitätsgeschäftsfeld für die Stadtwerke Konstanz GmbH.

8.) Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Dienstleistungen im Flottenmanagement.

Beispiel 3: Verursachergerechte Finanzierung des ÖPNV durch zweckgebundenen Aufschlag auf Parkgebühr

Eine Methode verursachergerechter Finanzierung von Park-und-Ride-Platz, Parkleitsystem und Shuttlebus ist ein Aufschlag auf die Parkgebühr, der zweckgebunden hierfür verwendet wird. Diese einfachste Form einer City-Maut wird z.B. in Stuttgart praktiziert. Das Stadtmarketing hat gezeigt: Mit dem P&R-System erreichen mehr Menschen ohne Stau die Innenstadt.

Diese drei Beispiele zeigen, dass mit meinen Vorschlägen Zukunftsinvestitionen ohne neue Schulden möglich sind. Ich will nicht nur eine Oberbürgermeisterin für fette Jahre sein, sondern auch für die absehbar schwierigeren Zeiten ab 2014, wenn in Konstanz die Gewerbesteuereinnahmen absinken und in Bund und Land Finanzkrise und Schuldenbremse die finanziellen Spielräume einengen. Mit meinem Leitsatz „Gemeinsam denken, gestalten, handeln“ können wir in der Stadt das kreative Potential erschließen, um bei knappen Mitteln handlungsfähig zu bleiben.“