1 Haus eingestürzt, 3 beschädigt, 3 Menschen verletzt
Die Martinshörner gellten bis in die Nacht durch die Stadt, der Albtraum eines jeden Feuerwehrmanns wurde Wirklichkeit: Mindestens drei Häuser der Konstanzer Altstadt brannten am 23. 12., drei Personen wurden verletzt, sechs evakuiert, ein Haus aus dem 15. Jahrhundert stürzte ein, mindestens ein weiteres historisches Gebäude muss aufgegeben werden, der Sachschaden geht in die Millionen, Der Kampf von 300 Feuerwehrleuten aus Konstanz, dem Landkreis und der Schweiz war vergebens.
Oberbürgermeister Frank stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, sein Amtssitz ist nur wenige Meter vom Brandherd entfernt; Hannes Kumm, Hauptbauamtsleiter der Stadt, hatte noch Experten des Technischen Hilfswerk zur Hilfe gerufen, um die Fassade des seit dem Morgen brennenden Hauses Hussenstraße 1 abzustützen: Umsonst. Das Getöse, mit dem das Eckhaus Kanzlei- und Hussenstraße einstürzte, erschüterte die gesamte Altstadt.
Um 08.15 war die Feuerwehr in die Hussenstraße gerufen worden. Ein Passant hatte einen alten, offenkundig verwirrten Mann im Hausflur entdeckt, um ihn herum schon Rauch und Flammen. Die Brandexperten konnten das ältere Ehepaar evakuieren, es wurde mit Brand- und Rauchverletzungen ins Klinikum eingeliefert. Mindestens sechs Bewohner angrenzender Häuser wurden ebenfalls in die Sicherheit gebracht, die Innenstadt weitergehend abgesperrt. Glücklicherweise hatte der Abbau des Weihnachtsmarktes bereits begonnen, sodass die Rettungsfahrzeuge die Unglücksstelle unschwer erreichen konnten.
Doch an Normalität war bis in die späten Abendstunden in der Fußgängerzone nicht zu denken; die Kanzleistraße war weiß – nicht vom Schnee, sondern vom Schaum aus den Feuerwehrrrohren. Ladenbesitzer standen fassungslos vor ihren Schaufenstern, von Kunden war nichts zu sehen. Die stauten sich vor den Absperrungen und vergaßen ihre letzten Weihnachtsgeschäfte. Der Geschäftsführer eines Buchladens mochte sich die Zukunft gar nicht ausmalen: „Wann wird hier wieder normaler Betrieb herrschen? Die beschädigten Häuser werden auf Dauer geschützt werden müssen, die Ruinen noch wochenlang herum liegen, die Absperrungen werden erstmal bleiben. Und den Umsatzausfall zahlt uns niemand.“ Die Verkäuferin eines Wäschegeschäfts traute sich nicht mehr in den Laden: „Hier steht Haus an Haus. Wer garantiert mir, dass unser Geschäft noch sicher ist?“
Die Feuerwehrleute aus Konstanz und Kreuzlingen, die seit dem Morgen im Einsatz waren, wurden im Laufe des Nachmittags von Kollegen aus Allensbach, Radolfzell und dem Landkreis abgelöst; einer von ihnen wurde beim Einsturz des Hauses leicht verletzt. Zusammen mit Sanitätern, Polizisten und THW-Experten waren mehr als 300 Mann im Einsatz, so Nikolaj Schutzbach, Pressesprecher der Konstanzer Feuerwehr, der sich den ganzen Tag über vor Journalisten-Nachfragen aus ganz Deutschland nicht retten konnte. „Umso deprimierender“, so ein Allensbacher Feuerwehrmann, „wenn aller Einsatz vergebens ist, und das Haus trotzdem ausbrennt und einstürzt.“
In dem Haus Hussenstraße 1, dessen Kern aus dem 15. Jahrhundert stammte, waren ein großes Schuhgeschäft und verschiedene Wohnungen untergebracht. Offenkundig waren die meisten Bewohner auf dem Weg zur Arbeit, als das Feuer ausbrach. Ein Student, der die Dachwohnung bewohnte, meldete sich im Lauf des Tages – er hatte anderswo geschlafen. „Das hört sich makaber an“, so ein Einsatzleiter, „aber stellen Sie nur vor, der Brand wäre tief in der Nacht ausgebrochen, bei Minusgraden – wir hätten ein weiteres Ausbreiten der Flammen nicht verhindern können“.
Autor/Fotos: hpk