1:0 für Müller-Esch

20111026-080611.jpg

Prof. Müller-Esch auf dem Weg in den Gerichtssaal

Vorweg: Der Spruch der Arbeitsgerichtskammer Radolfzell wird erst am heutigen Mittwoch gegen Mittag verkündet. Doch wer die gestrige, siebenstündige Verhandlung miterlebt hat, kommt nicht umhin, die Aussichten des geschassten Chefarztes Prof. Müller-Esch in seinem Kündigungsschutz-Prozess positiv für ihn zu werten. Unmaßgebliche Einschätzung eines gewiss nicht unabhängigen Beobachters: Es steht 1:0 für Müller-Esch

 

Kreuzverhöre vor dem Arbeitsgericht sind sehr selten – in diesem Prozess aber gab es gleich drei. Und auch nur drei der sieben Zeugen wurden überhaupt gehört, die aber wurden von den Anwälten und der Richterin jeweils 60 Minuten lang vernommen. Dabei kam es zu Widersprüchen und ihrer Aufklärung, es kam aber auch zu Peinlichkeiten und Entschuldigungen.

Viele mussten draußen bleiben

Der kleine Saal im Arbeitsgericht war überfüllt, Platzkarten wurden ausgegeben, selbst Pressevertreter mussten ihren Zutritt erkämpfen. Vor dem Gerichtssaal harrten noch fast 30 verhinderte Zuhörer sieben Stunden lang aus, um dann doch zu erfahren, dass der Urteilsspruch erst am Mittwoch verkündet wird. Unter den Zuschauern auch zahlreiche Beschäftigte des Klinikums, MitarbeiterInnen von Müller-Esch, und ehemalige Kollegen wie Prof. Roth aus dem Konstanzer Gemeinderat, sowie erstaunlich viele niedergelassenen Ärzte, die noch unter Müller-Esch gelernt hatten. Selten gab es so viel Solidarität in diesem Gerichtssaal.

Zum Erstaunen vieler wurde weder über den Offenen Brief der Internisten – Anlass für die erste von drei Kündigungen des Chefarztes – gestritten noch um die Nicht-Anhörung des Gekündigten vor dem Stiftungsrat, was noch in der vergangenen Woche für viel Wirbel im Gemeinderat gesorgt hatte (vermutlich wurden diese Sachverhalte bereits in den Schriftsätzen der Anwälte, die mehrere hundert Seiten umfassen und bislang drei Ordner füllen, ausgiebig erörtert). Fast ausschließlich ging es um die Vorgänge bei der Räumung des Müller-Esch-Büros nach der ersten Kündigung. Wer hatte wen wann vermeintlich beleidigt, wer wann und warum welche Protokolle verfasst, was wurde womöglich nachträglich erst zu Papier gebracht?

Widersprüche bei Dr. Zantl und Frau Walter

Als ersten Zeugen hatte Verteidiger Dr. Endemann für das beklagte Klinikum den Ärztlichen Direktor und Nachfolger in diesem Amt auf Müller-Esch, Niko Zantl, geladen. Dr Zantl musste im Verlauf des Kreuzverhörs einräumen, dass die klage entscheidende Aussage, „Sie haben ihre Würde abgegeben“ – wenn sie denn überhaupt gefallen ist – nicht aus dem Mund von Gert Müller-Esch, sondern höchstens aus dem seiner Frau, die ebenfalls bei der Büroräumung anwesend war, stammt. Auch den Verdacht, er habe in der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats/Stiftungsrats am 28.4. eine Kündigung von Müller-Esch befürwortet und damit seine Glaubwürdigkeit verletzt, konnte er nicht ausräumen. Fragwürdig bis zum Ende der Zeugenaussage blieb ein Protokollvermerk von Dr. Zantl auf einem Mail-Ausdruck – wurden belastende Vermerke erst nachträglich notiert?

Auch Frau Walter, stellvertretende Personalleiterin am Klinikum Konstanz, die im Auftrag der Klinikleitung an der Büroräumung teilnahm (Geschäftsführer Ott war just in dieser einen Woche auf Urlaub, gab aber aus Sizilien telefonische Anweisungen und machte sich die Finger nicht schmutzig), konnte etliche Widersprüche nicht aufklären: Auf Nachfragen von Dr. Kuhlmann, dem Anwalt von Müller-Esch, musste sie einräumen, dass nicht von „Würde“, sondern von „Gewissen“ die Rede war, die sie an der Pforte abgegeben habe. Auch von „Klauen“ war plötzlich nicht mehr die Rede. Und auch bei ihr tauchten Ungereimtheiten zu einem Gedächtnisprotokoll auf, das sie noch am Abend der Büroräumung angefertigt haben wollte.

Nur einer von vier Entlastungszeuge wird gehört

Einzig Dr. Hans Büttner, Oberarzt noch unter Prof. Müller-Esch, wurde als Entlastungszeuge gehört (einzige Kritik an der Prozessführung: Das Ungleichgewicht von zwei Be- und nur einem Entlastungszeugen lässt stutzen). Er hatte überhaupt keine beleidigenden Äußerungen während der Büroräumung gehört, empfand aber die Situation als emotional belastend und für Müller-Esch als demütigend. Von schikanösem Verhalten war die Rede. Über eine unappetitliche Nachfrage des Klinikanwalts wird nicht berichtet – Dr.Endemann entschuldigte sich später für diesen Einwand. Dennoch bleibt der Eindruck: Stadt- und Klinikverwaltung lassen keinen Gülleeimer aus.

Nach sechsmonatiger Verhandlung, nach fast unzähligen Schriftsätzen (auch da wurde bestritten, dass es jemals ein Abfindungsangebot von 25000 Euro gegeben habe), auch nach Andeutungen der Richterin Dr. Adam, es käme ohnehin zu einem Revisionsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht in Freiburg, bleibt die Entscheidung der Berufsrichterin und ihrer beiden Beisitzer von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite im Dunkeln. Morgen wissen wir mehr. Mein Tipp: 1:0 für Müller-Esch.

Autor: hpk

Weitere Links:

Sippenhaftung der Familie Müller-Esch

Klinikum-Management stolpert von Blamage zu Blamage

Wie es Bürgermeister Boldt mit der Wahrheit hält

Der Krankenhaus-Katastrophen-Kurs von Bürgermeister Boldt

Verfahren Müller-Esch: Keine Einigung im Gütetermin

Krankenhaus-Bosse: „Wir brauchen keine Schlammschlacht“