Antisemitismus im Sport

Die letzte Folge unserer Serie „Antisemitismus im Sport“: Alex Feuerherdt versucht ein Fazit – wer boykottiert, drangsaliert, schikaniert israelische Sportler? Und warum? Und gab es das nicht schon immer? Die Zahl der Beispiele ist lang – seemoz brauchte fünf Artikel für diese Dokumentation.

Boykotte gegen israelische Athleten hat es nicht nur im Fußball, sondern auch in weiteren Sportarten gegeben. Zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit möchte ich dabei nennen, und an beiden war wiederum der Iran beteiligt.

Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen weigerte sich der hoch favorisierte iranische Judo-Weltmeister Arash Miresmaeili, gegen den Israeli Ehud Vaks anzutreten. Vaks kam kampflos eine Runde weiter, während Miresmaeili von der politischen Führung seines Landes gefeiert wurde: „Der Name von Arash Miresmaeili wird in die iranische Geschichte eingehen als ein Quelle des Stolzes für das Land“, lobte ihn der damalige Staatspräsident Mohammad Khatami. Weiter sagte er: „Das großartige Handeln und die Selbstaufopferung unseres Champions, der auf eine sichere Olympiamedaille aus Protest gegen Massaker, Terror und Besetzung verzichtet hat, ist eine nationale Ruhmestat.“

5000 Dollar als Boykott-Preis

Auch der damalige Sprecher des iranischen Parlaments, Gholam-Ali Haddad-Adel, gratulierte dem Verweigerer für seine „tapfere Entscheidung“. Vize-Sportchef Ali Kafashian schlug vor, Miresmaeili mit einem speziellen Preis zu ehren. Der Judoka erhielt vom Nationalen Olympischen Komitee des Iran schließlich eine Prämie von 5.000 Dollar.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sperrte den Sportler; der Judo-Weltverband IJF verhängte jedoch keine Strafe gegen ihn oder seinen Verband. Offiziell war Miresmaeili wegen Übergewichts nicht zum Kampf zugelassen worden. Und eine Anhörung vor der IJF-Untersuchungskommission soll ergeben haben, dass Miresmaeili nie die Absicht zum Boykott des Wettbewerbs hatte. Das mutet allerdings sehr eigenartig an; schließlich hatte Miresmaeili, der Fahnenträger seines Landes bei Olympia in Athen, schon Tage vor dem Kampf angekündigt, gegen keinen Athleten aus Israel anzutreten. Mit seinem Boykott wolle er gegen die israelische Haltung im Nahostkonflikt protestieren.

Auch bei den letzten Olympischen Spielen 2008 in Peking gab es einen antiisraelischen Boykott: Der iranische Schwimmer Mohammad Alirezaei erschien nicht zu einem Vorlauf in der Disziplin 100 Meter Brust, weil mit Tom Beeri auch ein israelischer Schwimmer im Becken war. Zunächst hatte das Nationale Olympische Komitee des Iran den Start von Alirezaei erlaubt, weil dieser auf Bahn eins und der Israeli auf Bahn sieben eingeteilt waren und es sich damit nicht um ein direktes Duell gehandelt hätte. Am Ende blieb Alirezaeis Platz aber doch frei. Iranischen Angaben zufolge war der Sportler erkrankt. Das IOC glaubte dieser Begründung und sprach keine Sanktionen aus.

Die unsägliche Verquickung von Sport und Politik

Man sieht an all diesen Beispielen, dass die gegen Israel gerichteten Boykotte und die Benachteiligungen israelischer Sportler und Sportverbände eine beträchtliche Dimension haben. Vor allem die Verbände aus arabisch-islamischen Ländern weigern sich regelmäßig, ihre Sportler gegen israelische Athleten antreten zu lassen. Oft nehmen dabei die jeweiligen Regierungen beziehungsweise Regimes – wie jenes im Iran – direkten Einfluss auf die Entscheidungen der Sportverbände und sorgen so für eine unmittelbare Verquickung von Sport und Politik.

Die Nichtanerkennung Israels auf politischer Ebene führt dann auf sportlicher Ebene dazu, Wettkämpfe gegen Athleten und Mannschaften aus dem jüdischen Staat zu boykottieren oder gegen sie, wie im eingangs erwähnten Fall der Tennisspielerin Shahar Pe’er, auch schon mal ein Einreiseverbot zu verhängen. Doch wie die Geschehnisse rund um das Davis-Cup-Spiel im schwedischen Malmö und das Verhalten des deutschen Fußballspielers Ashkan Dejagah gezeigt haben, beschränken sich antiisraelische Boykottaktivitäten im Sport nicht auf den arabisch-islamischen Raum.

Und diese antiisraelischen Aktivitäten sind, um es deutlich zu sagen, antisemitisch motiviert. Denn Israel kann tun und lassen, was es will – stets wird es nicht nur in seinen Nachbarstaaten für alles Unheil im Nahen Osten verantwortlich gemacht, sondern auch in unseren Breitengraden: Als sich beispielsweise die israelische Armee und jüdisch-israelische Siedler noch im Gazastreifen aufhielten, galten sie als Besatzer. Als sie sich 2005 zurückzogen, intensivierten palästinensische Terrorgruppen zum Dank ihren Raketenbeschuss, woraufhin Israel die Grenzkontrollen verschärfte – und sich fortan dem Vorwurf ausgesetzt sah, „das größte Gefängnis der Welt“ errichtet zu haben.

Läßt der jüdische Staat den Raketenhagel über sich ergehen, wird er in der arabisch-muslimischen Welt als Schwächling verhöhnt. Reagiert er aber mit Sanktionen oder Gegenschlägen, dann handelt er „unverhältnismäßig“ oder „alttestamentarisch“, befördert die „Gewaltspirale“ oder begeht gar ein „Massaker“. Kurzum: Gleich, was Israel unternimmt, seine Gegner und Feinde sehen darin immer nur weitere Belege für seine abgrundtiefe Bösartigkeit. Dieses Denkmuster ist altvertraut und wohlbekannt; es ist ein judenfeindliches.

Antijüdische Denkmuster?

Der Wiener Politikwissenschaftler Stephan Grigat urteilte denn auch in einem Beitrag für das Internetportal haGalil, Israel fungiere „als eine Art Jude unter den Staaten“. Der gegen Israel gerichtete Antizionismus sei eine „geopolitische Reproduktion des Antisemitismus, der das klassische Bild des geldgeilen, vergeistigten und wehrunfähigen jüdischen Luftmenschen durch jenes des alles niedertrampelnden, auf territoriale Expansion und völkische Homogenität setzenden Israeli ergänzt“. Und zu diesem antisemitischen Denkmuster gehört es dann auch, israelische Sportler gewissermaßen als Soldaten zu betrachten, die den Krieg im Sport sozusagen mit anderen Mitteln fortsetzen und die man jedenfalls boykottieren muss, weil sie Israelis sind, egal, was sie tun und denken.

Dachverbände wie die FIFA und die UEFA wiederum sind oft genug eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Ihre offiziell bekundete Neutralität in politischen Dingen – das sollten die verschiedenen Beispiele deutlich gemacht haben – ist erstens keine, denn oft genug haben sie israelische Athleten benachteiligt, wenn diese mit Boykotten konfrontiert wurden, oder sie haben mit zweierlei Maß gemessen. Zweitens ist eine solche scheinbare Neutralität eine faktische Parteinahme für die Feinde des jüdischen Staates. Und nicht nur deshalb, sondern auch angesichts der mal sehr milden und mal gar nicht verhängten Sanktionen bei antiisraelischen Boykotten kann man den Verbänden den Vorwurf nicht ersparen, sich immer wieder zu Komplizen der Israelhasser zu machen, wo ihre Funktionäre nicht sogar selbst welche sind. Dabei hat die Profiorganisation der Tennisspielerinnen (WTA) vorgemacht, dass es sehr wohl auch anders geht.

„Ich liebe die Fans aus Israel“

Nach so viel Unerfreulichem möchte ich zum Abschluss noch von einer Episode berichten, die zumindest positiv begann. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft vor drei Jahren in Deutschland holte der ghanaische Nationalspieler John Paintsil nach dem entscheidenden 2:0 seiner Mannschaft gegen Tschechien eine israelische Fahne hervor, die er in seinem Strumpf verstaut hatte, und zeigte sie jubelnd dem Publikum. Zur Begründung sagte Paintsil, der damals für Hapoel Tel Aviv spielte: „Ich liebe die Fans aus Israel, deshalb habe ich mich für diese Aktion entschieden.“

Leider hatte die Geschichte kein Happy-End, denn der ghanaische Fußballverband distanzierte sich einen Tag später von seinem Kicker und empfahl ihm sogar eine Therapie. Die Botschaft lautete demnach: Wer für Israel ist, kann nicht ganz richtig im Kopf sein. Bei der FIFA – und nicht nur bei ihr – wird man das im Zweifelsfall genauso gesehen haben. Denn eine Oase der Vernunft war der Weltfußballverband noch nie, sondern stets nur Mitschwimmer in einem Meer von Unsinn.

Autor/In: Alex Feuerherdt