„Ich war nur empört und fassungslos“

Seit vier Wochen treffen sich immer montags BürgerInnen auf dem Radolfzeller Marktplatz zum Schwabenstreich. Keine „Berufsdemonstranten“ und Krakeler, wie die Stuttgarter Oberen uns glauben machen wollen, lärmen dort gegen Stuttgart 21, sondern Rentner und Schüler, Männer und Frauen, jung und alt – Menschen wie Du und ich. seemoz sprach mit Ingeborg Koch, Sekretärin aus Moos, und Initiatorin des Radolfzeller Schwabenstreichs:

Wie kamen Sie auf die Idee, in Radolfzell, weitab von Stuttgart, zum wöchentlichen Schwabenstreich aufzurufen?

Ich sah die Bilder vom Knüppeleinsatz der Polizei am 30. September in Stuttgart. Und ich war einfach nur empört, richtig fassungslos, wie da mit friedlichen Demonstranten umgegangen wurde. Spontan rief ich Freunde und Bekannte an, schickte E-Mails rum und fragte: Was wollen wir tun? Wir können doch nicht einfach nichts tun. Eine Freundin hatte dann die Idee für eine Mahnwache.

Haben Sie denn Erfahrung mit der Organisation solcher Veranstaltungen? Sind Sie irgendwo, irgendwie politisch organisiert?

Überhaupt nicht. Ich sage es noch einmal: Wir waren empört, wir waren fassungslos. Beim ersten Montagstreffen haben wir Kerzen in den Händen gehalten und eine Mahnwache abgehalten. Uns war wahrlich nicht nach Schwabenstreich und Krach zumute. Die Idee, uns regelmäßig zu treffen, und Lärm gegen Stuttgart 21 zu machen, kam von einer älteren Dame, die gegen Ende der Mahnwache auf mich zu kam und fragte: Warum organisieren eigentlich keinen Schwabenstreich?

Und daraus sind mittlerweile schon drei Schwabenstreiche in Radolfzell geworden mit regelmäßig 120 Teilnehmern.

Richtig. Es kommen Leute auch aus Sipplingen, Allensbach und Konstanz und natürlich aus Radolfzell und von der Höri. Am letzten Montag waren wir allerdings höchstens 80. Aber immer noch ein bisschen mehr als im viel größeren Freiburg, wo sich Montag für Montag rund 60 Leute zusammen finden. Und jedes Mal sehe ich neue, bislang fremde Gesichter. Fast peinlich ist mir, wenn sich Teilnehmer entschuldigen, falls sie das nächste Mal nicht kommen können.

Aber es überwiegt immer noch die Empörung. Und nicht der politische Protest.

Das hat sich mittlerweile geändert. In den Reden, in den Flyern ist immer häufiger die Rede vom zweifelhaften Umgang der Stuttgarter Oberen mit der Demokratie, mit deren Reaktion auf den Souverän, auf das Volk. Und immer häufiger wird gesagt: Es gibt jetzt kein Zurücklehnen mehr, wir machen weiter, es geht um mehr als nur um Stuttgart 21.

Was immerhin jetzt auch den Konstanzer CDU-Landtagsabgeordneten Hoffmann aus Allensbach auf den Plan gerufen hat, der am kommenden Dienstag zu einer Informationsveranstaltung aufruft, an der auch der ehemalige Verkehrsminister Müller teilnehmen soll. Wollen Sie Herrn Hofmann alleine lassen?

Am nächsten Montag findet wegen des Feiertages kein Schwabenstreich statt. Da liegt es nahe, dass am darauf folgenden Dienstag einige Leute an die Herren Hoffmann und Müller einige kritische Fragen stellen. Trotz der Schulferien werde ich wohl auch dabei sein. Denn Hoffmanns Einladung ist nichts anderes als die etwas hilflose Reaktion auf unsere drei Schwabenstreiche in „seinem“ Wahlkreis.

Autor: Die Fragen stellte Hans-Peter Koch