Die Konstanz AG und ihr Chef

Oberbürgermeister Uli Burchardt kommt aus der Wirtschaft, und das merkte man einigen seiner Vorschläge in der letzten Gemeinderatssitzung an. Er versuchte nicht nur, die Kompetenzen des Gemeinderates bei der Personalauswahl zu beschneiden, sondern will auch das Spitzenpersonal von Stadt und Universität besserstellen – der Gemeinderat ließ ihn damit teils abblitzen. Außerdem beschloss der Rat einstimmig eine geänderte Zweitwohnungssteuer.

Die von der Stadt Konstanz seit 1984 erhobene Zweitwohnungssteuersatzung wurde im Januar vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Der Grund: Die bisherigen Steuertarife ergaben für höhere Mieten einen prozentual geringeren Steuersatz als für niedrige, und das sei mit der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht vereinbar. Dabei habe man, so schreibt die Verwaltung, damals mit der Einführung dieses Steuertarifes eigentlich Gutes bezweckt und wollte bewusst kleine, billige Zweitwohnungen relativ hoch besteuern, damit die Vermieter diese lieber an Studenten vermieten.

Höherer Steuersatz gefordert

Bei aller guten Absicht dieser Steuer konnte Herbert Weber (SPD), der alte Kämpe in Sachen Mieterinteressen, seine Freude über die Niederlage der Stadt vor Gericht nicht verhehlen: Er forderte, die fällige Neuregelung ab 2015/2016 zum Anlass einer kräftigen Erhöhung der Zweitwohnungssteuer zu nehmen: Einerseits seien es derzeit immerhin 700 Wohnungen, die in Konstanz als Zweitwohnungen dem Wohnungsmarkt entzogen würden, und das ist angesichts der Wohnungsnot wahrlich kein Pappenstil. Andererseits griffen Städte wie Baden-Baden oder Überlingen bei dieser Steuer ganz anders zu als die Konstanzer: Während die Konstanzer Verwaltung sich mit 20% Steuer auf den jährlichen Mietaufwand begnügen will, müssten in den genannten Städten bis zu 35% Zweitwohnungssteuer entrichtet werden. Herbert Weber betonte, ihm gehe es nicht um das Geld, das diese Steuer in die Stadtkasse spüle (ca. 600.000 Euro sind es in diesem Jahr), sondern darum, dass diese Wohnungen wieder auf den Markt kommen.

Dass es bei dieser Steuer nicht ums Geld gehe, zweifelte Jürgen Faden (FWK) hingegen an: Hier gehe es ausschließlich ums Geld, denn diese Steuer bringe keine einzige Wohnung mehr auf den Markt. Am Ende stimmte der Gemeinderat der neuen Fassung der Steuer einstimmig zu. Bleibt abzuwarten, ob man sich angesichts der Wohnungsnot (oder gar um des schnöden Mammons willen) in absehbarer Zeit dann doch zu einer Erhöhung dieser kommunalen Steuer nach dem Vorbild anderer Städte entschließt.

Das liebe Personal

Uli Burchardt versteht sich deutlicher als sein Vorgänger als dynamischer Macher, der etwas im Alleingang bewegt, gern aufs Tempo drückt, immer wieder für Überraschungen gut ist (Seilbahn, centrotherm) und stets aufs Neue versucht, seinen Handlungsspielraum gegenüber dem aus seiner Sicht wohl lahmarschigen und ewiggestrigen demokratischen Fußvolk, den Gemeinderätinnen und -räten also, auszuweiten. Er sieht sich, scheint’s, zunehmend in der Rolle des Chefmanagers eines Unternehmens mit über 2 000 Mitarbeitern und -zig Millionen Euro Umsatz, in dem er endlich zeitgemäße Managementmethoden einführen will, um seinen Laden im Konkurrenzkampf mit anderen Kommunen zu stärken.

Zumindest legen seine jüngsten Vorstöße in Sachen städtischem Spitzenpersonal eine solche Sicht der Dinge nahe. Zwei Tagesordnungspunkte der Sitzung am 29.04. deuten in diese Richtung. Einer davon trug auch noch eine falsche Überschrift, was niemandem aufgefallen sein will: In der Tagesordnung stand „Professionalisierung von Personalentscheidungen bei Leitungsfunktionen“, eigentlich, so Burchardt, solle es aber „Modernisierung von Personalentscheidungen bei Leitungsfunktionen“ heißen. Hand aufs Herz, dieser Unterschied erschloss sich den Zuhörerinnen und Zuhörern im Verlaufe der langen Diskussion nicht, denn faktisch ging es darum, den Profis der Verwaltung mehr Macht gegenüber den Laien des Gemeinderates zu geben, und so passte „Professionalisierung“ denn auch ganz gut.

So oder so ging es in erster und damit nicht entscheidender Lesung um den viel beschworenen „Kampf um die besten Köpfe“. Thomas Traber, Leiter des städtischen Personalamtes, begründete den Vorstoß: Die (meistens drei) Personen, die es bei einer Bewerbung in die letzte Runde schaffen, müssen sich in öffentlicher Sitzung vor dem Gemeinderat präsentieren, und das schrecke viele Spitzenkräfte ab, weil dadurch ihrem bisherigen Arbeitgeber ihre Wechselabsicht bekannt werden könne. Rund 50% der Angesprochenen winkten unter dieser Bedingung sofort ab.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Uli Burchardt assistierte seinem Personalchef: Da am Ende der Gemeinderat über die Stellenbesetzung entscheide und nicht die Öffentlichkeit, habe die Öffentlichkeit auch nichts von dieser öffentlichen Präsentation der Bewerber, bei der sie ja eh nur zuhören, aber nicht mitbestimmen könne. Man sieht, in welche Richtung Burchardt denkt – auf sämtlichen öffentlichen Gemeinderatssitzungen entscheidet der Gemeinderat und nicht das Publikum, und gemäß der Burchardtschen Argumentation könnte man das Publikum daher getrost von allen Sitzungen ausschließen (was gewiss so manchem/r Profi in der Verwaltung gar nicht so unlieb wäre).

Die Diskussion der Angelegenheit verlief dann entlang der zu erwartenden Sollbruchstellen: Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) lobte das bisherige Verfahren, weil es durch die Öffentlichkeit der Entscheidung sicherstelle, dass auch sachgerecht entschieden und nicht geklüngelt werde – was auch nicht recht stimmt, denn die KandidatInnen präsentieren sich zwar in der Schlussrunde öffentlich, der eigentliche Abstimmungsvorgang im Gemeinderat findet bei Stellenbesetzungen aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, und nach welchen Kriterien man sich dort zusammen rauft oder gar zusammen klüngelt, entzieht sich der Kenntnis der Öffentlichkeit. Sie wollte eine Direktsuche nach Bewerbern per Headhunter in Ausnahmefällen zulassen und daran festhalten, dass die eingegangenen Bewerbungen auch in Zukunft von VolksvertreterInnen und Verwaltung gemeinsam und nicht nur von den Verwaltungsprofis vorsortiert werden.

Demokratie ist modern

Die in dieser Sitzung sehr aktive Hanna Binder (SPD) nannte das aktuelle mehrstufige Verfahren unter Einbeziehung des Gemeinderates bei der Vorauswahl sowie mit der öffentlichen Präsentation der Bewerber ausdrücklich „modern“, weil es transparent und demokratisch sei. Auch Vera Hemm (LLK) will am bisherigen Verfahren nicht rütteln. Sie wies darauf hin, dass die Besetzung von Leitungsfunktionen in der Verwaltung eine Kernaufgabe des Gemeinderates ist, die dieser keinesfalls an die Verwaltung abgeben dürfe, und forderte auch weiterhin die öffentliche Vorstellung der letzten drei BewerberInnen, „denn wir versprechen den Bürgerinnen und Bürgern ja ständig Transparenz, und da würde eine nichtöffentliche Vorstellung der Bewerber nicht ins Bild passen.“

Auf der anderen Seite wies Anselm Venedey (FWK) auf die Missgriffe des Gemeinderates bei einigen Auswahlverfahren hin: So sei man vor zwei Jahren bei der Wahl zum Chef der Stadtwerke einem Schaumschläger (nur zu wahr!) aufgesessen und habe in letzter Zeit Schwierigkeiten gehabt, genügend geeignete KandidatInnen zu finden. Auch Heinrich Everke (FDP) bezweifelte seinen und seiner RatskollegInnen Sachverstand in Personalangelegenheiten und wollte der Verwaltung freiere Hand bei der Besetzung von Spitzenposten lassen.

Dies war die erste Lesung, es wurde nicht abgestimmt, und so hielt Oberbürgermeister Uli Burchardt denn ein Schlussplädoyer, in dem er nochmals nachlegte. „Noch nie wurde jemand nach fachlichen Kriterien eingestellt, das geschah immer nach menschlichen Eigenschaften, und die kann man in einer öffentlichen Präsentation der Bewerber nicht ermitteln.“ Diese Behauptung ist aber ziemlich lendenlahm, weil Menschen in Leitungsfunktionen eben auch fähig sein müssen, nicht nur mit den Gemeinderätinnen und -räten, sondern auch mit der Öffentlichkeit klarzukommen, daher kann man das von ihnen auch beim Vorstellungsgespräch verlangen.

Außerdem beschwor der OB noch einmal Personalbeschaffungsprobleme durch die Nähe zur Schweiz, die hohen Mieten und die schwierige Wohnraumsituation und bezeichnete das bisherige Verfahren als zeitraubend und aufwändig. „Auf dem bisherigen Weg schrecken wir gute Bewerber ab,“ resümierte er seine Meinung, kündigte aber an, in dieser Frage den Konsens mit dem Gemeinderat und nicht die Konfrontation zu suchen. Warten wir ab, was er sich für nächste Runde in dieser Frage einfallen lässt.

Es bleibt der Eindruck, dass hier eine stillschweigende Entmachtung des Gemeinderates in Gang gesetzt werden soll: Der Oberbürgermeister versteht sich als Chefmanager, der sich sein Führungsteam selbst zusammenstellen und dabei möglichst wenig auf die Feierabend-PolitikerInnen im Gemeinderat Rücksicht nehmen möchte, demokratische Gepflogenheiten hin oder her. In der Vorlage spricht die Verwaltung davon, „dass gerade bei Leitungsfunktionen ein konstruktives Miteinander insbesondere zwischen der Verwaltungsspitze (OB, Dezernenten) und den Führungskräften gewährleistet sein muss. Deshalb sollte der Schwerpunkt der Entscheidung auch bei der Verwaltungsspitze der Stadt liegen, d. h., es sollten nur solche BewerberInnen eine Chance der Präsentation in den Gremien haben, die auch von der Verwaltungsspitze mitgetragen werden können.“ Mit anderen Worten: Die Verwaltung will sich ihre Leute in Zukunft weitgehend selbst aussuchen.

Wer hat, soll noch mehr kriegen

In dieselbe Richtung zielte eine weitere Vorlage, bei der es um Duale Karrieren geht. Sehr verkürzt gesagt wollen Universität und Stadt einen Kooperationsvertrag schließen, um für Spitzenpersonal attraktiver zu werden. Der Clou dabei: Kriegt jemand einen Spitzenjob an der Uni oder bei der Stadt, soll seine oder ihre LebensgefährtIn bevorzugt und ohne Ausschreibung mit einem Job bei einem der Vertragspartner versorgt werden. Gibt es gerade keinen Job für das Gespons, wird halt einer geschaffen. Anders, so suggeriert es die Vorlage, sei Spitzenpersonal heute nicht mehr nach Konstanz zu locken. Dieselben PolitikerInnen also, die sonst Konstanz als den Mittelpunkt der Welt und die attraktivste Stadt auf Erden preisen, in die die Menschen von allen Seiten nur so strömen wollen, werden bei dieser Gelegenheit erschreckend kleinmütig und finden, Spitzenverdienern müsse man angesichts der unsäglichen Standortnachteile von Konstanz noch einige Zückerli auf ihre ohnehin üppigen Gehälter draufsatteln, weil ihnen sonst ein Umzug an den See nicht zumutbar sei.

Rundum-Betreuung für Spitzenkräfte?

Als zusätzlichen Anreiz neben dem Job für den Anhang will die Stadt zur Betreuung solcher Spitzenverdiener auch noch eine halbe Stelle schaffen, denn „wir gehen davon aus, dass uns auch Anfragen zu weiterführenden Schulen, zu Kita-Plätzen und zur Wohnraumsituation in Konstanz erreichen werden. Das Personalamt sieht sich nicht im Stande, diesen Beratungsbedarf zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben ohne Personalvermehrung zu leisten.“ Das heißt, solche Spitzenkräfte sollen zusätzlich zu einem (Teilzeit-)Job für ihre/n LebensgefährtIn auch noch eine Rundum-Betreuung erhalten, von der die anderen ArbeitnehmerInnen bei Stadt und Universität nur träumen können, die sich um Kita-Plätze und die knappen Wohnungen gefälligst selbst zu prügeln haben. „Die Zeiten ändern sich, und wir müssen uns auch ändern, ob wir wollen oder nicht, in ein paar Jahren kommt das ohnehin,“ gab Uli Burchardt sein Credo zum Besten. „Wir kommen Bewerbern auf diese Weise entgegen und zeigen ihnen, dass wir uns vorbildlich um sie kümmern.“ Unterstützung erhielt er erwartungsgemäß aus den Reihen von CDU und FDP.

Diese Hilfe für die ohnehin schon Privilegierten hat natürlich unübersehbar eine starke soziale Schieflage und ein Geschmäckle, was aber den Oberbürgermeister nicht im Geringsten zu tangieren scheint, während Vera Hemm (LLK) von Vetterleswirtschaft sprach und darauf verwies, dass man mit anderen städtischen Beschäftigten, etwa im Pflegebereich, beileibe nicht so großzügig verfährt.
Am Ende stimmte die Mehrheit des Gemeinderates denn doch dem Kooperationsvertrag zur Probe zu, lehnte es aber ab, zusätzliche Personalmittel in Höhe von 100.000 € rauszurücken. Diese Mittel, die jetzt dem normalen Etat entnommen werden, sollten dazu verwendet werden, „wenn eben gerade keine passende freie Stelle vorhanden ist, eine Partnerin oder einen Partner zu beschäftigen, falls an der Einstellung des Bewerbers oder der Bewerberin ein außerordentliches Interesse besteht.“ Mit anderen Worten: Die Lebensgefährtin des Professors oder den Lebenspartner einer Dezernentin will die Stadt auch dann beschäftigen, wenn sie diese Person gar nicht benötigt, und das soll auch noch ohne jede Ausschreibung geschehen.

Hanna Binder (SPD) brachte auf den Punkt, worum es dem Oberbürgermeister mit der Vorlage auch ging, als sie sich an ihre Miträtinnen und -räte wandte: „Wollen wir die Verwaltung ohne Ausschreibung Stellen besetzen lassen? Die Verwaltung will mehr Handlungsspielraum bekommen, und das durchzieht diese Anträge wie ein roter Faden. Für Stellenbesetzungen haben wir zuerst eine Aufgabe, und dann suchen wir den geeigneten Menschen für diese Aufgabe – und nicht umgekehrt, wie es die Verwaltung jetzt fordert.“ Dieses Ansinnen des OBs zur Besserstellung der Spitzenverdiener ist eine Unverfrorenheit, wenn man einmal daran denkt, welchen Bewerbungsmarathon normale Menschen für eine Anstellung absolvieren müssen, von der sie am Ende nur mit Ach und Krach leben können – und davon, dass sich ihr Arbeitgeber um eine Wohnung oder eine Kita-Platz für sie kümmert, wird die Masse der Arbeitnehmer nicht mal zu träumen wagen.

In der Tat ist hier ein gefährlicher Prozess im Gange: Uli Burchardt versucht erstens seine Position gegenüber dem Gemeinderat zu stärken, um die Stadt immer mehr wie einen privaten Wirtschaftsbetrieb zu managen statt wie eine der Öffentlichkeit verpflichtete Kommune. Zweitens ist in diesen Anträgen eine Tendenz zu sozialer Kaltschnäuzigkeit zugunsten der Besserverdiener unverkennbar. Und mag das Volk, vertreten durch den Gemeinderat, auch der Souverän sein, so scheint sich Uli Burchardt zunehmend als Chef einer Konstanz AG zu begreifen, die das durchaus undemokratische Führungsverständnis von Managern der Privatwirtschaft pflegt. Demokratisch gewählte VolksverteterInnen erscheinen da als eher lästige Ewiggestrige und müssen verdammt aufpassen, dass der Oberbürgermeister nicht zunehmend über ihre Köpfe hinweg regiert.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: O. Pugliese