Die griechische Krise, die Migration und das Europa der Konzerne und Banken

Der Publizist und Buchautor Winfried Wolf wird am kommenden Dienstag in Konstanz über ein Thema referieren, das im vergangenen Jahr nicht nur Linke umgetrieben hatte. Damals bot die neugewählte Syriza-Regierung der EU-Troika die Stirn und wehrte sich gegen die von Merkel und Schäuble verordnete Kahlschlagpolitik, die eine breite Spur sozialer Verheerungen in Griechenland hinterlassen hat.

Ein vergeblicher Versuch, wie wir heute wissen, Konzern-Europa zwang das Land am Peloponnes in die Knie – auch wegen der Schwäche demokratischer und sozaler Bewegungen im restlichen Europa. Heute ist Griechenland aus den Schlagzeilen verschwunden und auch linke Politikschwerpunkte haben sich längst auf andere Schauplätze verlagert. Grund genug für die Veranstalter – LINKE, Linke Liste und DKP – an die griechische Krise zu erinnern, hat sie sich doch durch die Flüchtlingsbewegungen zusätzlich verschärft. Mit Winfried Wolf, u. a. Chefredakteur der kapitalismuskritischen Zeitschrift „Lunapark 21“ und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von attac, haben sie einen kompetenten Referenten eingeladen, der sich seit langem mit den griechischen Verhältnissen und der europäischen Austeritätspolitik beschäftigt.

In seinem neuen Buch, er hat es gemeinsam mit dem griechischen Journalisten Nikos Chilas geschrieben, stellt Wolf die aktuelle griechische Tragödie, die mit der Durchsetzung des EU- und IWF-diktierten Austeritätsprogramms noch lange nicht beendet ist, in einen historischen Kontext. Er spürt den deutsch-griechischen Beziehungen bis ins Jahr 1941 nach, als die Wehrmacht das Land besetzte. Griechischen Forderungen nach Reparationszahlungen und Wiedergutmachung wichen Bonn und Berlin beharrlich aus; als 2001 eine Athener Gerichtsvollzieherin mit einem höchstgerichtlich bestätigten Urteil vor dem griechischen Goethe-Institut auftauchte und die Einrichtung konfiszieren wollte, intervenierte Deutschland politisch dagegen.

Für Wolf ziehen sich deshalb „deutsche Knute und deutscher Druck“ als „braun-schwarzer Faden durch die griechische Zeitgeschichte“. Ohne ihre Kenntnis sei die heutige Situation in Griechenland nicht erklärbar.

Der in Berlin lebende Publizist hält die Ereignisse im Jahr 2015 für „den vielleicht wichtigsten Einschnitt in der 60-jährigen Geschichte der europäischen Einigung“. Zum einen wegen der Folgen für die Beziehungen Griechenlands zum restlichen Europa und der „auf die Spitze getriebenen Austeritätspolitik“, zum anderen aber gerade auch wegen der Bedeutung der griechischen Erfahrung für die europäische Linke. Wobei es Wolf nicht für ausgeschlossen hält, dass sich die Krise der EU in den nächsten Wochen nochmals vertiefen könnte: mit dem Referendum in Großbritannien am 23. Juni über einen Brexit und mit den Wahlen in Spanien am 26. Juni.

Solidarität gefragt

Mit der Veranstaltung wollen die Veranstalter auch für ein vom Bodensee aus unterstütztes Solidaritätsprojekt werben. Kifa im Herzen Athens ist eine von über 30 Solidar-Kliniken, die das Bündnis „Solidarity4all“ in ganz Griechenland aufgebaut hat. Ärzte und Apotheker versorgen in diesen Kliniken, oftmals nicht größer als eine Arztpraxis hierzulande, kostenlos bedürftige Menschen – vormals Einheimische, die ihre Krankenversicherung nicht mehr bezahlen konnten, aktuell aber vornehmlich Flüchtlinge, die ohne jede staatliche Unterstützung in Griechenland überleben müssen. Nach einem Vortrag des Syriza-Politikers Giorgos Chondros in Konstanz übernahmen vor drei Jahren Apotheker und Ärzte vom Gesundheitsnetz Hegau (GNH) die Unterstützung der Kifa-Klinik. Seit 2013 wird die Miete (monatlich 500 Euro) von Konstanz aus bezahlt, werden medizinische Geräte und monatlich Medikamente im Wert von durchschnittlich 2000 Euro nach Athen geschickt.

jüg

Veranstaltung mit Winfried Wolf, Dienstag, 21. Juni, 20 Uhr, Kulturzentrum Konstanz (Astoria-Saal), Katzgasse 5-7