Ein Sklavenhändler mit Filiale am Bodensee (I)

Johann Bernhard Friedrich Romberg (1729-1819) war ein international tätiger Kaufmann, der die Globalisierung seiner Zeit für sich zu nutzen wusste. Er war auch im Sklavenhandel tätig und hatte einen engeren Bezug zum Bodensee: Zeitweise war er Bürger von Lindau, das verkehrsgünstig im System europäischer Handelswege lag. Wer war dieser damals bedeutende Mann, was bezweckte und bewirkte er? Wir beginnen heute mit einem dreiteiligen Porträt.

Teil 1/3

Johann Bernhard Friedrich Romberg (1729-1819)1 wurde 1729 in Sundwig bei Hemer im westfälischen Sauerland geboren. Seine Eltern ermöglichten ihm trotz ihrer bescheidenen bürgerlichen Verhältnisse, der Vater war von Beruf Holzrichter, eine kaufmännische Ausbildung in Iserlohn sowie bei der Kattunfirma Schüle in Augsburg. Danach wurde er von seiner Heimat aus zu einem regionalen Händler für westfälische, sächsische und schlesische Textilien und Metallwaren. Er war fleißig und gehörte zu jener Art Unternehmer, „die nie genug haben können“ (Magnus Ressel, 2021) und war vermutlich ein „Workaholic“ des Geschäftetreibens. Hierdurch erwarb er bereits früh ein kleines Vermögen.2

Unruhige Zeiten

Mit 26 Jahren zog Friedrich Romberg zusammen mit seinem jüngeren Bruder Johann Christian Wienold Romberg 1755 nach Brüssel, welches damals zu den Österreichischen Niederlanden gehörte und heute die Hauptstadt Belgiens ist. Der „Spanische Erbfolgekrieg“ 1701-1714 des Kaiserhauses Habsburg hatte u.a. zur Folge, dass die südlichen Teile der Niederlande an die österreichischen Habsburger fielen. Die „Brabanter Revolution“ von 1789-1790 führte nur kurze Zeit zu einem ersten selbständigen „Bund der vereinigten belgischen Staaten“.

In Brüssel heiratete Friedrich Romberg 1759 Sophie von Huyssen, Tochter des Freiherren Heinrich von Huyssen.3 Zusammen hatte das Ehepaar fünf Kinder. Das Habsburger Kaiserhaus war damals ausdrücklich daran interessiert, dass die Österreichischen Niederlande wirtschaftlich aufblühten. Brüssel entwickelt sich in jener Zeit zu einem neuen Handelszentrum. Gefördert durch diese Politik des Kaiserhauses begannen Romberg und sein Bruder Johann Christian im Jahre 1766 zusätzlich mit dem Speditionshandel, dem Warentransport über weite Strecken zu Wasser und auf dem Land. Ihre Firma förderte dazu u.a. den Ausbau einer befestigten Chaussee von der Hafenstadt Ostende nach Luxemburg. Der Handel aber wurde bald bis nach Neapel ausgeweitet.

200 Pferde

Außerdem förderte Romberg den Ausbau des Kanals ausgehend von der belgischen Stadt Leuven (Löwen) und ließ auf diesem mit Binnenschiffen das Hinterland mit Kolonialwaren aus seinen Seeschiffen beliefern. Seine logistische Meisterleistung bestand u.a. darin, die um das Jahr 1790 rund 1.800 Zollabschnittsgrenzen innerhalb des Heiligen Römischen Kaiserreiches Deutscher Nation profitabel überwunden bzw umgangen zu haben.4 „Romberg verfügte über hervorragende Beziehungen zu den in Brüssel residierenden Ministern der österreichischen Verwaltung. Daher erhielt er günstige Zolltarife für die von ihm bediente Transitstrecke zwischen Ostende und Neapel mit Filialen in Löwen, Nancy und Lindau.“5 Rund 200 Pferde waren damals für seine Firma unterwegs.6

In den späten 1760er Jahren begann Romberg zusätzlich mit dem regelmäßigen Paketschiffsverkehr von Belgien nach England sowie Frankreich. Viele der Handelspartner des evangelischen Romberg gehörten den evangelisch-reformierten Kirchen an, so auch seine Handelspartner in der französischsprachigen Schweiz rund um Genf.

Globalisierung im 18. Jahrhundert

1776 bot ihm die mächtige britische „East-India-Company“ eine Schiffsladung Tee an, welche er dann aber trotzdem nicht erhielt, weil sie in Nordamerika profitabler verkauft werden sollte. Mitte der 1770er Jahre stieg Romberg auch in das Finanzgeschäft ein, verlieh Geld und finanzierte über den Kauf von Staatsanleihen auch Regierungen mit.

Unabhängig und neutral gegenüber den Kriegen der damaligen europäischen Mächte, belieferte Romberg als Schiffsreeder inzwischen auch die weiße Oberschicht in den europäischen Kolonien in der Karibik. Aus diesem Überseehandel entwickelte sich Ende der 1770er Jahre rasch Rombergs neuer hochprofitabler Geschäftsbereich des Sklavenhandels.7

Als Spediteur, Reeder und Sklavenhändler wohnte er in den Jahren 1780 und 1785 mehrmals für jeweils etliche Monate in Lindaus damals nobelstem Hotel, der „Krone“ in der Ludwigstraße. Dies war eine für den Geschäftsmann Romberg strategisch günstige Wahl zur Errichtung seiner Lindauer Filiale. Liefen doch „in Lindau aus allen Teilen Europas zahlreiche Nachrichten ein bzw. sie wurden, wenn sie ihren Weg über Lindau hinaus weiter nahmen, dort vielfach eingesehen und zur Kenntnis genommen. Überdies kehrten viele fremde Kaufleute in den Gasthöfen Lindaus, besonders in der ‚Krone‘, ein und berichteten dort die Neuigkeiten, die sie auf ihren Reisen erfuhren.“8 Das Lindauer Wochenblatt, das „Reichsstadt Lindauische Intelligenz-Blatt“, berichtete immer auch jeweils über die Ankunft von kürzer und länger bleibenden Gästen in der Stadt und wo diese übernachteten. So meldete es beispielsweise am 3. Mai 1783 auch die Ankunft auf dem Landwege vom 22. April: „Herr Romberg, Kaufmann von Brüssel, nebst einem Bediensteten, logiert zur Krone.“9

In Lindau kreuzten sich die Wege

Lindau fungierte dabei als ein zentraler Organisationsort für seinen auf dem Landweg erfolgenden europäischen Warentransithandel zwischen Belgien und Italien, zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer, zwischen Deutschland und Genua. Als internationaler Spediteur und Großhändler kontrollierte er damals beispielsweise über 60% des Warenhandels von Lindau nach Bozen. Den in Ostende sitzenden Firmenteil betrieb er nun zusammen mit seinem ältesten Sohn Frederick als „Frederick Romberg fils & Ricour“.10 Sein Imperium umfasste zwischenzeitlich auch eigene Fabriken sowie eine Versicherungsabteilung.11

Zwischen 1781 und 1784 war Friedrich Romberg deshalb in Lindau auch einer der größten Steuerzahler vor Ort an die Stadtkasse der Reichsstadt. Anerkannt Mitte 1780 als Bürger der Stadt Lindau, wurde er im Steuerbuch innerhalb der Rubrik der lokalen Oberschicht, den „Sünfzen“, auf eine Jahressteuer von 250,- fl. (Gulden) verpflichtet. Davon musste er 1780 nur ein Drittel und 1785 nur die Hälfte bezahlen. Mitte des Jahres 1785 gab er sein Lindauer Bürgerrecht wieder zurück.12 Zur gleichen Zeit zahlten andere Mitglieder der Lindauer Oberschicht in der Regel meist deutlich weniger städtische Steuern. So beliefen sich diese Beträge im Jahre 1780 beispielsweise bei Rudolf Curtabat jun. auf insg. 143,- fl, bei dessen Tochter, Jungfer Barbara Curttabattin, auf 11,- fl, bei Bürgermeister Jacob Fels auf insg. 83,10 fl. und der Stadtpatrizier Joh. von Eberz zahlte 351,30 fl.13

Text & Bild: Karl Schweizer, www.edition-inseltor-lindau.de.

Anmerkungen

1 Die biographischen Angaben zu Friedrich Romberg basieren teilweise auf den Informationen der sechs Filme von Peter Prestel und PD Dr. Magnus Ressel von 2021 auf: https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/das_generalinterview_mit_pd_dr._magnus_ressel?nav_id=9591.

2 „Friedrich von Romberg“, in: https://dewiki.de/Lexikon/Friedrich_von_Romberg, aufgerufen am 6.4.2022.

3 „Friedrich von Romberg“, in: https://dewiki.de/Lexikon/Friedrich_von_Romberg, aufgerufen am 6.4.2022, S. 2.

4 Gerd Schumann, „Kaiserstraße – Der deutsche Kolonialismus und seine Geschichte“, Köln 2021, S. 58.

5 „Friedrich von Romberg“, in: https://dewiki.de/Lexikon/Friedrich_von_Romberg, aufgerufen am 6.4.2022, S. 2.

6 Friedhelm Groth, „Friedrich von Romberg, der Sklavenhändler aus dem Sauerland“, Vortrag beim Rotary-Club Hemer vom 28. September 2015.

7 Friedhelm Groth, „Friedrich von Romberg, der Sklavenhändler aus dem Sauerland“, Vortrag beim Rotary-Club Hemer vom 28. September 2015.

8 Adolf Dresler, „Aus den Anfängen des Lindauer Zeitungswesens (1596-1810)“, in „Schriften des Vereines für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung“, Konstanz und Lindau 1956, S. 69. 9 „Reichsstadt Lindauisches Intelligenz-Blatt“ Nr. XLIV vom 3. Mai 1783.

10 https://dewiki.de/Lexikon/Friedrich_von_Romberg, S. 3.

11 PD Dr. Magnus Ressel 2021 auf: https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/das_generalinterview_mit_pd_dr._magnus_ressel?nav_id=9591.

12 Steuerbuch der Reichsstadt Lindau von 1765-1803, Stadtarchiv Lindau, Sign.: D V-99, S. 44.

13 Steuerbuch der Reichsstadt Lindau von 1765-1803, Stadtarchiv Lindau, Sign.: D V-99, S. 12, 13, 18 und 22.