ADFC: Radverkehr belebt das Geschäft
Die Diskussion um autofreie Innenstädte nimmt in Baden-Württemberg neue Fahrt auf. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) unterstützt die Forderungen und plädiert für einen Ausbau der Fahrradinfrastruktur – zumal Radverkehr nicht nur die Lebensqualität in den Städten erhöht, sondern auch den innerörtlichen Einzelhandel stärkt. Fazit: Auch die wirtschaftliche Seite einer fahrradfreundlichen Stadt kann sich demnach sehen lassen, entgegen allem Gejammer steigen die Umsätze der HändlerInnen.
Man kennt die Diskussionen noch aus jenen grauen Jahren, in denen in Wirtschaftswunder-Deutschland die ersten Fußgängerzonen eingeführt werden sollten: Beim Gedanken an eine wenigsten ein bisschen autofreiere Innenstadt riefen (und rufen noch heute) vor allem die Einzelhändler den Klassenkampf aus. Sie winseln – bevorzugt im Namen der Erhaltung von Arbeitsplätzen – etwas von wirtschaftlichem Zusammenbruch und Standortnachteilen und barmen, dass es einen Stein erweichen könnte. Der Kunde, der sich spontan zum Blumentausch auch noch eine Waschmaschine kauft, könnte ja vertrieben werden, wenn er nicht direkt vor dem Laden parken kann.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat dieser Tage eine Medienmitteilung zu diesem Thema verschickt, die wir hier dokumentieren:
Radverkehr belebt
Eine autofreie Stadt mit sauberer Luft, wenig Lärm und viel Platz für Begegnung: Wovon viele Menschen träumen, schürt bei anderen Existenzängste. In Baden-Württemberg wagen derzeit gleich mehrere Städte den Vorstoß, zumindest ihr Zentrum autofrei zu machen. Stuttgarts OB Fritz Kuhn kündigte jüngst an, Autos aus dem Bereich innerhalb des City-Rings noch vor 2030 Schritt für Schritt zu verbannen. In Karlsruhe und Konstanz sind bereits mehrere Straßen im Stadtzentrum komplett autofrei. Der ADFC Baden-Württemberg unterstützt die Planungen und fordert gleichzeitig eine Verbesserung der städtischen Fahrradinfrastruktur.
Autofrei heißt nicht Leerstand
„Radfahrförderung bedeutet gleichzeitig Strukturförderung“, sagt Landesvorsitzende Gudrun Zühlke. Der ADFC widerspricht damit der Befürchtung des Handels, für den autofreie Innenstädte den Niedergang des Einzelhandels bedeuten. „Im Gegenteil“, sagt sie. Wie Studien aus verschiedenen europäischen Ländern zeigen, sind Radfahrer*innen sogar treuere Kunden als die motorisierte Kundschaft. Sie geben zwar pro Einkauf weniger Geld aus, kommen dafür aber gut doppelt so häufig und bringen daher pro Person mehr Umsatz. In Österreich kaufen etwa 80 Prozent der Fahrradnutzer mehrmals wöchentlich in den lokalen Geschäften ein, bei den PKW-Nutzern trifft dies nur auf 68 Prozent zu. Studien aus Madrid und Toronto zeigen, dass in autofreien innerstädtischen Gebieten die Verkaufszahlen und Umsätze um bis zu 9,5 Prozent steigen. „Vor allem für den Einzelhandel, der unter der Konkurrenz auf der grünen Wiese leidet, ist das interessant, denn Radfahrende bleiben in der Stadt und fahren nicht ins Einkaufszentrum raus“, erklärt Zühlke. Außerdem kaufen Radfahrer*innen meist in kurzer Distanz zum Wohnort ein und tragen so dazu bei, den lokalen Einzelhandel anzukurbeln.
Wichtig: eine fahrradfreundliche Infrastruktur
„Für einige Menschen ist es sicherlich eine Umstellung, mit dem Rad einzukaufen, aber wenn man es genau betrachtet, sind die wenigsten Einkäufe in der Innenstadt so groß, dass man dafür einen Kofferraum bräuchte“, so Zühlke. Voraussetzung für ein entspanntes Einkaufen sei jedoch immer eine gute Infrastruktur aus Radwegen und Abstellmöglichkeiten. Und auch darin liegt ökonomisches Potenzial: Fahrräder benötigen einen Bruchteil der Parkfläche von Autos. Bei einer in Bern durchgeführten Verbraucherbefragung wurde das Verhältnis von Kundenrentabilität (Wert der Einkäufe) und den Kosten für die Kundenparkfläche errechnet: Radfahrer brachten den Einzelhändlern 7.500 Euro pro Quadratmeter, Autofahrer nur 6.625 Euro ein. „Investitionen in eine fahrradfreundliche Infrastruktur bringen aus wirtschaftlichem Aspekt also deutlich mehr als gegenseitiges Preisdumping der Geschäfte“, hält die Landesvorsitzende fest.
Lastenräder als „Einkaufswagen“
Damit auch größere Einkaufe nicht zum Problem werden, spricht sich der ADFC zudem für eine stärkere Lastenradförderung durch die Kommunen aus. Das Stuttgarter Konzept gilt für Zühlke als vorbildlich, ebenso wie freie Lastenradverleihe oder die Initiative einiger Händler, die ihren Kunden kostenlos Lastenräder verleihen, um die gekaufte Ware nach Hause zu transportieren. „Das ist zum Beispiel ein guter Ansatz für Baumärkte oder Getränkehändler“, so Zühlke. Sie hält fest: „Mehr Radverkehr ist nicht nur gut für die Gesundheit und erhöht die Lebensqualität in den Städten, sondern stärkt auch den Einzelhandel.“ Außerdem ist das Fahrrad zum Symbol für eine nachhaltige Lebensweise geworden, was in Zeiten des Klimawandels von der Kundschaft immer mehr gefordert wird.
MM/Luciana Samos (Foto: Foto ADFC, Michael Handelmann)
Das funktioniert aber nur, wenn man die Städte als autarke Inseln betrachtet, ein Fehler der halt immer wieder gemacht wird. Aus Sicht der Stadtbewohner alles nett und schick. Der Rest leider, der nicht zuletzt oft wegen Wohnkosten aufs Land ausweichen musste oder schlicht nicht dort arbeitet und, mangels ÖPNV auf ein Kfz und dessen Nutzung angewiesen ist, kommt dann halt komplett unter die Räder. Aber der kann dann bestimmt alles online erledigen und im Internet einkaufen, was ja ökologisch unglaublich sinnvoll ist. Macht aber nichts, Hauptsache ich habe in der Stadt meine Ruhe und hippe, kleine Läden … Verkehrsplanung sollte nicht auf Inseldenken basieren, eine gewisse Objektivität wäre eigenlich schon zu erwarten. zB Auch das etwa 2/3 eines Baumarksortiments (ja, da gibts es mehr als Superkleber und Weihnachtssterne) mitnichten von einem Lastenfahrrad transportiert werden können, zumindest haben diese oftmals gelernt, dass sie in Industriegebieten besser aufgehoben sind als mitten in der Stadt.