Ärger im Konstanzer Paradies

Es brodelt am Seeufer, vor allem in der Bade­saison. Unmut jetzt auch am Seerhein im Paradies: AnwohnerInnen sind seit Jahren verärgert über den ständigen Parksuch­ver­kehr und beschweren sich auch über die zunehmende Vermüllung der dortigen Seepromenade. Sie regen an: Zumindest ein WC müsse her, dazu größere Müllbehälter. Hier der Beschwerdebrief an Bürgermeister Langensteiner-Schönborn, in dem auch Oberbürgermeister Burchardt sein Fett abbekommt, im Wortlaut.


Sehr geehrter Herr Langensteiner-Schönborn,
etliche in Mitleidenschaft gezogene Bewohnerinnen und Bewohner des westlichen Paradieses haben mich erneut gebeten, Ihnen gegenüber noch einmal aktuelle drängende Probleme zu benennen und in ihrem Namen um wirksame Abhilfe zu bitten.

Im Zuge unseres Schriftwechsels vor drei Jahren zu ähnlichen Themen wurden vereinzelte Kontrollen der Ordnungspolizei durchgeführt, Fahrradständer wurden an der Uferpromenade montiert und jüngst wurden sehr hübsche Schilder aufgestellt, die an die Vernunft der Badenden und Feiernden appellieren, etwas Rücksicht zu nehmen.

Leider sind diese doch eher symbolischen Maßnahmen nicht geeignet, wirkliche Abhilfe bei folgenden Problemen zu schaffen:

1. Noch immer herrscht vor allem an sonnigen Tagen ein erheblicher Parksuchverkehr westlich der Europa-Straße, Fahrzeuge werden verkehrsbehindernd im ganzen Straßenraum von der Brücke Fischenzstraße bis hinunter zum See und in der Grießeggstraße abgestellt. Das Quartier dient weiterhin auch als Ausweich-Parkraum für Dauerparker (s. unter 7. und 8.).

2. Regelmäßig werden insbesondere um die St. Martinskapelle und in der scharfen Rechtskurve der unteren Fischenzstraße Fahrzeuge so geparkt, dass weder ein Tanklöschfahrzeug oder die Drehleiter der Feuerwehr noch der Rettungswagen im Einsatzfall durchkämen. Die Feuerwehr wäre im Brandfall ernstlich an der Hilfeleistung gehindert. Die Wendeplatte am Seeufer wurde zwischenzeitlich markiert, die genannten Straßenräume rund um die Kapelle jedoch nicht. Die Wendeplatte am Seeufer ist jedoch an Sonnentagen oft mit Fahrrädern und Kinderanhängern voll geparkt.

3. Entlang der Seepromenade herrscht an sonnigen Tagen klassischer Freibad-Betrieb. An manchen Tagen zählten die Anwohner bis zu 300 Badegäste. Doch bis heute weigert sich die Stadt dort eine Toilettenanlage aufzustellen, mutmaßlich weil man aus Haftungsgründen jeden Eindruck vermeiden will, der Uferabschnitt sei der Öffentlichkeit förmlich als Freibad gewidmet. Dadurch entsteht jedoch ein für die dortigen Anwohner unerträglicher Zustand, weil die Badenden die naheliegenden Vorgärten aufsuchen, um sich und ihre Kinder zu erleichtern. Windeln und Reste anderer Hygieneartikel in den Vorgärten belegen beweiskräftig, dass der Vorhalt berechtigt ist.

4. Die Seepromenade (die übrigens auch Teil des Bodensee-Radwegs ist) wird neben dem Badebetrieb verständlicherweise auch als beliebte Partymeile genutzt, so dass die wenigen Müllbehälter meist nicht ausreichen und überquellen. Täglich schöpfen die Uferanwohner den Wohlstandsmüll (Einwege-Grills, Pizzaschachteln, Bier- und Weinflaschen, Spirituosenflaschen, Bierbüchsen, Verpackungsmüll, Windeln) aus dem Gewässer. Eine kleine Auswahl des originalen Seerhein-Mülls können Sie in der aktuellen Ausstellung „Der gefährliche See – Wetterextreme und Unglücksfälle an Bodensee und Alpenrhein“ im Kulturzentrum am Münster besichtigen.)

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5. Die Problematik der nächtlichen Ruhestörungen ist der Stadtverwaltung von einigen besonders betroffenen Anwohnern bereits vorgetragen worden. Anlässlich eines Ortstermins im vergangenen Jahr wurden die Sorgen auch dem Oberbürgermeister mitgeteilt. Besonders verletzend erinnern einige Anwohner, dass der OB gesagt haben soll, sie, die Anwohner „hätten eben Pech, genau da zu wohnen“, wo sich die Leute am See wohl fühlten.

6. Bis auf die Aufstellung der nachgerade putzigen Schilder, mit dem folgenlosen Appell man solle brav Rücksicht nehmen, ist nichts Wirkungsvolles passiert. Nächtliche Kontrollen finden nach Aussage der Betroffenen nur selten statt. Ob diese Aussage zutrifft, kann ich nicht beurteilen.

7. Einige Bemerkungen zum Verkehr: Nachdem Sie in unserer letzten Korrespondenz und auch in der Beschlussvorlage TUA ö 2017-2561 vom 18.07.2017, Parkraumbewirtschaftung Paradies – Evaluation, erklärt haben, das westliche Paradies könne nicht in das Anwohnerparken einbezogen werden, weil sich bei vier (!) Kontrollen ergeben habe, dass der größte Teil der ermittelten Fahrzeughalter ihren Wohnsitz im Paradies hätten, haben sich die Verhältnisse leider nicht von selbst verbessert: Neben den Sommertagen wird das Gebiet weiterhin ganzjährig als Abstellraum für Geschäftsfahrzeuge, Campingbusse und Studierendenfahrzeuge genutzt, deren Halter eindeutig nicht im Paradies wohnen.

8. Ihre damalige Auffassung, die Anwohner sollten ihre zahlreich vorhandenen Grünflächen auf den eigenen Grundstücken zu Parkraum umwidmen und folglich versiegeln, um die Lage zu entspannen, dürfte angesichts des aktuellen Freiraumkonzepts der Stadt (vergl. Amtsblatt vom 03. April 2019) und der Aufwertung von Grünflächen im Zuge des „Klimanotstands“ überdacht werden müssen. Hinzu kommt, dass die Grünflächen auf den einst bäuerlichen Grundstücken westlich der Europastraße im Zuge des Zollhofbaus im Jahr 2000 als Ausgleichsflächen ausgewiesen wurden und eben gerade nicht versiegelt werden dürfen. Ich sehe sehe in dieser Haltung der Verwaltung einen auffälligen Widerspruch zu ihrer sonstigen Linie, um jede Grünfläche zu kämpfen.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, die Unzufriedenheit im Stadtquartier Westliches Paradies wächst, die dortigen Bewohnerinnen und Bewohner fühlen sich von der Stadtverwaltung allein gelassen, etliche haben den Eindruck gewonnen, sie würden mit ihren Sorgen gar nicht ernst genommen. Die Erbitterung nimmt zu, die Verwaltung – bekanntermaßen um Bürgernähe bemüht – sollte diese Gemengelage an Problemen nicht ignorieren.

Nach meiner eigenen Einschätzung wäre durch einige konsequente Maßnahmen in wesentlichen Ärgernissen leicht Abhilfe zu schaffen:

1. Noch häufigere Kontrollen durch den Ordnungsdienst und strenges Vorgehen gegen Falschparker, die Rettungswege blockieren.

2. Konsequentes Freihalten der vielfach zugeparkten Wendeplatte am Ende der Fischenzstraße von Fahrrädern – notfalls nach dem Vorbild der Stadt Amsterdam, die falschparkende Fahrräder einsammelt und von den Haltern auslösen lässt.

3. Aufstellen und Leeren größerer Müllbehälter entlang der Seeuferpromenade von der Fischenzstraße bis zur Neuen Rheinbrücke, dem Vorbild von Bahnhöfen folgend mit der Möglichkeit zur konsequenten Mülltrennung.

4. Regelmäßige Kontrollen des Ordnungsdienstes gegen Umweltsünder, die an der Seepromenade Müll nicht ordnungsgemäß entsorgen bzw. in den See werfen. Im Spezialfall der Zigarettenkippen entwickelte die Stadt jüngst eine klare Haltung, die auch auf Müll am Seeufer anzuwenden sein sollte.

5. Konsequentes Vorgehen gegen massive Ruhestörungen (Einsatz von über das Wasser schallenden Musikboxen, Instrumentalmusik, nächtliches Baden unter lautem Gegröle) nach 22 Uhr.

6. Aufstellen einer ausreichend großen entgeltpflichtigen Toilettenanlage auf einer kleinen Aussparung des Sportplatzes am Beginn der Seepromenade im unteren Paradies. Der Hinweis auf die Toiletten an der Neuen Rheinbrücke verfängt nicht: Mütter mit ihren Kleinkindern schaffen es nicht bis dorthin, sie verschwinden mit den Kindern im nahen Gebüsch. Jugendliche sind schlicht zu bequem, die 500 Meter zurück zu legen, sie erleichtern sich an Zäunen und Hecken. Diese Zustände sind unserer Stadt einfach nicht würdig.

Ihre Antwort und ggf. Ihre konkreten Ankündigungen zu einer Verbesserung der Verhältnisse werde ich den Anwohnerinnen und Anwohnern des Quartiers gerne weiterleiten bzw. durch Aushang an der Martinskapelle bekannt machen.

Mit bestem Dank für Ihre Hilfe und freundlichen Grüßen,

Dr. Tobias Engelsing


MM/hr (Foto: privat; im Bild die meist zugeparkte St. Martinskapelle)