Aktionstag gegen den Horror auf Konstanz‘ Straßen

Am 8. April will die Stadt Konstanz beim Aktionstag „Verkehrssichere Innenstadt“ mit großem Personalaufwand gegen Falschparker und -fahrer vorgehen. Dabei geht es weniger um die zu erwartenden Bußgelder als viel­mehr um Verkehrserziehung. Flankierend sollen Verkehrsrowdies durch Infostände und Aktionen, die an diesem Tag auf der Markt­stätte stattfinden, zu rücksichtsvollen Partnern im Straßenverkehr umerzogen sowie auf alternative Verkehrsmittel hingewiesen werden.

Als Lösung für den Verkehrsstau an Spitzentagen ist der Aktionstag ausdrücklich nicht gedacht. Es geht vielmehr darum, die gröbsten und oft lebensgefährdenden Verkehrsverstöße einmal nachdrücklich zu ahnden. Die Hoffnung ist, die üblichen Verdächtigen vom Falschparken, Benutzen der Busspuren, Zustellen von Feuerwehrzufahrten und der Blockade von Radwegen abzuhalten und nachdenklich zu stimmen.

Der 8. April wurde bewusst gewählt, weil er etwas ruhiger ausfallen könnte. Am Ostersamstag, 15. April, soll dann der erhoffte pädagogische Effekt schon seine entspannende Wirkung tun. Für den 15. wird nämlich der nächste „Hochlasttag“ (Volksmund: „Die Hölle“) erwartet.

100 000 Knöllchen

Hans-Rudi Fischer, Leiter Bürgeramt/Ortspolizeibehörde, nannte einige beeindruckende Zahlen. 2016 wurden in Konstanz erstmals über 100 000 Strafzettel verteilt, und die gemessene Höchstgeschwindigkeit im Stadtgebiet lag bei 174 km/h auf der Europabrücke. Auch im Innenstadtbereich war der Gemeindevollzugsdienst höchst aktiv: Obwohl auf dem Bahnhofsboulevard nun wirklich kaum Platz ist, gab es dort satte 2 547 Knöllchen, und in den oft kaum mehr als handtuchbreiten Straßen Stadelhofens wurden 5  29 Strafzettel in die Scheibenwischer von Falschparkern gesteckt. Vor der Brasserie „Ignaz“ am Bahnhof würde sich, so scherzte Fischer, sogar ein fester Posten locker rechnen, der all diejenigen abkassiert, die verbotswidrig in die Bahnhofstraße fahren.

Insgesamt aber, auf diese Feststellung legte Fischer Wert, ist die Verkehrsmoral nicht schlechter geworden. So seien die Rotlichtverstöße an den fest installierten Einrichtungen, die an 365 Tagen im Jahr blitzen, 2016 um 15 Prozent zurückgegangen.

Als wichtiger Auslöser für diesen Aktionstag gilt der 28.12.2016: Damals war der Fischmarkt illegal so zugeparkt, dass ein schneller Feuerwehreinsatz an der Marktstätte praktisch unmöglich wurde. Zum Glück stellte sich das dortige Feuer als relativ harmlos heraus, aber bei einem größeren Brand oder gar einer Panik wegen eines vermeintlichen Anschlages hätte es wohl Tote gegeben. Das soll der Aktionstag ins öffentliche Bewusstsein rücken. Was also ist am 8. April geplant?

Abschreckung

Von 10 bis 20 Uhr werden Gemeindevollzugsdienst, Polizeipräsidium, Abschleppdienste, Feuerwehr und Verkehrskadetten in voller Besetzung und mit Unterstützung auswärtiger Kräfte antreten, um ausnahmslos sämtliche Verstöße zu bestrafen, die ihnen unterkommen. Der Einsatz der Landespolizei ist wichtig, da die Ortspolizei kein Anhalterecht hat und beispielsweise nicht gegen Autofahrer auf Busspuren vorgehen darf.

Wichtigstes Ziel des Aktionstages ist der Kampf gegen Falschparker und für ausreichend breite Rettungsgassen. Rettungsdienste und Feuerwehr werden mit ihren großen Wagen unterwegs sein, um zu prüfen, ob die Parker ihnen genug Platz lassen. Sie sollen von acht bis zehn Abschleppwagen begleitet werden.

Ein wirkliches Geschäft ist das für die Stadt übrigens nicht: Ein Abschleppvorgang kostet die städtische Kraft 30-45 Minuten, da der Zustand des Autos vor dem Abschleppen genau dokumentiert werden muss. Für etwaige Schäden am Auto ist nämlich die Stadt haftbar, bis die Karre sicher am Haken hängt oder auf der Ladefläche steht. Natürlich ist jemand, der rotzfrech eine Rettungsgasse zuparkt, nach dem Abschleppen und Auslösen seines Autos nur allzu geneigt, von der Stadt lauthals die Reparatur eines auch noch so alten Blechschadens zu fordern. Solchen AutofahrerInnen ist es auch schnurzegal, dass sie Rettungsdienste massiv behindern, was etwa HerzinfarktpatientInnen das Leben kosten kann. Die meisten haben nach Fischers Erfahrungen nicht das geringste Unrechtsbewusstsein. Normale Reaktionen seien „ich wollte nur mal schnell meinen Lottoschein abgeben“ oder „ich habe doch gar nichts gemacht“.

Aufklärung und Abenteuer

Von 10 bis 16 Uhr können sich Interessierte auf der Marktstätte über Verkehrsalternativen für den Besuch der Konstanzer Innenstadt informieren – wer weiß schließlich schon, dass der schweizerische Thurbo am Konstanzer Bahnhof direkt neben dem Lago hält oder dass man auch mal mit dem Schiff zum Einkaufen fahren kann?

Dabei sind u.a. die Radstadt Konstanz, Lastenfahrräder TINK, ADFC, Bus- und Schiffsbetriebe, die Mobilitätszentrale und die Polizei. Sie werden an Infoständen informieren. Dass sie auch nur einen der Falschparker zu Gesicht bekommen werden, die nur mal schnell ihren Lottoschein abgeben wollen, darf getrost bezweifelt werden.

Ein echter Magnet für alle dürften aber einige andere Attraktionen auf der Marktstätte werden: Es gibt dort einen Überschlagssimulator, einen Rettungsgassen-Simulator, einen Gurtschlitten, in dem man einen Auffahrunfall erleben kann – sowie einen Simulator für Trunkenheitsfahrten, in dem man per Datenbrille erlebt, wie schön Autofahren mit 2,9 Promille sein kann, wenn man keine Angst vor der Polizei oder dem morgigen Kater zu haben braucht.

Bußgeld muss wehtun

Der Aktionstag soll zwar bei Erfolg wiederholt werden, kann aber die grundlegenden Probleme nicht lösen. Dafür gibt es eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, die schon länger über einem Verkehrskonzept brütet, was allerdings dauern kann. Hans-Rudi Fischer allerdings ließ einige Maßnahmen anklingen, die er für sinnvoll hält.

Ein großes Problem sind die viel zu niedrigen Bußgelder gegen Autofahrer. Aber diesbezüglich ist die Stadt machtlos, denn die werden bundesweit festgelegt. Ein Beispiel gefällig? Parken im Halteverbot in der Scheffelstraße kostet nur 25 Euro, das Blockieren einer Feuerwehrzufahrt je nach Schwere des Verbrechens schlappe 35-65 Euro. Ein Nasenwasser für jeden standesbewussten Autobesitzer also.

Dass es sich bei den Übeltätern in besonderem Maße um Schweizer handele, bestritt Fischer übrigens nachdrücklich: Nach seiner Erfahrung säßen in Autos mit schweizerischen Kennzeichen oft in der Schweiz ansässige Deutsche, die hier mal so richtig die Sau rausließen. Damit das Falschparken oder die beherzte Falschfahrt durch die Einbahnstraße keinen Spaß mehr machen, müsste man seiner Meinung nach die Bußgelder so anheben, dass sie den Autofahrern richtig weh tun. Er verwies auf das Vorbild Schweiz.

P+R-Parkplätze wenig ausgelastet

Außerdem werden die P+R-Parkplätze etwa an der Europabrücke nur schlecht angenommen. Auf den Einwand, dann müsse man dort halt kostenlose Shuttlebusse im Zehn-Minuten-Takt fahren lassen, erwiderte Fischer, dass die Kosten fürs Parken dort und für den Bus in die Stadt bereits sehr niedrig seien. Hinsichtlich der Busse aber müsse es umgekehrt laufen: Erst wenn dort mehr Fahrgäste warteten, sei ein engerer Takt für die Stadtwerke attraktiv.

Grundsätzlich bemängelte Fischer, dass man aus Platzmangel nicht überall Busspuren einrichten könne. Erst wenn die Menschen sicher gehen könnten, im Bus am Stau vorbeizufahren, werde der für sie attraktiv. Im Bus sitzend im Stau zu stehen. sei für AutofahrerInnen eine wenig verlockende Alternative.

Als weitere Möglichkeit nannte Fischer eine Dosierungsanlage, die die Innenstadt sperrt, wenn sie voll ist, und den Verkehr auf den P+R-Parkplatz zwingt. Allerdings würde das seiner Meinung nach große Diskussionen in der Politik mit sich bringen. Mit anderen Worten: Gegen die (zumeist wohl uneinsichtigen) Autofahrer dürfte das kaum durchzusetzen sein.

Hans-Rudi Fischer vertraut auf die Wirkung des Aktionstages. Er erinnerte daran, dass die Lieferdienste, die noch vor kurzem für Besucher der Innenstadt ein Ärgernis waren, jetzt brav an deren Rand halten und ihre Ware auf Karren durch die Stadt kutschieren. Mit etwas langem Atem, das wollte Fischer damit wohl sagen, bekommt man auch die größten Verkehrsprobleme in den Griff.

Mancher Laie wird allerdings an der Wirksamkeit solcher Symbolpolitik zweifeln. Wer tagtäglich erlebt, dass Rücksichtslosigkeit, Egoismus und Regelbruch mit wirtschaftlichem Erfolg, gesellschaftlicher Anerkennung und einem gelegentlichen Unternehmerfrühstück in vermeintlich besserer Gesellschaft belohnt werden, wird schwer von einem partnerschaftlichen Miteinander ausgerechnet im Straßenverkehr zu überzeugen sein.

O. Pugliese (Foto: Stadt Konstanz)