Aller Abwiegelei zum Trotz: Helmle nicht mehr Ehrenbürger

Die Stadtverwaltung versuchte es mit einem Formulierungstrick, einige bürgerliche Stadträte mit verbalen Relativierungen noch kurz vor der Abstimmung: Dennoch wurde Ex-Oberbürgermeister Bruno Helmle posthum die Ehrenbürgerwürde aberkannt. Mit 20 Ja- und doch 12 Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen beschloss der Konstanzer Gemeinderat, die 1980 ausgesprochene Ehrenbürgerwürde „förmlich aufzuheben“.

Es war mal wieder eine Lagerabstimmung: Das bürgerliche Lager aus CDU, UFG, FWG (da mit zwei Ausnahmen) und FDP stimmte fast geschlossen für die Reinwaschung von Bruno Helmle, das andere Lager aus FGL, SPD und LLK fast geschlossen dagegen. Wenn auch die Mehrheitsverhältnisse nach der ersten Diskussion im Gemeinderat am 1.3. eindeutig schienen, entspann sich gestern dennoch eine 90minütige Debatte, die auch Geschmacklosigkeiten nicht aussparte.

Das lag vor allem an Prof. Eberhard Roth (UFG). Der hatte schon im Vorfeld in zwei Rundschreiben reichlich Stimmung für Helmle gemacht und der Gutachter-Kommission verschiedene „Spekulationen“ und „Vermutungen“ vorgeworfen (seemoz berichtete). In seinen zwei Reden in der gestrigen Gemeinderatssitzung legte Roth, der sich vorab beschwert hatte, von seemoz als „Ewiggestriger“ bezeichnet worden zu sein, noch nach: Er beklagte „demagogische Unterstellungen“, kritisierte die Presse-Berichterstattung und machte damit alles nur noch schlimmer. Denn er beharrte darauf, dass Helmle kein Nazi gewesen sei und dessen Verfehlungen nicht bewiesen werden könnten; auch seine geschmacklose Einlassung, Helmles Bereicherung habe ja nur „reiche Juden betroffen“, wurde wiederholt. Einen Grund für die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde könne er nicht erkennen.

Kompromisse kontra klarer Aussagen

Dem pflichteten während der Debatte nur die CDU-Gemeinderäte Wolfgang Müller-Fehrenbach, Andreas Ellegast und Roger Tscheulin zu, ohne allerdings zitierungswürdige Argumente zu liefern. Bereits zu Beginn der Diskussion hatte OB Horst Frank versucht, den Gemeinderat auf einen Kompromiss einzuschwören: Man solle es doch, so der Vorschlag der Stadtverwaltung, bei der Ehrenbürgerwürde für Helmle belassen, aber mit einigen kritischen Formulierungen auf dessen Verstrickungen in der Nazizeit und seine Vertuschungsversuche in der Nachkriegszeit hinweisen.

Das rief einen wütenden Jürgen Leipold (SPD) auf den Plan. Er hatte wohl schon 1980 gegen die Ernennung Helmles zum Ehrenbürger gestimmt und verurteilte auch jetzt „den Mythos einer sauberen Verwaltung unter der NS-Herrschaft“. Vor allem stört ihn noch heute, „wie mit solchen Verfehlungen umgegangen wird“. Wie auch Werner Allweiss (FGL) begründete er damit seine Ablehnung der Kompromissformel der Stadtverwaltung und beharrte auf einer Aberkennung des Ehrenbürger-Titels.

Herbe Kritik an Roth

Und dann brach über Eberhard Roth die vernichtende Kritik seine Gemeinderats-KollegInnen herein: Holger Reile (LLK) sprach von der „Verranntheit“ des Kollegen Roth, plädierte für eine förmliche Aberkennung der Ehrenbürgerschaft und begrüßte den Vorschlag, eine Expertengruppe mit der Prüfung weiterer, fraglicher Ehrenbürgerwürden zu betrauen. Hanna Binder (SPD) fragte, warum „Roth und andere nicht aus der Geschichte lernen wollen“ und warf ihm vor, „Täter und Opfer zu verwechseln“. Peter Müller-Neff (FGL), der sich als guter Bekannter Helmles outete, beklagte, dass Helmle „nie Reue gezeigt habe“, und Jürgen Ruff (SPD) verwies darauf, dass „solche Rechtfertigungsversuche nur aktuellen Opportunismus“ erzeugten. Vera Hemm (LLK) verteidigte die Historiker gegen Roths Vorwürfe und forderte den Gemeinderat auf, „gegen das Verschweigen“ konsequent anzugehen. Anne Mühlhäußer (FGL) schließlich verwahrte sich gegen den Roth-Antrag auf geheime Abstimmung: „Geht es um die Furcht, sich nicht bekennen zu wollen?“ Roth zog dann auch schleunigst seinen Antrag auf geheime Abstimmung zurück.

Der gescholtene Roth zeigte sich uneinsichtig. Er verwies auf seine Jugenderfahrungen in der DDR und bediente einmal mehr das Klischee von der Gleichsetzung kommunistischer Zwangssysteme mit der Nazi-Diktatur. Entsetzt zeigte er sich von den Vorwürfen seiner Kollegen und ungerecht behandelt obendrein. Es bleibt der Eindruck: Ein alter Mann beharrt auf seinen Vorurteilen.

Neben der überzeugenden 20:12:5-Entscheidung stimmte der Gemeinderat auch einstimmig für die Einsetzung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe, die Neuformulierungen auf den websites der Stadtverwaltung zu diesem Thema versuchen soll.

Autor: hpk

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