Alles nur Lippenbekenntnisse von Rainer Ott?

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Beschädigt: Rainer Ott

Am Ende sind die Bürger die Dummen, wenn die Verwaltung wieder mal einen Bock schießt, denn sie zahlen letztlich die Zeche. Dass die Verwaltungsspitze dann aber weiterhin auf dem hohen Ross sitzt, für nichts Verantwortung übernehmen will und den Bürgern die Nase dreht, wollten einige Gemeinderätinnen und -räte vorgestern in der Konstanzer Gemeinderatssitzung  dann doch nicht hinnehmen. Hauptperson: Mal wieder Rainer Ott, alter und neuer Geschäftsführer am Krankenhaus, der alle Vorwürfe an sich abperlen ließ. Von Selbstkritik keine Spur.

Der Geschäftsführer des Klinikums geriet unter heftigen Beschuss. Trotzdem – und für den Zuhörer nicht ganz nachvollziehbar – stimmte der Gemeinderat der Bestellung Otts zu einem der beiden Geschäftsführer der neuen kreisweiten Krankenhauslösung zu.

Krankenhaus ahoi?

So viele Väter und Mütter hatte noch kaum ein (zumindest vermeintlicher) Erfolg in Konstanz wie der durch wirtschaftliche Zwänge bedingte Eintritt des Konstanzer Krankenhauses in den neuen Krankenhausverbund des Landkreises. Auf einmal gibt es im Konstanzer Gemeinderat keine Privatisierer mehr, die das Krankenhaus an einen Konzern verscherbeln wollen, sondern nur noch eingefleischte Anhänger der entstehenden Kreislösung, die betonen, sie seien Gläubige schon der allerersten Stunde. So viel Einmütigkeit war selten wie bei dieser Abstimmung über insgesamt 20 Einzelpunkte, in denen die Konstanzer die in langwierigen Verhandlungen erzielte Fusion der Krankenhäuser im Landkreis absegneten.

Bei aller Einigkeit gab es denn doch Bedenken in Einzelpunkten. Vera Hemm (Linke Liste) beantragte im Vorfeld, die erst als späterer Tagesordnungspunkt 7 geplante Beratung über das üppige Rechtsanwaltshonorar für den Rechtsbeistand der Stadt im Fall des geschassten Chefarztes Gert Müller-Esch vorzuziehen, weil man mit der Zustimmung zur Krankenhausfusion auch den Konstanzer Klinikums-Geschäftsführer Rainer Ott zu einem der beiden neuen Geschäftsführer des Kreisverbundes bestimmen solle (der andere wird der Singener Peter Fischer). Da wisse man doch gern vorher, ob Ott in der Sache Müller-Esch Fehler gemacht habe oder nicht. Dieser Antrag wurde mit breiter Mehrheit abgelehnt, und so ging es denn gleich sehr ausgiebig zur Sache Krankenhaus.

Bürgermeister Claus Boldt beschrieb das Geschehen des vergangenen Jahres. In den langwierigen Verhandlungen zwischen dem Landkreis, den Konstanzern, den Singenern und anderen Beteiligten wie der Personalvertretung hätten alle Seiten Federn lassen und Kröten schlucken müssen. Er baute ebenso wie Oberbürgermeister Horst Frank ein gewisses Bedrohungsszenario auf: Nach den diffizilen Verhandlungen über die Kreislösung könne nicht mehr sinnvoll nachverhandelt werden. Wer im Gemeinderat jetzt auch nur einen der 20 Einzelpunkte ändern wolle, mache angesichts der Komplexität des Gesamtpaketes intensive Nachverhandlungen aller Beteiligten nötig und gefährde damit diese Lösung. Entweder stimme also der Gemeinderat Konstanz dem jetzt vorliegenden Verhandlungsergebnis zu, oder das Konstanzer Krankenhaus müsse privatisiert werden, weil man ein anderes Verhandlungsergebnis im Kreis nicht mehr hinbekommen werde.

Allerdings schwebt noch ein Damoklesschwert über der Kreislösung: In Singen wird es einen Volksentscheid geben, ob die Singener Bürgerinnen und Bürger dazu bereit sind, den HBH-Klinikverbund in die Kreislösung einzubringen. Nachdem der Singener Gemeinderat sich für die Kreislösung ausgesprochen hat, haben einige wild gewordene Singener Kirchturmspolitikerinnen und -politiker, die finden, ihr prächtiges Klinikum werde hier unter Wert an den Landkreis hergeschenkt, diese Volksabstimmung initiiert, von der man getrost das Schlimmste erwarten darf.

Plötzlich sind alle für die Kreislösung

Klinikums-Geschäftsführer Rainer Ott skizzierte noch einmal die Ausgangslage: Vor 20 Jahren noch hätte niemand gedacht, dass Krankenhäuser einmal zu einem milliardenschweren Wirtschaftszweig in der Hand von Privatunternehmen werden könnten. Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen wie immer höherer gesetzlicher Qualitätsanforderungen, des immer teureren medizinischen Fortschrittes und der Mobilität der Patienten, die bereit sind, für eine gute Versorgung auch weite Wege bis in die Schweiz und hohe Zuzahlungen in Kauf zu nehmen, hätten mittelgroße Häuser wie die in Konstanz oder Singen allein keine Chance mehr. Nur durch einen Verbund sei es möglich, in solchen Häusern Schwerpunkte zu setzen und Finanzmittel zu konzentrieren. Träten diese Häuser allerdings in Konkurrenz zueinander, seien sie wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Jedes Krankenhaus müsse sich neben der medizinischen Grundversorgung auf einige Bereiche konzentrieren (die, so darf man schließen, dann in den anderen beteiligten Häusern wegfallen). Und ähnlich wie Kennedy im Juni 1963 in Berlin verkündete „Ish bin ein Bearleener“, lautet das Ottsche Bekenntnis heute: „Ich war und bin ein Verfechter der Kreislösung.“ So manche im Gemeinderat rollten in diesem Moment verzweifelt mit den Augen.

Auch Elisabeth Keller, Personalratsvorsitzende des Klinikums, sprach sich nicht zum ersten Mal für die Kreislösung aus. Sie betonte, dass die Personalvertretung zur Frage der Besetzung des Aufsichtsrates nicht gehört worden sei und sich eine bessere Mitbestimmung gewünscht hätte als jetzt vorgesehen. Auf der anderen Seite sei es aber begrüßenswert, dass nach dem Betriebsübergang für weitere fünf Jahre ein Kündigungsschutz gelten wird.

Insbesondere die SPD, und hier zuvörderst Jürgen Puchta und Hanna Binder, forderten, zumindest in Sachen Vertretungssrechte für die Beschäftigten nachzuverhandeln. Das könne das Gesamtpaket – anders als von der Verwaltungsspitze behauptet – nicht gefährden. Auch Jürgen Leipold (SPD) forderte ausdrücklich „eine Lösung im Interesse der Beschäftigten und Patienten, nicht eine im Interesse der Geschäftsführer“.

Ewald Weisschedel (FWG) sieht in der Kreislösung die einzige sinnvolle Möglichkeit, denn seiner durchaus kapitalismuskritischen Meinung nach orientieren sich private Krankenhauskonzerne oft nicht am Wohl der Patienten, sondern am eigenen, wirtschaftlichen Erfolg. Allerdings kritisierte er, dass in der neuen Geschäftsführung der Kreislösung kein Mediziner vertreten sei. Die umfassendsten Einwände hatte aber wie so oft der in der Materie bewanderte Eberhard Roth (UFG), der bei einigen Einzelpunkten monierte, hier solle man Dokumenten zustimmen, die man noch gar nicht gesehen habe, was einer Blankovollmacht für die Verwaltung gleichkomme. Vor allem auf sein Nachfragen stellte sich denn auch heraus, dass der 2014 kündbare Vertrag mit Klinikums-Geschäftsführer Rainer Ott durch einen neuen Vertrag mit fünfjähriger Dauer ersetzt werden soll.

Der Gemeinderat stimmte schließlich der Kreislösung mit breiter Mehrheit zu. Auffällig war die Enthaltung von Jürgen Wiedemann (UFG), der verlautbarte, er misstraue einer Lösung, bei der jemand (womit er wohl Rainer Ott gemeint haben dürfte), der das Konstanzer Krankenhaus über Jahre heruntergewirtschaftet habe, jetzt wieder an führender Stelle beteiligt sei.

Und man darf sich in der Tat fragen, was die – wirtschaftlich wohl unausweichliche – Kreislösung den Patientinnen und Patienten und den Beschäftigten bringen wird. Vera Hemm wies darauf hin, dass in letzter Zeit im Konstanzer Krankenhaus 18,56 Vollkräfte abgebaut worden seien, darunter 13,8 Stellen im Pflegebereich, dabei sei das Personal schon jetzt überfordert. Es lässt sich absehen, dass der wirtschaftlich motivierte Zusammenschluss nur dann ein (wirtschaftlicher) Erfolg werden kann, wenn an den einzelnen Standorten ganze Abteilungen dauerhaft geschlossen werden, was zwangsläufig Auswirkungen auf Patienten wie Beschäftigte haben wird.

Die unendliche Müller-Esch-Geschichte

Im Rechtsstreit um die Entlassung des Chefarztes Gert Müller-Esch, die auf Betreiben der Verwaltung von einer Mehrheit des Gemeinderates (mit 18:11 Stimmen) beschlossen worden war, hat die Stadt Konstanz sich vor Gericht bekanntlich eine blutige Nase geholt. Mindestens 850 000 Euro kostete es die Stadt, den kritischen Arzt loszuwerden, und die Niederlage kam ziemlich überraschend, hatte man sich doch der vermeintlich allerbesten Rechtsberatung versichert: Harald Endemann von der Münchener Kanzlei Seufert vertrat und beriet die Stadt in diesem Verfahren und ließ sich seinen Beistand üppig honorieren. Seine Rechnung über rund 170 000 Euro allein für seinen Einsatz in diesem einen Arbeitsgerichtsprozess brachte den Gemeinderat jetzt erheblich in Wallung.

Nachdem Roger Tscheulin für die CDU beantragte, die Anwaltsrechnung von der Anwaltskammer begutachten zu lassen, denn 540 Stunden zu je 300 EUR erschienen ihm deutlich überzogen, grummelte es in der Volksvertretung untergründig wider den vermeintlich raffgierigen Rechtsanwalt. Doch die Anwältin Regine Rebmann (FWG) setzte dem Gremium ein fachliches Licht auf: Dieser Stundensatz sei zwar hoch, aber nicht zu beanstanden, und auch den Aufwand von 540 Arbeitsstunden werde ein Anwalt wie dieser sicherlich belegen können. Es sei also nicht damit zu rechnen, dass an der Höhe der Anwaltsrechnung noch zu rütteln sei.

Holger Reile von der Linken Liste stellte die Frage, wer den Gemeinderat denn damals überhaupt in diesen Prozess getrieben habe, der insgesamt rund 1 Million Euro gekostet und bundesweit das Konstanzer Krankenhaus lächerlich gemacht habe. Für dieses Desaster sei Rainer Ott verantwortlich – wieso, so wollte Reile wissen – habe der eine zudem noch sehr teure Kanzlei in München beauftragt und damit immense Reisekosten in Kauf genommen, statt sich eine mit dem Arbeitsrecht vertraute Kanzlei vor Ort zu suchen? Rainer Ott verteidigte sich damit, dass er sich bei der Anwaltswahl vom Kommunalen Arbeitgeberverband habe beraten lassen, weil er jemanden brauchte, der sich sowohl mit dem Arbeitsrecht als auch mit den speziellen Bedingungen eines Krankenhauses auskenne. Mit sichtlicher Empörung wies er Holger Reiles Frage zurück, ob es vielleicht private Beziehungen zu dieser Kanzlei gegeben habe.

Aber so leicht kam Rainer Ott denn doch nicht davon: Regine Rebmann hakte nach, ob man denn nach den Rechnungen im Vorfeld nicht aufgewacht sei und warum es im Vertrag mit Rechtsanwalt Endemann keine durchaus machbare Kostendeckelung gegeben habe? Eberhard Roth (UFG), mit dem Konstanzer Krankenhaus bestens vertraut, betonte im Gegensatz zur CDU, die Kritik richte sich letztlich nicht gegen den Anwalt, sondern gegen Klinikums-Geschäftsführer Rainer Ott, der nicht sparsam gewirtschaftet habe.

Rainer Ott gab sich für einmal lernfähig

Auf den Punkt brachte die ganze Angelegenheit dann wiederum Regine Rebmann, die darauf hinwies, dass der unterlegene Anwalt Endemann der Stadt Konstanz 173 000 Euro abgeknöpft, während der Anwalt der siegreichen Gegenseite 66 000 Euro in Rechnung gestellt habe. Von dieser Differenz von rund 100.000 Euro hätte man vier Krankenschwestern ein ganzes Jahr lang bezahlen können. Rainer Ott gab sich für einmal lernfähig und versicherte, man werde das in Zukunft anders handhaben. Holger Reile, der sichtlich nicht vergessen hatte, wie ruppig und herablassend Ott als Geschäftsführer des Klinikums mit der Personalvertretung des Krankenhauses umzugehen pflegt, vermutete dahinter ein Lippenbekenntnis und warf Ott unter viel Beifallsgemurmel auch aus anderen politischen Lagern vor, er habe „nicht einmal den Charakter, sich hinzustellen und zuzugeben, dass er Scheiße gebaut“ habe. Selbst die doch meist versöhnende Brigitte Leipold (SPD) ermahnte Ott mit dem Unterton einer besorgten Mutter, er müsse endlich versuchen, sich menschlich zu ändern, offener zu werden und mit den Menschen zu reden. Man merkt, Rainer Ott hat nicht zuletzt ob seiner Gutsherrenart nicht mehr viele Freunde im Konstanzer Gemeinderat.

Am Schluss entschied sich eine Mehrheit des Gemeinderates für den CDU-Antrag, die Honorarabrechnung des Anwalts Endemann durch die Rechtsanwaltskammer prüfen zu lassen. Vor allem Regine Rebmann sprach dagegen, weil dabei nichts herauskommen werde außer weiteren Kosten.

Konstanz auf der Witzseite

Als Zuhörer fragt man sich bei dieser Entscheidung unwillkürlich, ob hier nicht auf Initiative der CDU hin der Sack statt des Esels geschlagen wurde und einige Volksvertreter nicht auch von ihrer eigenen Fehlentscheidung, nämlich Müller-Esch überhaupt zu kündigen, ablenken wollen – man darf nämlich nicht vergessen, dass es im Gemeinderat damals durchaus auch zahlreiche Gegner der Kündigung gab. Das Problem dürfte in der Tat kaum Rechtsanwalt Endemann sein, der einfach nur der christlichen Wirtschaftsethik folgend für sich herausgeholt hat, was eben herauszuholen ist – seine Abrechnung infrage zu stellen, wie es der Gemeinderat mit dieser Entscheidung tut, zielt in die falsche Richtung.

Man könnte sich vielmehr fragen, welche Konsequenzen dieser fatale Vertrag mit dem Anwalt für Bürgermeister Claus Boldt und seinen Protegé Rainer Ott haben muss. In einer Stadt, in der man für ein paar mitgenommene Maultaschen im Wert weniger Euro seinen Job verliert, wirkt es geradezu skurril, wenn hochdotierte Verwaltungsmenschen einfach vor dem Gemeinderat ihre Hände in Unschuld waschen, nachdem sie einen derartigen sechs- bis siebenstelligen Betrag in den Sand gesetzt haben.

Man darf nicht vergessen, und darauf wies Vera Hemm (Linke Liste) hin, dass zudem auch das Rechnungsprüfungsamt gerade die Geschäftsleitung des Klinikums für die freihändige Vergabe eines Auftrages über 140 000 Euro gerüffelt hat. Auch hier sprang Claus Boldt seinem Klinikum-Geschäftsführer Rainer Ott ziemlich leichthin bei: Man habe so aus Zeitnot handeln müssen und er „gehe davon aus, dass die Geschäftsführung sich künftig an die Regeln hält“, was einschließt, dass sie das bisher nicht getan hat.

Das Duo infernale Boldt/Ott könnte durchaus Gewähr dafür bieten, dass Konstanz auch in Zukunft regelmäßig in den überregionalen Medien vertreten sein wird – auf der Witzseite.

Autor: O. Pugliese