ALM: Gladiatoren – Helden des Kolosseums

Das Archäologische Landesmuseum (ALM) Baden-Württemberg in Konstanz zeigt ab heute bis zum 8. Oktober die Sonderausstellung „Gladiatoren – Helden des Kolosseums“, die aufgrund ihres populären Themas voraussichtlich zahlreiche Besucher anziehen wird. Wer glaubt, um einen der spektakulären Kämpfe auf Leben und Tod live sehen zu können, habe man nach Rom fahren müssen, irrt: Einige der Arenen standen auch in unseren Gegenden.

Sie sind ein fester Bestandteil unseres Bildes von der römischen Antike: Gladiatoren, die sich in den Militärs abgeschauten Rüstungen oder mit Netz und Dreizack zur Begeisterung der Volksmassen in der Arena killten oder im Kampf gegen wilde Tiere starben: Ob Ben Hur oder Spartacus, ob Asterix und Obelix oder Russel Crowe, ohne die todesmutigen Helden der Arena kommt kaum ein Spielfilm über das antike Rom über die Runden.

Unterhaltungswert

Die Konstanzer Ausstellung wurde, und das ist ungewöhnlich, von einem Designer und einem Wissenschaftler gemeinsam gestaltet, um ein „erlebnisorientiertes“ Gesamtkonzept zu verwirklichen, was so viel heißt, dass auch Kinder, die an einem verregneten Sonntag ins Museum verschleppt werden, auf ihre Kosten kommen: Es gibt Waffen und Ausrüstungsstücke zum Ausprobieren, und wer sich mal in einen der schweren Gladiatorenhelme gezwängt hat, möchte darunter sicher nicht mehr auf Leben und Tod kämpfen. Dafür gibt es allerdings auch schicke Holzschwerter, wie sie die Gladiatoren zum Üben benutzten, die jugendliche Ödipusse zur Übung hinter dem Rücken ihres Vaters schwingen können.

Aber Spaß beiseite, und mit dieser Erkenntnis werden wohl viele Besucher*innen das ALM verlassen: Manche Gladiatoren wurden zwar nach ihrer harten zweijährigen Ausbildungszeit während ihrer dreijährigen Kampfphase zu echten Stars, für viele aber endete dieser Beruf eben auch tödlich – es war unverfälschtes, von profitgierigen antiken Unternehmern organisiertes Showbusiness, in dem nicht nur Freiwillige, sondern auch Kriegsgefangene und andere „Zwangsarbeiter“ zur Unterhaltung der breiten Massen ihr Leben riskieren mussten. Nach heutigen Schätzungen starb bei 10%-20% der Kämpfe einer der Kämpfer; in der Antike, in der Kampfesmut und Todesverachtung zentrale Werte waren, machte man davon wenig Aufhebens, wie die Gladiatoren überhaupt in der antiken römischen Literatur keinen nennenswerten Raum einnehmen (ähnlich wie der Götterhimmel, der auch niemanden ernsthaft interessierte).

Es ging ums Geld und ums Leben

Damit die Gladiatoren eine gute Show bieten konnten, erhielten sie in einer speziellen Schule zwar eine intensive und damit kostspielige Ausbildung, eine gute, weitgehend pflanzliche Ernährung und eine für die damalige Zeit hervorragende medizinische Versorgung.

Aber das alles geschah nicht aus Menschenliebe, sondern war ein Investment, damit der Besitzer der Schule sie möglichst teuer an die Veranstalter von Spielen vermieten konnte, die dem Volk ein großartiges Schauspiel liefern wollten, um ihre Popularität zu steigern. Dass viele Politiker ihre gesteigerte Beliebtheit dann dazu nutzten, einen tiefen Griff in die öffentlichen Kassen zu tun und haufenweise Schmiergelder auf sich zu ziehen, verstand sich von selbst, denn schließlich sollten sich die Spiele ja auch finanziell lohnen.

Stars von damals

Man merkt schnell: Gladiatoren hatten zwar, wenn sie lang genug überlebten, das Zeug zu Stars, aber echte Helden waren sie wahrlich nicht, und ihr geschäftliches Umfeld ein ziemlich zwielichtiges. Man schätzt, dass es im Römischen Reich etwa 200 Amphitheater gab, die für solche Spiele geeignet waren (aber auch andere Belustigungen wie spannende Hinrichtungen oder Kämpfe exotischer Tiere boten). Einige waren aus Stein errichtet, viele aber auch aus Holz, weshalb von ihnen nicht mehr viel zu sehen ist. Neben den großen wie in Rom oder El Djem gab es auch kleine, die für Unterhaltung in der Provinz sorgten. Daher präsentiert die Ausstellung auch „Originalfunde aus den nördlichen Provinzen, darunter drei Mosaike von Gladiatoren aus der damaligen großen Römerstadt Augusta Raurica, dem heutigen Augst (Schweiz), die zu den schönsten Darstellungen von Gladiatorenkämpfen der Antike gehören. Obwohl man sich nördlich der Alpen schwer tat, exotische Tiere wie Löwen aus Afrika zu importieren, war es trotzdem möglich, an ‚Bestien‘ für die Kämpfe zu gelangen. Die Stele eines Ursarius, eines Bärenfängers aus Xanten, zeugt davon“, erläutert das ALM. Wo es keine teuren Löwen gab, musste halt das größere Viehzeug aus den germanischen Wäldern herhalten, das ob seiner Exotik auch bis nach Rom exportiert wurde. So dürfte denn mancher Bär oder Auerochse aus den Wäldern um den Bodensee auf seinem Transport in die Arenen des Südens mehr von der damaligen Welt gesehen haben als die meisten seiner menschlichen Zeitgenossen.

Und was hat es mit dem nach unten gestreckten Daumen auf sich, der zum Ende des Kampfes den Tod des unterlegenen Kämpfers bedeutete? Er ist nach Auffassung des wissenschaftlichen Kurators der Ausstellung, K. Felix Hillgruber, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. In der Antike wurde wohl eher durch Gebrüll über Leben und Tod entschieden.

Heute nennt man das „Torjubel“.

Informationen zur Ausstellung

Was: Gladiatoren – Helden des Kolosseums. Sonderausstellung des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg mit zahlreichen Exponaten aus dem In- und Ausland.
Wann: 06.04. – 08.10.2023. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr; montags geschlossen, außer an Feiertagen.
Wo: Hauptsitz des Archäologischen Landesmuseums Baden- Württemberg, Benediktinerplatz 5, 78467 Konstanz, Telefon 07531 9804-0, E-Mail info@konstanz.alm-bw.de
Wie groß: 330 m².
Wofür: Eintritt regulär: 8 Euro, ermäßigt: 6 Euro, Kinder/Jugendliche bis 18 Jahre frei.
Was noch: Öffentliche Führungen: Di., Mi., Fr., 14.00 Uhr, Do., 16.00 Uhr, Sa., So., feiertags, 11.00 Uhr und 14.00 Uhr, Kosten: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro; Gruppenführungen auf Anfrage; Termine für Kuratorenführungen auf www.alm-bw.de.

Text und Photos: Harald Borges, Bild oben: Wissenschaftlicher Projektleiter Dr. K. Felix Hillgruber, gestalterisch-technischer Projektleiter Simon Neßler M.A. (die beiden rechts); Gemälde: Jean-Léon Gérôme, Pollice verso (1872) – dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers. Link zum Lizenzbaustein für die United States public domain.

In der ersten Version dieses Textes war irrigerweise von einem „Fünfzack“ die Rede, dieser Fehler wurde korrigiert. HB