Alter Bannweg: Umstrittene Anschlussunterbringung

Nahe dem Alten Bannweg am Hauptfriedhof sollen unter anderem weitere, dringend benötigte Anschlussunterkünfte entstehen. Die Pläne dazu wird die Verwaltung den interessierten BürgerInnen am 23.10. präsentieren. Doch schon im Vorfeld regt sich Widerstand: AnwohnerInnen befürchten eine Minderung ihrer Wohnqualität, und das Konzept einer Unterbringung nicht in kommunaler Regie, sondern unter der Leitung einer religiös motivierten Stiftung stößt auf Skepsis. In der Veranstaltung morgen könnte es also hoch hergehen.

Die Stadt Konstanz, die für die dauerhafte Unterbringung Geflüchteter verantwortlich ist, sowie diese aus einer der vom Landkreis geführten Erstunterbringungen ausziehen dürfen, hat nicht geliefert. Nach Angaben der Verwaltung aus dem Juli fehlen Wohnmöglichkeiten für rund 775 Menschen. Sie wohnen weiterhin in den Erstunterbringungen des Landkreises, an den die Stadt dafür eine Ausgleichsabgabe zahlt. Seit der Errichtung der Anschlussunterkünfte Zergle, Schottenstraße und Egg ist schlichtweg nichts mehr geschehen.

Jetzt hat die Stadt sieben zusätzliche Flächen zur Flüchtlingsunterbringung ausgewiesen, von denen fünf von der Wobak bebaut werden sollen. Zwei weitere sollen in einer Art Public-Private-Partnership an eine Stiftung vergeben werden, die dort unter anderem ein eigenes integratives Wohnmodell zu etablieren gedenkt. Den Start soll eine Fläche am Alten Bannweg am Hauptfriedhof machen.

Der Bauplatz

In einer Medienmitteilung der Stadt heißt es dazu: „Wohnraum für geflüchtete Menschen mit Bleiberecht zu schaffen ist eine wichtige Aufgabe für Städte und Kommunen. Auch die Stadt Konstanz setzt sich intensiv mit dieser Herausforderung auseinander. In der Ratssitzung am 25. Juli 2019 beschloss der Gemeinderat, der Hoffnungsträger Stiftung eine städtische Fläche am Alten Bannweg für die Errichtung einer Anschlussunterkunft zur Verfügung zu stellen. Die Stiftung aus Leonberg, die sich seit 2013 für Menschen in Not engagiert, plant auf dem Grundstück vier zweigeschossige Häuser mit insgesamt 20 Wohnungen vorwiegend im Bereich des geförderten Wohnungsbaus (einschließlich Geflüchteter) und für MitarbeiterInnen der Technischen Betriebe.“ Insgesamt sind dort 20 Wohnungen in vier Gebäuden geplant, die in zwei Jahren bezugsfertig sein könnten.

Die Nachbarn

Mehrere Nachbarn sind – wie meist bei neuen Bauvorhaben – dagegen. Ihre Einwände sind unterschiedlichster Art. Sie reichen von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Bebauung in diesem Bereich über den Klimanotstand, dessentwegen man keine Grünflächen mehr opfern dürfe, bis hin zum Verweis auf die durch die Neubauten zu erwartenden Verkehrsströme und Parkplatzprobleme. Ein anderer wendet gar listig ein, er sei extra hierher gezogen, weil er erwartet habe, dass dieses Grundstück nie bebaut werde.[1] Ob die nachbarschaftlichen Einwendungen den Neubau verhindern können, muss im Zweifelsfall wohl auf dem Rechtsweg geklärt werden.

Die Stiftung

Der Träger des Neubaus lässt aufhorchen. Es handelt sich um die 2013 gegründete „Hoffnungsträger Stiftung“, die bereits an mehreren Standorten ähnliche Einrichtungen unterhält und außerdem in mehreren Ländern Straffällige und deren Familien betreut. Hinter der Stiftung steht die Familie Merckle, die vor allem durch ihr Pharmaunternehmen Ratiopharm bekannt wurde, aber auch an etlichen anderen Unternehmen beteiligt ist. Auf der Website der Stiftung geht es ziemlich heilig her: Man handelt eigenen Angaben nach aus einem tiefen christlichen Grundverständnis heraus.

Die beschlossene Vergabe von Grundstücken an eine Privatstiftung ist ein äußerst fragwürdiges Verfahren. Einerseits drückt sich die Stadt damit vor ihrer Verantwortung, die darin bestünde, ausreichend Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen. Geschehen ist in den letzten Jahren freilich nichts, wofür das Auslaufen staatlicher Fördergelder nur zum Teil verantwortlich gemacht werden kann. Aber selbst mit den geplanten neuen Wohnungen finden beileibe nicht alle, die einen Anspruch darauf haben, angemessenen Wohnraum. Es ist die Rede davon, dass auch dann erst die Hälfte der Berechtigten halbwegs menschenwürdig untergebracht werden kann.

Zudem übereignet die Verwaltung mit dem Stiftungsdeal einmal mehr städtischen Boden an einen privaten Akteur, der den Grundstückserwerb zur unverhandelbaren Bedingung gemacht hat. Auf den Vorschlag einer Überlassung in Erbpacht reagierte ein Stiftungsvertreter im Gemeinderat höchst unwirsch unter anderem mit der Bemerkung, auch andernorts gäbe es Interessenten genug für die Stiftungshäuser. Ein Hinweis, dass es den Betreibern ganz handfest ums Geschäft geht, denn Gutes tun könnte man schließlich auch ohne Grundbesitz.

Dass Konstanz die Verantwortung für die Unterbringung Geflüchteter ausgerechnet an eine Stiftung delegieren will, kommt nicht von ungefähr. In den vergangenen Jahren ist ein regelrechter Boom solcher Einrichtungen zu registrieren – Folge einer von neoliberalem Privatisierungsdrang besessenen Politik. Sie bereitete zielstrebig rechtlich den Boden, auf dem nun von Reichen ins Leben gerufene Stiftungen geradezu inflationär sprießen. Sie ermöglichen es den gutbetuchten Betreibern nicht nur, ihre als drückend empfundene Steuerlast zu mindern, diese können damit auch zunehmend Einfluss aufs gesellschaftliche Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen nehmen.

In Verbindung mit dem betont religiösen Hintergrund der Hoffnungsträger Stiftung können sich dabei schon ungute Überlegungen einstellen. Beim Gedanken ans Christentum fällt einem heutzutage schließlich weniger der Heilige Martin ein, der seinen Mantel mit einem Bettler teilte, als vielmehr der geistliche Würdenträger, der dem Knaben unters Chorhemd langt und sich anschließend beharrlich weigert, für seine Missetaten vor der schnöden irdischen Gerichtsbarkeit geradezustehen. Vorwürfe in dieser Richtung sind gegen die Hoffnungsträger Stiftung nicht laut geworden. Aber es bleibt ein flaues Gefühl zurück, wenn Geflüchtete einer von religiös motivierten Privatmenschen getragenen Einrichtung anvertraut werden.

In der Flüchtlingsarbeit sollte es weder um Geschäftemacherei noch um glaubensbeseelte Wohnexperimente unter dem Regiment eines Heimleiters gehen, sondern um die langfristige soziale Integration von Menschen nach öffentlich überprüf- und vor allem steuerbaren Standards. Das Zurückdrängen von Kirche und Religion aus dem Sozial- und Bildungswesen ist eine der vornehmsten Aufgaben eines weltlich-demokratischen Staates.

Informationsveranstaltung ist morgen

Am Mittwoch, den 23. Oktober, wollen VertreterInnen der Hoffnungsträger Stiftung und Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn in einer Abendveranstaltung die Pläne, das Baukonzept sowie das Konzept „Integratives Wohnen“ erläuftern. Die Veranstaltung im Sitzungssaal des Verwaltungsgebäudes Laube, Untere Laube 24, beginnt um 19:30 Uhr. Anschließend gibt es eine Fragerunde. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen.

MM/jüg

Anmerkung

[1] Südkurier, 26.09.2019