Altstadträtin Inge Egler ist tot
Inge Egler war vielen in Konstanz ein Begriff. Die Konstanzer Stadt- und Kreisrätin kam für die Freie Grüne Liste (FGL) 1989 in den Gemeinderat und wurde 1994, 1999 und 2004 mit hohem Stimmenanteil wieder gewählt. Sie ist am 22. September im Alter von 92 Jahren verstorben. Nachfolgend veröffentlichen wir die Pressemitteilung der FGL zu ihrem Ableben.
Inge Egler 1930 – 2022
Am 22. September ist unser Mitglied Inge Egler verstorben. Viele Jahre war sie unsere politische Mitstreiterin und für einige unter uns auch treue Freundin. Wir werden sie nicht vergessen.
Inge lebte als Kind im Haidelmoos. Ihr Tagebuch der Inge H. 1943/44 wurde 2015 von ihrer Tochter Christel Thorbecke veröffentlicht. Einmal schrieb Inge in ihr Tagebuch, dass sie gerne Förster werden möchte. Nach dem Krieg musste sie aber Geld verdienen und machte Heimarbeit bei „Elizabeth Arden“, damals ein Kosmetikhersteller am Fuße des Königsbaus. Später wurde es eine volle Anstellung; dann die Leitung über die Fertigwarenabteilung, und Inge ließ sich auch in den Personalrat wählen. Als dessen Vorsitzende setzte sie sich ein paar Jahre später, als der Betrieb geschlossen wurde, erfolgreich für gerechte Abfindungen der Mitarbeiterinnen ein.
Nach dem Wegzug des Kosmetikherstellers entschied sich die mittlerweile 40-jährige Ehefrau und Mutter gegen alle Widerstände, den Beruf der Krankenschwester zu ergreifen. Sie schloss ihre Prüfungen mit Auszeichnung ab und arbeitete bis zu ihrer Pensionierung in den städtischen Krankenanstalten, später Klinikum Konstanz als Krankenschwester, als Intensiv- und schließlich als Hygienefachschwester. Sie war verantwortlich für die Hygiene im ganzen Krankenhaus und bildete auch angehende Pflegerinnen in diesem Fach aus. Sie wurde in den städtischen Kliniken in den Personalrat gewählt und fungierte auch einige Jahre als dessen Vorsitzende. Auch dort hat sie – zwanzig Jahre lang – für die Interessen der Kolleg:innen gekämpft. Ihr alter Spitzname „Rote Inge” stammt aus dieser Zeit und verlor sich erst, als sie Gründungsmitglied der FGL wurde. Fast gleichzeitig mit ihrem Rentenbeginn wurde Inge 1989 Stadträtin der FGL und grüne Kreisrätin. Als Stadträtin wurde sie dreimal glänzend wiedergewählt, bis sie 2009 ihres Alters wegen nicht mehr kandidierte. Zum Ausscheiden aus dem Stadtparlament wurde ihr der Goldene Ehrenring der Stadt Konstanz verliehen.
Inge war ein streitbarer, politisch sehr engagierter Mensch. Ihre Schwerpunkte waren immer der soziale Bereich und natürlich – infolge ihres ehemaligen Berufes in der Krankenpflege – die Gesundheitspolitik. Jahrelang hat sie sich energisch und zäh für eine ausreichende Anzahl guter Pflegeplätze in der Stadt und im Landkreis eingesetzt, und so war sie auch beteiligt an der Errichtung des Pflegeheims am Urisberg, in dem sie zuletzt gewohnt hat. Inge Egler schreckte nie zurück vor harten Auseinandersetzungen, ihre Wortmeldungen bei den Fraktionssitzungen waren immer Weckrufe. Sie konnte aber ebenso herzlich und freundschaftlich sein. Mit ihrem zielstrebigen und mitreißenden Einsatz für sozial Schwache, Alte und Kranke wird sie uns fehlen und Vorbild bleiben.
Bärbel Köhler und Peter Köhler 28. September 2022. Mit Dank an C. und J. Thorbecke für die Ergänzungen.
MM/red; Bild: C. Thorbecke
Das ist ja eine traurige Nachricht. Ich kannte Inge Egler aus gemeinsamer Zeit in der FGL-Fraktion 2000-2002. Keine lange Zeit, aber ich habe und werde sie nie vergessen.
Sie war ohne Zweifel ein Konstanzer Original mit Herzen am rechten Fleck. In meinen Augen sorgte sie immer für eine gewisse Erdung der FGL. Oft hatte sie aus dem Bauch heraus spontan die zündende Idee oder absolut ins Schwarze treffende Einschätzung zu einer Sache. Über die Konstanzer Kommunalpolitik konnte man dabei viel von ihr lernen. Gute erinnere ich mich auch an folgende Wahrnehmung: Wenn ab und an Horst Frank in der Fraktion zu Besuch war (Inge sagte natürlich „Horscht“), schien es mir meist ihre Meinung gewesen zu sein, die er besonders ernst nahm. Vielleicht, weil Inge ein untrügliches Gespür für die Stimmung in der Stadt hatte.
Sehr interessant für mich als Neu-Konstanzerin, die erst seit 20 Jahren hier lebt. Ich hätte sie gerne kennengelernt. Mein Beileid an Christel Thorbecke und Familie.
Und Anselm, du fehlst!
Lieber Anselm Venedey,
Das ist ein sehr schöner Kommentar. Auch Sie kann man in diesen Zusammenhang einreihen. Toll!
Wenn Inge sich im Gemeinderat zu Wort gemeldet hatte, dann wusste man, dass keine hohlen Phrasen folgen würden. Sie ergriff das Wort nur, wenn sie eine Meinung hatte. Ihre Beiträge waren kurz und prägnant, standen oft im Gegensatz zur Fraktionsmeinung und waren nie Parteireden – dafür war sie viel zu parteiisch. Sie kämpfte für den Gesundheitsstandort Konstanz und die Anliegen des Krankenhauspersonals ebenso leidenschaftlich wie für die Kinderbetreuung oder das öffentliche Schulwesen. Wenn sie von einem Thema nichts verstand, dann hatte sie die Grösse, das unumwunden zuzugeben. All das machte sie für mich zu einer Lokalpolitikerin, wie man sie jeder Kommune nur wünschen kann. Ihr Ausscheiden und Vera Hemms liessen den Gemeinderat menschlich und inhaltlich schrumpfen und die Sitzungskultur dahinschmelzen.