Am 22. Juli fällt die Entscheidung
„Jetzt oder nie“. Landrat Frank Hämmerle redete Klartext am Montagnachmittag auf der Sitzung des Kreistages. Ihn nervt der Hickhack um die Klinikfusion sichtlich. Letzte Etappe der Endlos-Diskussion: In den späten Abendstunden des letzten Montags beschloss der Singener Gemeinderat einen Bürgerentscheid am 22. Juli – dann werden die Wahlberechtigten der Stadt Singen entscheiden müssen, ob ihr Krankenhaus dem Klinikverbund auf Kreisebene beitritt oder nicht.
„Das ist das, was wir wollten“, frohlockte Erich Klaus vom Verein „Pro Singen“, der in den vergangenen Wochen 4500 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt hatte, mit dem die Zustimmung der Stadträte vom 24.4. zur Klinikfusion gekippt werden sollte. Sogar OB Oliver Ehret war erleichtert: „Damit haben wir am Abend des 22. Juli Rechtssicherheit.“ Und das gilt, obwohl Juristen der Stadt, des Innenministeriums und des Regierungspräsidiums erhebliche Bedenken an den Formulierungen des Unterstützer-Bescheids hatten – nach Juristenmeinung wäre das Bürgerbegehren nicht zulässig.
Ehret will keinen Eklat
Doch soweit wollte es Ehret wohl nicht kommen lassen. Zwar hat es schon ein Geschmäckle, wenn unterlegene GemeinderätInnen qua Bürgerbegehren einen ordnungsgemäß zustande gekommenen Stadtratsbeschluss kippen wollen, zwar wurde auch in der letzten Sitzung des Gemeinderates bemängelt, bei der Unterschriftensammlung „sei es nicht immer mit rechten Dingen zugegangen“, zwar hält die Formulierung der Bürgerfrage einer juristischen Prüfung nicht stand – doch Ehret plagen andere Sorgen: 2013 ist in Singen eine OB-Wahl, und der amtierende Oberbürgermeister will sich nicht nachsagen lassen, er schlüge das Votum von immerhin 4500 Bürgerinnen und Bürgern in den Wind.
Und deshalb plädierte er selber am Montag für einen Bürgerentscheid. Mit 34 Ja-Stimmen, keiner Nein-Stimme sowie drei Enthaltungen stimmte der Gemeinderat artig zu. Nun also muss die Verwaltung diesen Beschluss flugs veröffentlichen, ab diesem Zeitpunkt läuft eine Frist von 34 Tagen. Da der Bürgerentscheid vor der Sommerpause abgehakt werden soll, bleibt als Termin nur der 22. Juli.
Verzögerung kostet 200 000 Euro pro Monat
Denn die Zeit drängt: Nur wenn bis zum 31.8. die Verträge zur Klinikfusion unter Dach und Fach sind, lassen sich steuerliche Vorteile rückwirkend zum 1.1. 2012 noch geltend machen. Schon heute kostet die Verzögerung – immerhin hätte mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 24.4. die Fusion in trockenen Tüchern sein können – monatlich bis zu 200 000 Euro: Ein Umstand, der den Fusionsgegnern, die allzeit um finanzielle Vorteile streiten, zu denken geben sollte.
Einen Lichtblick jedoch schafft die Entscheidung des Gemeinderates: Der Verein „Pro Singen“ zog seinen Antrag auf ein Bürgerbegehren endgültig zurück. Sodass am 22. 7. mit dem Bürgerentscheid tatsächlich Rechtsklarheit geschaffen wird und weitere Scharmützel nicht mehr erwartet werden dürften.
Dennoch gibt es etliche Fragezeichen rund um die Bürger-Entscheidung am 22. Juli. Wird das immer noch geltende Quorum erreicht, wonach sich 25 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung beteiligen müssen ? Bei der letzten Kommunalwahl sind gerade mal 12.900 Personen von 33.000 Wahlberechtigten zur Wahl gegangen.
Wer „Ja“ will, muss mit „Nein“ stimmen
Und dann muss noch eine Mehrheit zustande kommen. Das aber wird kompliziert. Denn wie schon bei der Abstimmung zu Stuttgart 21 müssen die WählerInnen mit „nein“ stimmen, wenn sie „ja“ meinen. Wer den zustimmenden Beschluss des Gemeinderats vom 24. April aufheben und damit der Klinikfusion eine Absage erteilen will, stimmt mit „ja“ , wer aber die Klinikfusion im Landkreis will (und dem Gemeinderat nicht widerspricht) stimmt mit „nein“. Wer hat sich nur solchen Schmarren ausgedacht?
Doch es bleibt zu hoffen, dass in Singen wieder Frieden einkehrt. Denn „die Stimmung ist vergiftet. Wir müssen mit einer politischen Lösung zur Befriedung kommen“ , so die SPD-Fraktionsvorsitzende Regina Brütsch. Selbst die CDU-Fraktion, deren ehemalige Vorsitzende Netzhammer zu den heftigsten Fusionsgegnern zählt, lenkte ein. Marcus König: „Die CDU stimmt zu und sieht darin eine Chance, Rechtsfrieden und gesellschaftlichen Frieden wiederherzustellen.“
Autor: hpk