„Am Stammtisch gewinnen Sie keinen Blumentopf mehr“
Am 17.10. ziehen Zahide Sarikas und Bernd Sonneck in den Konstanzer Gemeinderat ein. Als Nachrücker für die SPD-Stadträte Brigitte und Jürgen Leipold, die am kommenden Freitag feierlich verabschiedet werden. Im seemoz-Interview berichtet Sonneck (Zahide Sarikas ließ sich leider nicht erreichen) über seine bisherige Arbeit, sein politisches Selbstverständnis und seine zukünftigen Ziele: Sozialer Wohnungsbau! Bildung! Mobilitätsplan! Kostenrahmen für das Konziljubiläum! Man darf sich offensichtlich auf einen Querdenker im Stadtrat freuen
Und wieder eine Wahl: Noch ein gutes halbes Jahr ist Zeit bis zu den Kommunalwahlen 2014. Zeit genug, um als Neuling im Gemeinderat neue Akzente zu setzen? Oder auch nur, um sich zu profilieren (was ja nicht verwerflich ist)?
Im besten Fall gilt beides. Wir warten nicht bis zur Amtseinführung. Wir haben uns als (neue) Fraktion getroffen, unsere Neuaufstellung in Ausschüssen, Beiräten, Arbeitskreisen diskutiert und abgestimmt. Die Stimmung ist übrigens sehr gut! Uns Nachrückern beim Sprung ins Wasser zu helfen, macht erkennbar Spaß, jeder dreht sich anders. Interessenlagen, Argumentationen, Rückmeldungen sind neu. Die Einwohnerschaft ist durch uns Neue sicher auch anders beteiligt. Mir ist sehr daran gelegen, dass wir uns effektiv aufstellen, zügig einarbeiten, weder die KollegInnen im Rat noch in der Verwaltung, natürlich auch nicht unsere WählerInnen zu enttäuschen.
Als Nachrücker der Familie Leipold treten Sie im Gemeinderat ein schweres Erbe an….
Dem widerspreche ich fröhlich! Es wäre vermessen und nicht zweckmäßig, in den Fußstapfen von Jürgen Leipold Maß zu nehmen, ich kann und will das nicht. Andererseits werden wir von ihm und Brigitte Leipold, vor allem aber von Herbert Weber noch viel lernen können. Unterschätzen Sie die Erfahrung langjähriger Räte nicht; sie da, wo es zweckmäßig ist, in die nächsten Generationen mitzunehmen, muss ja kein Fehler sein! Im Übrigen haben wir in unserer Fraktion, mit unseren gestandenen SPD-KollegInnen geballten politischen Sachverstand und Erfahrung. Sehr interessant finde ich die eine oder andere Einschätzung, wenn es um Interessengegensätze, -überschneidungen, um Versuche geht, politische Mehrheiten zu finden. Ich freue mich sehr darauf, alle anderen Ratsmitglieder und Fraktionen im politischen Alltag kennenzulernen!
Wie tief stecken Sie schon in der Konstanzer Kommunalpolitik drin? Man hat von Ihnen bislang nichts zu den drängenden Problemen dieser Stadt gehört.
Drängende Probleme sehe ich im sozialen Wohnungsbau, im überbordenden Individualverkehr und der lange währenden Suche nach dem Mobilitätskonzept; wie professionell künftig Eigenbetriebe wie die Philharmonie aufgestellt sind, wie sozial die Stadt mit den MitarbeiterInnen auch im Verantwortungsbereich ihrer Stiftung umgeht. Soll ich mehr aufzählen? Es gibt wirklich viel zu viel zu tun. Gebeugt laufe ich deswegen nicht.
Sie fragen nach meiner politischen Sozialisierung? Längst wieder zurück in Konstanz, führte mich der erste Versuch, ein Kongresshaus zu installieren, schnurstracks in den Ortsverein der SPD Dettingen-Wallhausen, dessen Vorsitz ich später für sechs Jahre inne hatte. Gern will ich ihm und der Fraktion im Ortschaftsrat als Vorstandmitglied treu bleiben! Meine politische Perspektive wird sich zwangsläufig weiter entwickeln. Für einen Gemeinderat, der wie ich aus Dingelsdorf kommt, wäre es armselig, sich auf die Belange eines Ortsteils zurückzuziehen, er ist für die ganze Stadt da, urbi et orbi. Bereits an der Frage, wie wir den Bustakt, den Nutzerkomfort von den und in die Ortsteile verbessern können, sehen Sie, dass wir das nicht außerhalb der städtischen Gremien schaffen können.
Ich habe mit der SPD vor Ort dafür gesorgt, dass die Ortsteile Dettingen, Wallhausen und Dingelsdorf-Oberdorf durch die Stadt Konstanz und ihre Stadtwerke an das Glasfasernetz angeschlossen wurden – was den Wettbewerb der Telekommunikationsanbieter überhaupt erst möglich machte. Davon profitieren weit über zehntausend Einwohner. Das Anrufsammeltaxi auf dem Bodanrück haben Sie vielleicht noch nicht genützt, es ist eine Erfolgsgeschichte! Mir ist wichtig, über Parteigrenzen hinweg zu denken, zu diskutieren, zusammenarbeiten, um Sachprobleme bestmöglich zu lösen. Was die Medienvielfalt angeht, können wir uns ja nun nicht beschweren, gedruckt und online ist die Auswahl zufriedenstellend. Als Politiker mit schönen Sprüchen zu glänzen wird damit gottseidank immer schwerer. Erfolg werden auch die haben, die verstehen, wie Gesellschaft heute tickt. Neue Medien bieten direkte Wege vom Sender zum Nutzer, klassische Medien, Zeitung und Online-Info also, bieten darüber hinaus bewährtes journalistisches Handwerk, Orientierung, Gegenrecherche, Hintergrund, im besten Fall überlegte Meinung. Wir werden sehen, wie erfolgreich ich, wie authentisch wir „rüberkommen“. Authentizität, Echtheit überzeugt. Am Stammtisch gewinnen Sie keinen Blumentopf mehr!
Derzeit ist die SPD nicht gerade im Aufwind; auch in Konstanz hat Ihre Partei zuletzt stetig an Stimmen und Sitzen im Gemeinderat verloren. Auf welchen Politikfeldern wollen Sie für Ihre Partei vor Ort punkten?
Sie haben völlig recht, so kann das nicht weiter gehen, so wird es auch nicht weiter gehen, die Fraktion der SPD im Gemeinderat wird stärker werden, daran werde ich tatkräftig mitarbeiten! Haltlose Wahlversprechungen werden Sie von mir nicht hören. Zwar wird der Gedanke bekanntlich beim Reden verfertigt, manchmal aber schadet es nicht, erst laut zu sprechen, nachdem man sich beraten hat – Kakophonie, loses Geschwätz fördert Politikverdrossenheit anstatt ihr etwas entgegenzusetzen.
Als Gemeinderat werde ich Mitglied folgender Ausschüsse, Beiräte und Arbeitskreise sein, dies hat die neue SPD-Fraktion soeben einstimmig beschlossen:
• Technischer und Umweltausschuss
• Umlegungsausschuss
• Gemeinsamer Ausschuss der Verwaltungsgemeinschaft Bodanrück-Untersee
• Beirat für Architektur und Stadtgestaltung (Gestaltungsbeirat GBR)
• Kulturausschuss
• Orchesterausschuss
• Arbeitskreis Vergabe zur Förderung neuer Kulturprojekte
Mein besonderes Interesse gilt den digitalen Medien und der Wirtschaftspolitik, einer guten Infrastruktur für eine innovative Wirtschaft. Mein persönliches Anliegen ist die Unterstützung und Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Lebenswert ist eine schöne Stadt wie Konstanz vor allem dann, wenn sie nicht nur idyllisch gelegen ist, sondern auskömmliche Erwerbseinkommen bietet und für ihre Einwohner bezahlbar bleibt! Ansonsten gilt für mich, was ich zu Anfang gesagt habe: Gut vorbereitet in die Sitzungen gehen, sachlich diskutieren – und darauf einwirken, dass die Sitzungen nicht bis nachts um 23 Uhr dauern. Hier müssen wir einen anderen Arbeitsstil finden, mit den Fraktionsvorsitzenden, mit dem OB, mit den Dezernenten.
Wohnungspolitik, Integrationsprobleme, das leidige Thema: Verkehr, aber auch die horrenden Kosten für das Konziljubiläum in den kommenden vier Jahren – was sind Ihre Vorstellungen dazu?
Ich mach’s kurz: Sozialer Wohnungsbau! Bildung! Mobilitätsplan! Kostenrahmen!
Wird Ihr Mandat nur ein Zwischenspiel? Oder treten Sie auch bei den Kommunalwahlen 2014 an?
Ob ich ein drittes Mal mit Aussicht auf Erfolg kandidiere, mache ich davon abhängig, ob ich für meine Person in meiner politischen Heimat SPD erfolgreich um Rückhalt werben kann, man mich weiter haben will. Ich werde ja sehen, wie der Gemeinderat, wie seine Ausschüsse und Beiräte arbeiten, wie die Zusammenarbeit in Sachfragen läuft. Auch das ist mir wichtig. Die Versammlung der SPD-Ortsvereine (von Konstanz und Dettingen-Wallhausen) kann bestimmen, ob sie mich will. Die Entscheidung liegt dann bei den WählerInnen. Mein großer Wunsch ist, dass mehr Leute als bisher wählen gehen und zeigen, dass ihnen unser Staat, unsere Stadt nicht egal sind, das sollte unser Maßstab sein, das beeinflussen wir alle mit.
Autor: hpk