Amazonas-Indianerin rüttelt auf

Konstanz hat den Notstand wegen des Klimawandels ausgerufen, in Brasilien wird er angeheizt. Denn im brasilianischen Amazonas wird die grüne Lunge der Erde von internationalen Konzernen, Soja- und Rinderzüchtern sowie Öl- und Goldsuchern mit Hilfe der ultrarechten Regierung unter dem neuen Präsidenten Jair Bolsonaro noch massiver als bisher angegriffen. Darüber berichtete die Aktivistin Vandria Borari vergangene Woche in einem spannenden Vortrag im Palmenhaus. Nun steht ein weiterer Termin zum Thema an.

Mit der ökologisch unheilvollen Entwicklung in Brasilien einher gehen Entrechtung und Übergriffe auf die indigenen und traditionellen Gemeinschaften. Der rechtsextreme Präsident Bolsonaro wird unter anderem mit dem Satz zitiert, er bedauere, „dass die brasilianische Kavallerie nicht so effektiv war wie die Amerikaner, die ihre Indianer ausgerottet haben.“ Ein erschreckender Hinweis auf seine Haltung, die Schlimmes befürchten lässt. Mittlerweile hat dieser Präsident, der sich auch für staatlichen Mord und Folter ausspricht und ständig Hetz- und Hasstiraden gegen Schwarze, Schwule und politische Kontrahenten absondert, die Gelder für den Umweltschutz praktisch auf Null gesetzt, aber auch nötige Investitionen im Bildungs- und Gesundheitssektor massiv zusammengestrichen.

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Vandria vom Volk der Borari im brasilianischen Staat Para ist die erste Juraabsolventin ihres Volkes. Sie reist derzeit durch Europa, um auf die dramatische Situation der Amazonas-IndianerInnen und die Zerstörung ihrer Heimat aufmerksam zu machen. Sie möchte dadurch internationale Solidarität und politischen Druck auf die neue Regierung, aber auch die beteiligten Unternehmen erzeugen.

Letzte Woche kam die Aktivistin nach Konstanz und hielt im Palmenhaus einen gut besuchten Vortrag. Davor wurde sie im Rathaus von Bürgermeister Andreas Osner empfangen. Ebenfalls dabei war Martin Wichmann, Umweltamtsleiter der Stadt Konstanz. In dem einstündigen Gespräch ging es um die Frage, was die Stadt Konstanz tun könne, um den indigenen Völkern beim Schutz ihrer Heimat zu helfen. Vereinbart wurde zunächst eine Information des Konstanzer Gemeinderates über die aktuelle Problematik. Denkbar wäre zum Beispiel, so ein Vorschlag, bei der städtischen Beschaffung auf Produkte zu verzichten, die nachweislich zu der Zerstörung der Amazonasregion beitragen. Von der Stadtspitze wurde auch angeregt, die Bundesregierung in einem Schreiben aufzufordern, sich stärker für die Rechte der Indianer und den Schutz des Regenwaldes einzusetzen. Eine weitere Idee war die Einrichtung einer Solidaritätspartnerschaft zwischen Konstanz und dem Gebiet der Borari.

Bei ihrem Vortrag im Palmenhaus schilderte Vandria eindrücklich, wie dramatisch die Situation für die indigene Bevölkerung mittlerweile dort ist: Die Soja-Felder werden durch Brandrodung und Holzeinschlag immer weiter ausgedehnt. Dabei kommen toxische und bislang verbotene Agrochemikalien zum Einsatz, die die Gewässer und darin lebende Tiere vergiften, die Plantagen der Kleinbauern zerstören sowie zu gesundheitlichen massiven Beeinträchtigungen wie Atemwegserkrankungen bis hin zu Missbildungen führen. Dezimiert werden durch die eingesetzten Pestizide auch die einheimischen Bienen, die für die Reproduktion des Regenwaldes überlebenswichtig sind.

Namentlich prangerte Vandria unter anderem den deutschen Bayer-Konzern und dessen Tochter Monsanto sowie den niederländischen Konzern Cargill an. Letzterer hat gerade einen riesigen Hafen zur Verschiffung der Agrarprodukte mitten im Amazonas gebaut. Zerstört wurde dadurch auch eine 11.000 Jahre alte archäologische Stätte der Indianer in Santarem. Stark zugenommen haben laut Vandria auch die Morde an der indigenen Bevölkerung in Para.

Um die Expansion des Agrarsektors zu gewährleisten, änderte Bolsonaro die Umweltgesetzgebung und übertrug bereits an seinem ersten Amtstag die Demarkierung indigener Ländereien dem Landwirtschaftsministerium, das die Agrokonzerne unterstützt. Immerhin ein kleiner Trost, wenn auch ein eher kleiner: Durch die anhaltenden Proteste wurde die Demarkierung der Indianergebiete wieder an FUNAI übertragen, der Behörde für indigene Angelegenheiten.

Eine zentrale Forderung von Vandria an die brasilianische Regierung ist, das wichtigste internationale Abkommen über die Rechte indigener Völker, das ILO-Übereinkommen 169, weiterhin umzusetzen. Brasilien hat dieses Abkommen im Jahr 2002 ratifiziert, der Präsident will daraus aussteigen.

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Nach dem Vortrag entspann sich eine intensive Diskussion mit den sichtlich betroffenen ZuhörerInnen. Klar wurde dabei: Viele wollen Solidarität mit dem Anliegen der indigenen Völker Brasiliens zeigen.

Spontan wurde ein weiteres Treffen beschlossen, um gemeinsam zu überlegen, was in Konstanz konkret und wirkungsvoll für die Unterstützung von Vandria und ihrem Volk getan werden könnte. Dieses Treffen findet statt am morgigen Dienstag, 18. Juni, wiederum im Palmenhaus ab 20 Uhr.

Marco Walter (Text & Foto)


Weitere Informationen:
www.survivalinternational.de: 100 Tage Bolsonaro
www.spektrum.de: Für Brasiliens Indigene geht der Kampf wieder los
www.zeit.de: Regenwald vernichten, Indigene vertreiben