Andreas Osner wird neuer Konstanzer Bürgermeister
Bereits im ersten Wahlgang wurde Dr. Andreas Osner zum neuen Bürgermeister in Konstanz gewählt. Als 1. Beigeordneter wird der 44jährige ab 1.7. zum Chef des Dezernats zwei und Stellvertreter des Oberbürgermeisters. In dem für viele überraschenden Wahlausgang setzte er sich gegen Margarita Kaufmann und Ute Seifried, Chefin des Konstanzer Sozial- und Jugendamtes und vorab heimliche Favoritin, durch
Frauen haben offensichtlich keine Chance in der Konstanzer Verwaltungsspitze: Weder Ute Seifried, der viele zuvor die größten Chancen auf den Bürgermeister-Sessel eingeräumt hatten, noch Margarita Kaufmann, die diesen Posten bereits in Friedrichshafen erfolgreich ausfüllte, hatten eine Chance gegen Andreas Osner (s. Foto mit OB Burchardt), der mit mindestens 20 der 39 stimmberechtigten Stimmen im Gemeinderat (das exakte Wahlergebnis wurde nicht bekannt gegeben) bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde.
Dabei wussten die beiden Frauen in ihrer Vorstellung durchaus zu überzeugen: Die einstige Friedrichshafener Bürgermeisterin Margarita Kaufmann (57) empfahl sich gestern im Ratssaal (auch die Zuschauer-Sitzplätze waren vollzählig besetzt) als erfahrene Verwaltungs-Fachfrau mit vielen Ideen zu Problemlösungen beim Pflegenotstand oder beim Thema: Bürgerbeteiligung. Aber auch Ute Seifried (45), die für ihre Präsentation den meisten Applaus erhielt und mit Vorschlägen zu Wohnungsneubau und Schulentwicklung punktete, war offensichtlich chancenlos.
Andreas Osner hingegen, derzeit Geschäftsführer des Vereins „Familiengerechte Kommune e.V.“ in Dortmund und langjähriges SPD-Mitglied, nutzte in seiner überlangen, häufig fahrigen Präsentation geschickt das Wörtchen „wir“, um seine Verbundenheit zu Konstanz zu unterstreichen. Er wartete mit gut recherchierten Zahlen zum Armutszustand in Konstanz auf und forderte bezahlbaren Wohnraum, ohne allerdings konkrete Lösungsansätze aufzuzeigen. Der Umstand, dass er 12 Jahre für die neoliberale „Bertelsmann-Stiftung“ (davon aber viele Jahre im Betriebsrat, wie er wiederholt betonte) gearbeitet hatte, hielt die Gemeinderatsmehrheit nicht davon ab, ihm ihr Vertrauen zu schenken. Vielleicht aber wussten viele Stadträte schlicht nicht genug über diesen bitterbösen Privatisierungsverein.
Nach dem dreistündigen Vorstellungs-Marathon im Gemeinderat herrschte Verwunderung, manches Mal auch Verärgerung vor: Besonders Frauen unter den Gemeinderätinnen und Zuschauern waren empört, wie offensichtlich Frauen in diesem Wahlgang benachteiligt wurden. Die Alt-Herren-Riege hatte sich quer durch alle Fraktionen wohl einmal mehr durchgesetzt – kein gutes Omen für die Amtszeit des neuen Bürgermeisters Osner.
Autor: hpk
Die Frage ist, warum bei den letzten Spitzenbesetzungen in Konstanz die inhaltlich erfahrereren und auch in ihren Präsentationen kompetenter wirkenden Frauen gegenüber sich eher oberflächlicher und rhetorisch ungeschickter erscheinenden Männern leer ausgehen. Die Vermutung, dass Frauen in Konstanz einfach nicht in Spitzenpositionen gelassen werden, liegt zwar nahe, kann aber wenn überhaupt nur eine Ursache für die überraschenden Herren-Wahlen sein. Was mir immer wieder auffällt ist, dass sich Bewerber_innen, welche sich mit Detailwissen und klaren Konzepten vorstellen, genau durch ihre Konkretheit Angriffsflächen bieten und damit eher Ablehnung und Gegenstimmen hervorrufen als Bewerber_innen, die sich mit generellen Überlegungen und statt auf der konkreten Handlungsebene mehr mit Zielformulierungen präsentieren.
Kurz gesagt: wer Tiefgang zeigt, läuft eher auf Grund.
Die „Familiengerechte Kommune e. V.“ befindet sich unter dem Dach der Bertelsmann-Stiftung, siehe BM-homepage. Nach verschiedenen anderen politischen Feldern hat man wohl die Kommunalpolitik entdeckt, um die sozialstaatsfeindlichen und wirtschaftsliberalen Ziele durch Einflussnahme und Netzwerkereien zu erreichen. Durch „Audits“ wird den KommunalpolitikerInnen ein „strategisches Führungsinstrument“ nahegebracht, „mit dem Kommunen ihre Familienpolitik systematisieren und strategisch weiterentwickeln können“. Die Zertifizierung erfolgt unter dem Einsatz unabhängiger Experten (sic!). Wir werden sehen, ob sich auch die Konstanzer StadträtInnen bald über eine feierliche Zertifikatsverleihung freuen dürfen.
Prinzipiell wäre die Wahl einer Frau sicherlich kein Fehler gewesen – aber nun den Unmut darüber und über das Wahlverhalten des Gemeinderates auf den gewählten Bewerber zu projizieren finde ich persönlich eine falsche Reaktion.
So fair sollte man schon sein, einem gewählten Bewerber die Chance und den Raum zu bieten sich auch auf Gebieten zu entwickeln, welche er nach eigenem Bekennen erst kennen lernen muss. Vielleicht kann man so etwas ja auch als Chance sachbezogener, emotionsfreier und vernunftgeleiteter Kommunalpolitik sehen.
Im Übrigen halte ich es nicht für eine Garantie guter Arbeit, wenn sich Bewerber „gut zu verkaufen wissen“. Es besteht da eben kein kausaler Zusamenhang – auch ein Bewerber, welcher sich nicht gut verkaufen kann, kann letztendlich gute Sacharbeit abliefern.
Am Ende sollte Herr Osner primär an dem gemessen werden, was er tut und nicht an dem was er sagt – oder nicht sagt. Übrigens haben das auch viele Bürger zuletzt mit dessen Vorgänger im Amt getan – und das war auch gut so!
Ich jedenfalls verfolge nun aufmerksam und gespannt die „nach Boldt Ära“ in Konstanz.
Die rasche Entscheidung hat nicht nur überrascht und teils verärgert, sondern lässt tatsächlich darauf deuten, dass man den Vorgang zügig beiseite legen wollte. Sozialpolitik ist mit Ausnahme des Schul- und Kindergartenausbaus in Konstanz kein besonders beliebtes Thema – und wird auch teils sträflich vernachlässigt. Und anscheinend möchte man daran auch nichts ändern, sondern die Angelegenheit wieder schleunigst vom Tisch haben.
Dass man langen und unkonkreten Reden dabei mehr Zutrauen schenkt als klaren und trefflichen Ansagen, ist ein deutliches Zeichen, wie es mit der Sozialpolitik vor Ort weitergehen könnte. Soziale Themen eignen sich hervorragend, um sie in ausschweifenden Theorien zerreden zu können. Armut, Bedürftigkeit und Benachteiligung sind aber auch in Konstanz keine Schreckgespenste, sondern Wirklichkeit.