Angst um Arbeitsplätze in Bayern und am Bodensee

EADS-Betriebsrat und IG Metall beschwören ein Schreckgespenst: Bis zu 30000 Arbeitsplätze in der deutschen Rüstungsindustrie seien in Gefahr, Hunderte allein bei EADS in Friedrichshafen. Grund für diese Schreckensmeldungen: Im Zuge der Einsparungen im Wehretat sollen auch die Rüstungsausgaben um 9,3 Milliarden Euro gekürzt werden. Ein empfindlicher Arbeitsplatzabbau wäre die Folge, befürchten Betriebsrat und Gewerkschaft

Statt 60 würde die Bundeswehr nur noch 25 Airbus-Militärtransporter A400M bekommen – wenn überhaupt, denn ein solcher Einschnitt „wäre der Tod für dieses Programm“, sagte der EADS-Betreuer der IG-Metall, Bernhard Stiedl auf einer kürzlich abgehaltenen Pressekonferenz. Ferner würde die letzte Tranche von 37 Eurofightern für die Bundeswehr gestrichen. Auch das Nachfolgeprogramm zum Bau des unbemannten Aufklärungsflugzeugs Talarion würde dem Rotstift zum Opfer fallen.

Vor allem das Talarion-Programm des in Immenstaad und Manching ansässigen EADS-Geschäftsbereichs Cassidian scheint dem Rotstift zum Opfer zu fallen. Cassidian – diesen neuen, unverdächtigen Namen trägt seit wenigen Tagen der Geschäftsbereich Defence + Security „ohne dass sich das Ziel weltweiter Verteidigung geändert hat“, so Annette Füllenbach, Leiterin der Unternehmenskommunikation.

Drohnen für Europa

Was unter der harmlosen Bezeichnung ‚unbemanntes Aufklärungsflugzeug‘ läuft, wird in Militärkreisen gemeinhin ‚Drohne‘ genannt. Und Drohnen dienen nicht nur der Aufklärung, sondern werden weit häufiger zur Vernichtung des vermeintlichen Gegners eingesetzt. Bereits 500 Millionen Euro hat EADS bislang in die Planung von Talarion investiert, 3,5 Milliarden Euro werden es sein, wenn ab 2015 bis zu 45 solcher Flugzeuge plus Bodenstationen an Frankreich, Spanien und Deutschland ausgeliefert werden.

Die Gewerkschaft droht unverhohlen: „Wir werden als IG Metall diesem Streichkonzert nicht tatenlos zusehen und deshalb dagegen mobilisieren und zu Aktionen aufrufen“, kündigt Steidl an. „Werden die Einsparpläne des Verteidigungsministeriums umgesetzt, wird es in Zukunft in Deutschland keine militärische Luftfahrtindustrie mehr geben.“ Und der EADS-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas Pretzl legt nach: „Wenn Talarion nicht kommt, wenn man hier den Anschluss verpasst, wird es uns in Zukunft wohl nicht mehr geben“, warnt er und meint damit wohl auch den Standort Friedrichshafen. Und noch mal IG-Metall-Betreuer Steidl, der für die Gewerkschaft auch im EADS-Aufsichtsrat sitzt: „Wir finden es nicht gut, wenn mit deutschen Steuergeldern ausländische Rüstungsgüter gekauft werden. Wir hätten die Wertschöpfung lieber in Deutschland“.

Zusammenarbeit mit Israel

Dabei ist noch nicht einmal geklärt, muss Betriebsrat Pretzl auf Seemoz-Nachfrage zugeben, ob Talarion überhaupt in Immenstaad bei Friedrichshafen oder nicht doch eher im bayerischen Manching gebaut werden wird, wenn die Drohne denn überhaupt in die Serienreife geht. Die endgültige Entscheidung darüber, so Cassidian-Vorstand Dr. Stefan Zoller, falle wohl nicht vor Dezember 2009. Vorsichtshalber will Zoller mit dem israelischen Hauptkonkurrenten IAI kooperieren, von dem die Bundeswehr schon die Aufklärungsdrohne „Heron“ least. Denn Zoller will Deutschland und Frankreich mit „Harfang“ eine verbesserte Drohne anbieten, die auf „Heron“ basiert und bei den französischen Streitkräften bereits im Einsatz ist.

Das Schreckgespenst des Arbeitsplatz-Abbaus, von Gewerkschaft und Betriebsrat so fintenreich in Szene gesetzt, erweist sich zunächst also als bloße Befürchtung, vielleicht auch als Angstmache, in jedem Fall als Versuch der Einflussnahme. Manche mögen meinen, das gehöre zum Geschäft der Gewerkschaft. Tatsache aber ist, dass in Friedrichshafen und Immenstaad die Sorge um die Arbeitsplätze umgeht. Der Friedrichshafener Betriebsrats-Vorsitzende und stellvertretender Chef des unternehmensweiten Gesamtbetriebsrates, Christian Birkhofer, war übrigens für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Autor: Hans-Peter Koch