„Antifaschismus ist und bleibt gemeinnützig“

Richtig gute Neuigkeiten sind in diesen Zeiten nicht gerade üppig gesät, nicht nur Coronas wegen. Umso erfreulicher die Nachricht, die uns dieser Tage erreichte. Die VVN-BdA gibt darin bekannt: „Seit gestern sind wir wieder vollständig gemeinnützig“. Damit endet ein skandalöses Trauerspiel, ausgelöst durch das Finanzamt Berlin, das der ältesten anti­fa­schisti­schen Organisation des Landes finstere politische Absichten unterstellt hatte. Republikweit löste das empörten Protest aus – der jetzt Früchte getragen hat.

„Auf diese erfreuliche Nachricht werden wir jetzt erstmal ein Glas Sekt trinken“, teilt die Konstanzer VVN-Kreisvereinigung sichtlich erleichtert mit. Dazu haben die Mitglieder allen Grund, denn die Entscheidung der Berliner Finanzverwaltung bedrohte die traditionsreiche Vereinigung in ihrer Existenz.

Im November 2019 hatte das Berliner Finanzamt für Körperschaften dem Bundesverband der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) Bescheide zugestellt, die rückwirkend bis 2016 die Aberkennung der Gemeinnützigkeit dekretierten, und als Konsequenz daraus Steuernachzahlungen in fünfstelliger Höhe geltend machten. Gerechtfertigt wurde das mit Behauptungen, die VVN verfolge einen „kommunistisch orientierten Antifaschismus“, der „nichtmarxistische Systeme“ wie die parlamentarische Demokratie als „potentiell faschistisch“ betrachte. Die Berliner Finanzbeamten stützten sich bei dieser Einstufung auf „Erkenntnisse“ des bayerischen Verfassungsschutzes, der seit Jahren verbissen versucht, der antifaschistischen Gruppierung am Zeug zu flicken.

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Ein verheerendes Signal in Zeiten gesellschaftlicher Rechtsentwicklung, die völkische Nationalisten in die Parlamente spült und Rechtsextremisten zu Gewalt- und Mordtaten anstachelt. Der Einspruch des Bundesverbands, der Blick auf Programmatik und Satzung entkräfte solche Anschuldigungen ebenso wie die Praxis der Organisation, focht die Verantwortlichen nicht an – zunächst. Die jetzt vollzogene Kehrtwende, daran kann es keinen Zweifel geben, ist der breiten Welle des Protests und der Solidarität mit der antifaschistischen Vereinigung geschuldet.

Bei aller Freude bleibt deshalb ein bitterer Nachgeschmack. Was sagt es über dieses Land aus, wenn staatliche Instanzen Menschen Knüppel zwischen die Beine werfen, die das Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes wachhalten und sich gegen die demokratiebedrohenden Umtriebe von alten und neuen Nazis stemmen wollen?

„Starkes Zeichen gegen die Wertung des bayerischen Verfassungsschutzes!“

In einer Medienmitteilung gibt Hannah Geiger, die Pressereferentin des VVN-BdA-Bundesverbands, Auskunft über den Verlauf der Auseinandersetzung, den Stand der Dinge und nötige Konsequenzen. Im Wortlaut:

Gestern erreichte uns der Bescheid des Finanzamts für Körperschaften 1, mit dem es unserem Einspruch gegen die Bescheide, mit denen uns die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2016 – 2018 aberkannt hat, stattgegeben hat. Die Steuerbescheide für die Jahre 2016 und 2017 sind damit aufgehoben.

Wir sind erleichtert und froh, dass das Finanzamt und die Berliner Finanzverwaltung nach eineinhalbjährigem Verfahren die Wertung des bayerischen Inlandsgeheimdienstes, wir seien „extremistisch“ als widerlegt betrachten. [1]

Dazu haben wir mehrere Stellungnahmen und wesentliche Dokumente zu den Grundlagen unserer Arbeit vorgelegt, die unser Selbstverständnis als partei- und spektrenübergreifende Organisation, in der es – von Christ*innen, Sozialdemokrat*innen und Grünen über Linke und DKP zu parteilosen Mitgliedern aus unterschiedlichen Zusammenhängen – unterschiedliche Zugänge zum Antifaschismus gibt, darlegen.

Außerdem haben sowohl die beiden Vorsitzenden unserer inzwischen 8.000 Mitglieder zählenden Vereinigung, Cornelia Kerth und Axel Holz, als auch die Ehrenpräsidentin Esther Bejarano eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass es nach ihrer Kenntnis keine „von der Vereinigung oder einer verantwortlich für sie handelnden Persönlichkeit“ ausgehende Erklärung darüber gebe, „dass sie ,alle nicht-marxistischen Systeme – also auch die parlamentarische Demokratie – als potentiell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus betrachtet, die es zu bekämpfen gilt‘“– wie es das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz behauptete.

Weiter wird ausgeführt: „Die Vereinigung hat die parlamentarische Demokratie und schlechthin den Gehalt unserer Nachkriegsverfassungen auf Bundes- und Länderebene als eigenständigen Selbstwert (…) verteidigt und dies als eine aus dem antifaschistischen Kampf stammende grundlegende Verpflichtung behandelt, die ein gemeinsames Auftreten von kommunistischen, sozialistischen, christlichen, liberalen und sonstigen demokratischen Antifaschisten legitimiert.“

Es ist ein gutes Gefühl, dass wir in der Auseinandersetzung um unsere Gemeinnützigkeit eine überwältigende Solidarität erleben durften:

– Mehr als 100 Organisationen und Initiativen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen schickten uns Solidaritätsschreiben, die meist als öffentliche Erklärungen oder Schreiben an den Berliner und/oder den Bundesfinanzminister verfasst worden sind.

– Über 2.000 Antifaschist:innen haben diesen Angriff zum Anlass genommen, sich uns als Mitglieder anzuschließen.

– Eine hohe Spendenbereitschaft hat dafür gesorgt, dass wir die zunächst drohende Insolvenz nicht mehr fürchten mussten und unsere Arbeit verstärken können. Allen Spender:innen sagen wir noch einmal herzlichen Dank.

– Viele unserer Mitglieder haben sich mit ihren Kontakten und ihrem Gewicht, mit eigenen Aktionen und guten Vorschlägen eingebracht so dazu beigetragen, dass unsere Petition „Die VVN-BdA muss gemeinnützig bleiben“ von mehr als 50.000 Menschen unterzeichnet wurde.

Die nun wieder erfolgte Anerkennung unserer Gemeinnützigkeit für die Jahre 2016-2018 ist ein wichtiges Zeichen für alle Antifaschistinnen und Antifaschisten und für alle, die noch weiter um die Anerkennung ihrer Arbeit als gemeinnützig kämpfen müssen.

In diesem Sinne fordern wir weiterhin die Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts und die Streichung des Paragraphen 51, Absatz 3, Satz 2!

In einer Demokratie dürfen nicht Geheimdienste über die verfassungsmäßige Bandbreite der gesellschaftlichen Debatte entscheiden!

MM/jüg (Bild: VVN-BdA)

Anmerkungen

[1] Grundlage für den Entzug der Gemeinnützigkeit war § 51, Absatz 3, Satz 1 und 2, der Abgabenordnung, wo es heißt: „Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt.

[2] Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.“