Antikriegstag auf der Marktstätte: „Grenzen öffnen für Menschen – Grenzen schließen für Waffen“

Auch strömender Regen konnte die gut 50 Friedensfreude nicht davon abhalten, am traditionellen Antikriegstag, dem 1. Septem­ber, auf der Konstanzer Marktstätte gegen Rüstungsexporte und für weltweiten Frieden, gegen Abschiebung und gegen Gewalt aller­orten zu demonstrieren. Etliche Friedens­initiativen und Menschen­rechts­gruppen, Linke und Gewerkschafter protestierten gegen die aktuelle Politik der Bundes­regie­rung – ihre Forderung: Ein Waffenexportverbot muss ins Grundgesetz.

So griff Simon Pschorr, Bundestagskandidat der Linken im Wahlkreis Konstanz, die SPD an, die zeit ihrer Regierungsbeteiligung nichts gegen Rüstungsexporte oder für das Verbot von Atomwaffen unternommen habe – siehe den Wortlaut im Anschluss. So geißelte Erika Korn von Terre des Femmes Vergewaltigungen als Kriegsmittel, Jürgen Geiger sprach für den „Verein demokratischer ArbeiterInnen und Jugendlicher Bodensee“ und kritisierte scharf Erdogans Krieg gegen die Kurden, Monika Schickel vom „FORUM azilon – Asyl und Menschenrecht“ verurteilte die deutsche Abschiebepraxis nach Afghanistan – Geflüchtete aus Afghanistan verlasen eine selbst formulierte Erklärung (s. Link am Schluss des Artikels). Den Redebeitrag der Friedensinitiative Konstanz von Maik Schluroff, der auch regionale Bezüge herstellte, dokumentieren wir hier:

„Die gute Nachricht zuerst: Im Jahr 2015 hungerten 170 Millionen. Menschen weniger als 1990. Die schlechte Nachricht: Nach Angaben der Vereinten Nationen galten im Jahr 2015 noch immer 842 Millionen Menschen auf dieser Welt als unterernährt. Man muss kein frommer Christ, Moslem oder Jude sein, um diese Zahl skandalös zu finden. Schließlich ist nach dem Recht auf Leben das Recht auf Nahrung und Zugang zu Trinkwasser das grundlegendste Menschenrecht überhaupt. Der Skandal des weltweiten Hungers wird noch größer, wenn man dem Hunger in der Welt die Rüstungsausgaben entgegenstellt: Kriege sind die ungeheuerlichste Verschwendung menschlicher Ressourcen – ein Beispiel:

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Josef Stiglitz hat berechnet, wie viel der Irak-Krieg tatsächlich gekostet hat. Er ist dabei auf die Summe von drei Billionen US-Dollar gekommen. Drei Billionen.

Sie sind kein Banker und können sich das nicht vorstellen? Ich auch nicht. Deshalb habe ich mal nachgerechnet: Ein 50-Euro-Schein wiegt 0,92 Gramm; ein Standard-Güterwagen fasst etwa 25 Tonnen. Wie lang wäre dann ein Zug, der die drei Billionen für den Irak-Krieg in 50-Euro-Scheinen transportieren könnte? Es wären 2200 Waggons, vollgestopft mit 50-Euro-Scheinen!

Aber das ist immer noch schwer vorstellbar. Machen wir es also etwas plastischer: Der Irak hat rund 36 Millionen Einwohner. Drei Billionen, verteilt auf 36 Millionen Einwohner, ergibt rund 83 000 Euro pro Kopf: Für jede irakische Familie also ein Luxushaus, zwei Mercedes, und eine Segelyacht.

Die ungeheuerlichste Verschwendung menschlicher Ressourcen

Deutschland ist der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt, nach den USA, Russland, China, und knapp hinter Frankreich. Damit hat Deutschland einen erheblichen Anteil an dieser Verschwendung und dem daraus resultierenden Elend.

Die Waffenfirma Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar ist Europas tödlichstes Unternehmen: Seit der Firmengründung 1949 verloren mehr als anderthalb Millionen Menschen ihr Leben durch eine Kugel aus dem Lauf einer H&K-Waffe, weitaus mehr wurden zeitlebens verstümmelt. Das heißt, alle 14 Minuten verliert ein Mensch sein Leben durch eine H & K-Waffe.

Deshalb kann die Kern-Forderung nur heißen: Waffenexportverbot ins Grundgesetz Ja, man mag schier verzweifeln ob dieser ungerechten, unsinnigen und mörderischen Verschwendung menschlicher Ressourcen. Aber es gibt auch Lichtblicke, nämlich: Führende Ex-Mitarbeiter von Heckler & Koch, Europas tödlichstem Unternehmen, stehen demnächst vor einem Stuttgarter Gericht, weil sie laut Anklageschrift – man höre und staune – „gewerbsmässig und als Mitglied einer Bande … vorsätzlich Kriegswaffen ausgeführt haben“. Dies ist vor allem den jahrzehntelangen Recherchen und den zahlreichen Aktionen der Friedensbewegung zu danken, allen voran Jürgen Grässlin, der auch die Anzeige erstattete.

Dank der Aufklärungsarbeit der Friedensbewegung haben im vergangenen Monat Vorstand und Aufsichtsrat von H&K beschlossen, keine neuen Lieferverträge mit menschenrechtsverletzenden und undemokratischen Ländern abzuschließen. Also beispielsweise Saudi Arabien (H&K hat sein profitables Büro in Saudi Arabien bereits geschlossen) und sogar das NATO-Land Türkei. Kaum zu glauben, aber dieser radikale Politikwechsel wurde von dem neuen Vorstand auf Anfrage bestätigt.

Sicher, das ist nur ein kleiner Schritt. Er zeigt aber, dass beharrliche Arbeit auch etwas erreichen kann. Das kann uns ermutigen. Denn wir wissen: Wir sprechen für die Mehrheit der deutschen Bevölkerung: Kriege sind die ungeheuerlichste Verschwendung menschlicher Ressourcen. Waffenexportverbot ins Grundgesetz.“

Die Rede von Simon Pschorr zum Antikriegstag 2017

„Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
ich bin 1992 geboren, nach dem Mauerfall, nach dem Ende des kalten Krieges. Den kalten Krieg kenne ich nur aus dem Geschichtsunterricht – ich war ein fleißiger Schüler, und doch hatte ich keine Möglichkeit, mir vor Augen zu führen, was es bedeutet, wenn sich zwei Atommächte unversöhnlich gegenüberstehen und es jederzeit möglich ist, dass alles Leben auf der Erde auf einen Schlag ausradiert wird. Ich bin sehr froh, in einer Welt aufgewachsen zu sein, in der die Gefahr der vielfachen Vernichtung aller Lebewesen nicht zu jedem Zeitpunkt akut war.

Das ist nun leider vorbei. Erneut stehen sich zwei Akteure mit dem Zugang zur Bombe gegenüber. Erneut wird wenig miteinander gesprochen und großmäulig einander gedroht. Auf der einen Seite ist da der pausbäckige, pubertäre Möchtegern-Diktator aus Nordkorea. Kim Jong Un hat Zugang zur Bombe und testet waffenfähige Träger hierfür. Aber: Wir sind es mittlerweile gewöhnt, dass in Nordkorea ein machtgieriger Irrer herrscht. Die Drohungen aus Nordkorea hat doch niemand mehr ernst genommen. Sie waren keine Gefahr, solange auf der anderen Seite besonnene Politiker saßen, die gewusst haben, was das ist: Ein diplomatisches Spiel.

Leider steht jetzt in der anderen Ecke der senile, grenzdebile amerikanische Präsident mit dem Frettchen auf dem Kopf, Donald Trump. Von ihm und seiner rechtsradikalen Administration ist keine Besonnenheit zu erwarten. Er ist genauso unberechenbar wie der Nordkoreaner. Wir stehen wieder vor einer Situation, in der ein einziger Knopfdruck reicht, um die Menschheit zu vernichten.

Doch nicht nur die USA und Nordkorea haben Zugang zu Atomwaffen. England, Frankreich, Israel, Pakistan und einige mehr haben Zugang dazu. Auch wir Deutschen! Nein, ich irre mich nicht: Deutschland hat Zugang zu amerikanischen Atomwaffen, die es im Kriegsfall nutzen kann, über einen Teilhabepakt. Deshalb sind amerikanische Atomwaffen in Deutschland stationiert.

Jetzt fällt Martin Schulz, dem Kanzlerkandidaten der SPD im Wahlkampf, ein, dass Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden sollten. Das ist eine Spitzenidee! Allerdings: Wo war die SPD in den letzten Jahren an der Regierung, als es um Atomwaffen ging? Erst vor wenigen Wochen wurde ein Abkommen zum Verbot von Atomwaffen auf internationaler Ebene geschlossen. Wer hat diesen Vertrag nicht ratifiziert: Deutschland. Wenn wir schon – zu Recht – Biowaffen, Giftgas und Streubomben verbieten, dann müssen wir erstrecht den Einsatz der Massenvernichtungswaffe Nummer 1, der Bombe, verbieten. Ich möchte nicht sagen, dass konventionelle Waffen ungefährlich sind. Sie bringen Tod und Verderben weltweit. Aber: Wir brauchen dringend rechtliche Regeln und einen internationalen Bann für das Massenvernichtungspotential der Atombombe.

In dieser instabilen Lage kennt die NATO nur eine Lösung: Aufrüstung. Stur wird gefordert, den Rüstungsetat aller Mitglieder auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Frieden schaffen durch mehr Waffen, das ist die absurde Idee. Wenn ich eines aus dem Geschichtsunterricht gelernt habe, dann das: Der kalte Krieg fand sein Ende nicht durch Aufrüstung. Das hat Angst und Schrecken in allen Ländern überhaupt erst möglich gemacht. Der kalte Krieg fand sein Ende erst, als alle Staaten sich dazu entschlossen, abzurüsten und auf Waffen zu verzichten. Liebe Freunde: Lasst uns so schnell wie möglich damit anfangen. Nein zur Bombe, Ja zum Frieden!
Vielen Dank“

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