Arbeitsplatz-Alarm bei Alcan

Beschäftigte und Betriebsrat, Aufsichtsrat und Gewerkschaft waren wie vor den Kopf geschlagen, als am Donnerstag, 28.4., auf einer von der Alcan-Geschäftsleitung in Singen einberufenen Versammlung erklärt wurde: 170 Beschäftigte müssen gehen. Außerdem sollen alle Mitarbeiter in den kommenden vier Jahren ihre Arbeitszeit um 10 Prozent erhöhen. Betriebsratschef Heinrich Holl spricht von einem „Kulturbruch“, der Singener IG-Metall-Bevollmächtigte Rodenfels von „einer Aktion übelster Heuschrecken-Machart“.

Aller Jubelmeldungen der Schönwetter-Presse zum Trotz, die sinkende Arbeitslosenzahlen im Landkreis Konstanz verkünden: Auch in der Bodensee-Region werden weiter munter Arbeitsplätze abgebaut. Aktuell trifft es den Traditionsbetrieb Alcan in Singen: Das Unternehmen plant in den kommenden zwei Jahren den Abbau von 170 Arbeitsplätzen. Mit dem Personalabbau verfolge Alcan Singen das Ziel – so die Mitteilung der Geschäftsleitung -, Kosten einzusparen, um in eine moderne, elf Millionen Euro teure Presse investieren zu können. Darüber hinaus will die Geschäftsleitung in Verhandlungen mit dem Betriebsrat erreichen, dass alle Mitarbeiter in den kommenden vier Jahren ihre Arbeitszeit um 10 Prozent erhöhen.

Zu Alcan Singen: Das seit 1912 in Singen hochwertiges Aluminium verarbeitende Unternehmen beschäftigt derzeit 1600 Mitarbeiter und macht jährlich rund 740 Millionen Euro Umsatz, der Gewinn dürfte deutlich über 100 Millionen Euro liegen. Zur Geschichte: Im Oktober 2007 kommt es zur Fusion der Weltkonzerne Alcan und Rio Tinto und zur Gründung des neuen Geschäftsbereichs „Rio Tinto Alcan“. September 2009 wird mitgeteilt, das Rio Tinto das Geschäftsfeld „Alcan Composites“, zu dem auch Alcan Singen gehört, an das Schweizer Unternehmen „Schweizer Technologies“ verkauft. 2010 wird Alcan Singen an den Finanzinvestor Apollo aus den USA veräußert

„Das ist ein Skandal“, so der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Singen, Paul Rodenfels, der auch Mitglied im Aufsichtsrat ist. „Alcan arbeitet höchst profitabel. Ginge es wirklich um die Finanzierung einer neuen Presse, könnte das Alcan locker bezahlen“. Rodenfels vermutet eher, dass der neue Alcan-Besitzer, der US-amerikanische Finanzinvestor Apollo, übertriebene Rendite-Erwartungen hat. Auch der Betriebsrats-Vorsitzende Heinrich Holl sprach in einer ersten Stellungnahme auf der Beschäftigten-Versammlung von einem „Kulturbruch“.

Bis zum Juni sollen sollen – so die Vorstellungen der Geschäftsführung – die Vereinbarungen mit Betriebsrat und Gewerkschaft unter Dach und Fach sein. Fest steht: Sollte es wirklich zu dem geplanten Arbeitsplatzabbau kommen, muss ein Sozialplan her. Und das wird nicht ohne Zoff abgehen. Betriebsrat und Gewerkschaft zumindest stellen sich auf harte Verhandlungen ein.

Fest steht auch: Die gewerkschaftlich gut organisierte Alcan-Belegschaft wird diesen Kahlschlag nicht ohne Widerstand hinnehmen. Die Zeichen stehen auf Sturm beim größten Arbeitgeber der Industriestadt Singen – seemoz wird weiter hautnah berichten.

Autor: hpk