AStA-Wohnraumdiskussion: OB Burchardt sagt steigende Preise voraus

Viele Zahlen zur Wohnraumsituation wurden den gut 100 Zuhörer_innen bei der AStA-Wohnraum-Diskussionsrunde „So wohnt Konstanz“ an der Uni geboten. Viele Zahlen, die allerdings kaum neue Erkenntnisse brachten. Uli Burchardt gab sich als „Realist“, indem er mehrfach bekräftigte, das Thema „Wohnen“ habe bei ihm höchste Priorität, aber er beließ es dabei, auf teurere Zeiten einzuschwören (was natürlich keiner wolle). Soziale Akzente setzten indes andere

Aber die Veranstaltung begann damit, dass Thomas Daiber, Vorsitzender des Verbandes der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer Konstanz („Grund und Wohnen“) befand, dass es keine Wohnungsnot gäbe. So teuer scheint die Stadt für Herrn Daiber auch nicht zu sein: „Wir sitzen ja alle noch hier und diskutieren.“ Natürlich war man auf dem Podium einhellig der Meinung, dass man in Konstanz nicht unter der Brücke schlafen müsse, jedoch „müssen Studierende oftmals bei der Wohnungssuche wochenlang auf Sofas von Freunden übernachten, weil sie lange keine Unterkunft finden“, unterstrich Manon Heger, die die Studierenden auf dem Podium vertrat.

„In Konstanz hat man alle Voraussetzungen für ein gutes Leben“, unterstrich Oberbürgermeister Uli Burchardt, der die tolle Lebensqualität für eine Ursache hält, die die Preise nach oben treibt, weil alle Welt nach Konstanz wolle. Auch hier hatte Heger etwas entgegen zu setzen: „Wenn dann irgendwann einmal Zweidrittel meines Budgets für die Miete draufgeht, fühle ich mich in meiner Freiheit eingeschränkt.“ Auch war Manon Heger die einzige auf dem Podium, die herausstellte, dass Menschen, die in Konstanz studieren, es sich gerade noch so ökonomisch leisten könnten. Eine Publikumsfrage später brachte das auf dem Podium unausgesprochene Problem auf den Punkt: „Kann es sein, dass durch die Mietpreispolitik systematisch Leute aus Nicht-Akademiker-Haushalten vom Studium ausgeschlossen werden?“

Genug tun ist eben nicht genug…

Die neuen Wohnungen, die derzeit in Konstanz entstehen, reichten nicht aus, um das Problem zu lösen, bekundete OB Burchardt auf konkretes Nachfrage von Moderator Jörg-Peter Rau. Vielmehr sei das Problem beim freien Markt zu suchen (gegen den man ja nichts ausrichten könne) und dass längst nicht alle Flächen in Konstanz der Stadt gehörten, die man gerne bebauen wolle. Zudem dränge die Landesregierung die Städte gerade zur Nachverdichtung und dies habe man in Konstanz ja die letzten Jahre nur getan. Die Stadt komme nun an ihre Grenzen, so das Fazit des OB.

Obendrein sei der niedrige Zinssatz für die hohen Mieten am Bodensee mitverantwortlich, und dieser „Zinssatz bleibt noch eine Weile niedrig, schließlich will man, dass die Länder in Südeuropa ihre Schulden abbezahlen.“ Dass sich der OB mit diesem Halbsatz zumindest unterschwellig des rassistischen Klischees von „faulen Spaniern, Italienern, Griechen“ (die ergo mit ihren Schulden für das teure Konstanz mitverantwortlich seien) bedient, kehren wir an dieser Stelle mal unter den Tisch.

Außerdem beklagten die meisten Podiumsteilnehmer_innen, dass ein neues Projekt unter Berücksichtigung der Planungsphase, rechtlicher Hürden usw. mindestens zehn Jahre brauche, bis der dringend benötigte Wohnraum stehe. Manchmal bekam man durch die „betrifft euch ja dann nicht mehr“-Rhetorik den Eindruck, der Diskurs solle abgewiegelt werden, was sich Manon Heger allerdings nicht bieten ließ: „Das mag vielleicht sein, dass uns etwaige Verbesserungen nicht mehr treffen, aber wir setzen uns hier eben auch für die Studis ein, die nach uns kommen.“

Immerhin hat man sich mal getroffen

Doch trotz der Tatsache, dass für Wohnraum im niedrigen und unteren Preissegment gesorgt werden muss und dass die Stadtplanung dieses auch zum Ziel habe, wie Marion Klose, Amtsleiterin für Stadtplanung und Umwelt, versicherte, bekam manch‘ Zuschauer den Eindruck einer „Viel Lärm um nichts“-Veranstaltung, leicht garniert mit einem „Schön, dass wir mal drüber geredet haben“-Gestus. Und das ist keineswegs ein Vorwurf an die Studierendenvertretung, die seit jeher mit einer vergleichsweise desinteressierten Studierendenschaft zu kämpfen und sich für die Veranstaltungsorganisation offenkundig die Beine ausgerissen hat.

Uni-Rektor Ulrich Rüdiger und der Oberbürgermeister lieferten sich einen Überbietungswettbewerb im Angebot runder Tische, an Wahlaufrufen für die Beteiligung von Studierenden auf den Partei-Listen zu den Kommunalwahlen; die anwesende Studentenwerks-Vertretung hatte Mühe, ihre enorm anziehende Preisspirale zu rechtfertigen; die Verstrickungen von Landes- und Bundespolitik in die negativen Auswirkungen auf die lokale Wohnraumpolitik, so etwa die Rolle der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA) oder die immer unzureichendere Bezuschussung von Studentenwerken, blieben weitestgehend unerwähnt. Richtig ist allerdings: Eine ausreichende kritische Masse in der Studierendenschaft, die sich dagegen auf die Hinterbeine stellt, gibt es seit Jahren nicht.

Aufeinandertreffen kleinbürgerlicher Elfenbeintürme

Benannt wurde richtigerweise auch der Aspekt, dass es nicht nur um studentischen Wohnraum gehe. Dubios war lediglich die Tatsache, dass es in den Beispielen meist um junge Familien ging, die mit Studierenden um denselben Wohnraum konkurrieren würden. Ja, richtig. In den Beispielen ging es bei jeder Erwähnung des sozialen Aspektes nur um Studierende und junge Familien, also die, die gerade beginnen, zu den „Gewinnern“ der Gesellschaft zu gehören und denen, die es vielleicht irgendwann einmal sein werden. Keine Silbe über die genauso drängenden Probleme prekär Beschäftigter, Arbeitsloser, Auszubildender, Schülerinnen oder Schüler.

Es kam einem ein wenig so vor, als hätten sich Teile des Rathauses und Teile der Universität über ihr Wunschbild von Konstanz ausgetauscht: Junge erfolgreiche Eltern in der Innenstadt, die irgendwann Eigenheimbesitzer werden, motivierte Studierende auf dem Gießberg, und dazwischen ein paar Rentner_innen mit Ferienwohnung als Wirtschaftsfaktor der Stadt.

Aus Sicht mancher Angestellter beim Studentenwerk ist es auch völlig in Ordnung, dass ein behindertengerechtes Zimmer mal eben 500,- Euro pro Monat verschlingt, schließlich ist es ja größer und besser ausgestattet. Dass ein Mensch mit Behinderung vielleicht ohnehin im Alltag schon mit Mehrbelastungen (auch finanzieller Art) zu kämpfen hat – wen könnte das denn interessieren?

Liebe Studierende: Warum eigentlich kein Bildungsstreik?

So bleibt ein wenig ein G’schmäckle über die Ausrichtung der Politik, wen genau sie eben aus-,  wen sie einschließen und wen sie erreichen will. Wenn eine studentische Politik klug ist, lässt sie sich gar nicht erst auf dieses Scheuklappendenken ein und sucht die Solidarität zu anderen betroffenen Gruppen. Ein Bildungsstreik, eine Recht-auf-Stadt-Initiative, gab es schon einmal in Konstanz, die dem kapitalgetriebenen Einheitsbrei („Wir tun was, wir können, aber wir können nichts tun, obwohl wir alles tun“) ernsthafte und durchdachte Alternativen zum Thema: Wohnen und kommunaler Freiraumpolitik entgegensetzte.

Das wiederzubeleben und so vielleicht Gemeinderat, Stadtverwaltung, Landes- und Bundespolitik unter Handlungsdruck zu setzen, das wäre zwar nicht nur, aber gerade Aufgabe einer Studierendenvertretung über ein entsprechendes Podium hinaus.

Autor: Ein Studierender der Universität Konstanz