Auch in Konstanz Gedenken an Hanau

Vergangenen Samstag versammelten sich im Herosé Park etwa 100 Menschen, um an die Morde in Hanau zu erinnern. Dort erschoss am 19. Februar 2020 ein rechtsradikaler Terrorist neun MigrantInnen, dann seine Mutter und sich selbst. Bundesweit fanden dazu vergangenes Wochenende Demonstrationen statt, so auch in Konstanz. Für Kopfschütteln sorgte allerdings der Auftritt mehrerer Corona-LeugnerInnen bei der Abschlusskundgebung im Stadtgarten.

Bevor die erste Rede gehalten wurde, wies eine Organisatorin darauf hin, dass die ursprünglich geplante große Demonstration in Hanau, zu der mehrere tausend TeilnehmerInnen erwartet worden waren, von der dortigen Verwaltung aus nicht nachvollziehbaren Gründen verboten wurde, obwohl ein Hygienekonzept vorgelegt worden sei. Dennoch fand in Hanau eine kleinere Kundgebung statt, die auch live gestreamt wurde.

Die erste Rede, die von Migrantifa Konstanz kam, bezog sich auf den alltäglichen antimuslimischen Rassismus und zeichnete den Prozess der Rassifizierung nach, wonach eine islamfeindliche Einstellung mit rassistischen Attributen (v)erklärt werde und muslimische Menschen als eine homogene Gruppe charakterisiert würden. „Man muss antimuslimischen Rassismus benennen und bekämpfen“, so die Forderung.

Der anschließende Demonstrationsmarsch ging vom Herosé über die Fahrradbrücke zur Marktstätte. Der Zug verlief friedlich und ohne Komplikationen, wenngleich kämpferisch und betont radikal. Neben allgemein gehaltenen Parolen, die die Verstrickungen zwischen rechten Strukturen und Polizei sowie der menschenverachtenden Flüchtlingspolitik der Regierung benannten, wurde auch bewusst auf die Terroranschläge in Hanau und Halle Bezug genommen: „Ob Hanau, Halle, rassistischer Mord. Widerstand an jedem Ort!“ wurde häufig skandiert.

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Als der Zug sich bei der Marktstätte versammelte, wurde eine Rede der Linksjugend und des OAT gehalten. Die Rednerin der Linksjugend stellte den Bezug des Rassismus zum (bürgerlichen) Staat her, die zur Konklusion führte, dass die Überwindung des Rassismus nur mit der Überwindung des Staates einhergehen könne. Der Redner der OAT rief einen Bericht des BKA in Erinnerung, wonach der Attentäter von Hanau kein klassischer Rechtsradikaler gewesen sei, denn seine Politisierung habe sich nicht in den tradierten Mustern vollzogen, wie man sie aus der rechtsradikalen Szene kenne. Der OAT-Redner distanzierte sich von dieser Auffassung, denn der Attentäter sei durchaus der rechtsradikalen Bewegung zuzurechnen. Auch diese Rede betonte den notwendigen Widerstand und verlangte Aufklärung, die auch vor rechten Strukturen in Polizeikreisen nicht Halt machen dürfe.

Die Rücksichtslosigkeit von „Querdenken 731“

An der Marktstätte wurden während der Reden Kerzen angezündet sowie Fotos der Ermordeten von Hanau niedergelegt, denn es war auch in erster Linie eine Gedenkdemonstration, die den Opfern des Anschlags gewidmet war. Bis zu diesem Punkt war auch die Kommunikation mit der Polizei nicht konfrontativ, da der friedliche Charakter konsequent beibehalten wurde. Als sich der Demonstrationszug allerdings zum Abschluss der Kundgebung in Richtung Stadtgarten bewegte, traf man auf CoronaleugnerInnen der Initiative „Querdenken 731“, die sich dort versammelt hatten.

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Auf den Hinweis, dass die DemonstrantInnen hier gerne ihre Abschlusskundgebung abhalten möchten, dies aber durch die laute Musik der CoronaleugnerInnen nicht machbar sei, meinten die anwesenden PolizeibeamtInnen, man solle doch einfach 150 Meter weiter gehen. Als das getan wurde und die Vertreterin des Rojava Bündnisses mit ihrer Rede begann, fing eine Coronaleugnerin an, laut zu singen und zu tanzen, verbunden mit dem provokativen Hinweis, auch die „Vermummten“ seien eingeladen, mitzumachen. Eine durchweg groteske Szene, die dazu führte, dass die Rede des Rojava Bündnisses abgebrochen wurde und die PolizistInnen gebeten wurden, dafür Sorge zu tragen, dass die Musik leiser gemacht werde. Das allerdings interessierte die seltsamen Corona-WiderständlerInnen nicht wirklich. Mehrere DemonstrantInnen waren fassungslos ob dieser Rücksichtslosigkeit, denn schließlich sollten die Namen der neun in Hanau getöteten Menschen verlesen werden, was erst nach einigem Hin- und Her gelang und mit einer Schweigeminute endete.

Zuletzt verwies die Rede von Solidarity City auf die Historie des Rassismus und betonte besonders die Genozide an den KurdInnen und vielen anderen im 20. Jahrhundert. Der Beitrag machte darauf aufmerksam, dass Rassismus und Hass kein genuin deutsches Phänomen, sondern in vielen Kulturen anzutreffen sei. Als auch diese Rede mit einer Schweigeminute endete, wurde die Versammlung von den OrganisatorInnen für beendet erklärt. Nach wenigen Minuten verschwanden die DemonstrantInnen in alle Himmelsrichtungen und ließen es erst gar nicht zu einer Eskalation mit den CoronaleugnerInnen kommen.

Bilder und Text: E. Nowak