„Auf Linie des nationalen Widerstands“

Noch steht der Termin: Am 19.4. soll „Frei.Wild“ in der Kreuzlinger Bodensee-Arena auftreten. Die Blut-und Boden-Band, deren Nominierung fast die „Echo“-Verleihung platzen ließ, scheint trotz des öffentlichen Protestes in der Kreuzlinger Seestraße willkommen zu sein. Mit einem Offenen Brief an die Veranstalter schaltete sich auch die VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten), Kreisvereinigung Konstanz, in die Diskussion ein. Die Antwort folgte prompt:

Offener Brief

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich schreibe Ihnen als Vertreter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten, Kreisvereinigung Konstanz.

Mit Erstaunen und Empörung haben wir zur Kenntnis genommen, dass am 19. April diesen Jahres die Musikband „Frei.Wild“ bei Ihnen in der Bodensee-Arena auftreten wird.

Die Arbeit unserer Vereinigung ist geleitet vom Schwur von Buchenwald „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“

Bei der Musikband „Frei.Wild“ handelt sich nur oberflächlich betrachtet um eine harmlose Musikgruppe. Es ist müßig, sich hier erneut mit Textbeispielen auseinander zu setzen, da wir davon ausgehen, dass auch Sie dies mittlerweile zu Genüge getan haben. Vielmehr halten wir es für bemerkenswert, dass die Band ihre Zuhörer im rechtsradikalen Spektrum sucht und findet:

So würdigte beispielsweise der NPD-Funktionär Patrick Schröder, der ein eigenes Web-TV-Format betreibt, die neue CD der Band in seiner „Sendung“ ausgiebig und spielte einzelne Songs. Er war sich mit seinem vermummten Co-Moderator einig, dass die von der Band vertretenen Werte eine so große Übereinstimmung zur eigenen NPD-Ideologie aufwiesen, dass man über die wenigen Distanzierungen zum Neonazi-Spektrum großzügig hinwegsehen könne. Die Band sei „zwar nicht 100 % auf Linie des nationalen Widerstandes“, aber „das kann man auch nicht erwarten“, dafür sei der öffentliche Druck zu groß.

Aus unserer Sicht ist sehr erfreulich, dass es immer mehr kritisch-demokratische Musikgruppen gibt, die sich klar gegen diese Band und ihre Inhalte positionieren, wie beispielsweise „Silly“, „Kraftclub“ und „MIA“. Deren Kritik führte letztendlich sogar zum Ausschluss der Band „Frei.Wild“ von der Echo-Verleihung.

Wir bitten Sie deshalb, dringend zu überdenken, ob Sie dieser Band Ihre Räumlichkeiten tatsächlich zur Verfügung stellen möchten.

Mit freundlichen Grüßen

Sören Gipp, im Namen der VVN-BdA

 

Postwendend kam am 4.4. die Antwort aus der Bodensee-Arena:

Sehr geehrter Herr Gipp,

Vielen Dank für Ihren offenen Brief, den wir heute erhalten haben. Ich kann Ihre Sorge, dass rechtsradikalem Gedankengut kein Raum gegeben werden sollte, gut nachvollziehen. Das Gleiche gilt für mich im Übrigen auch für linksradikales Gedankengut.

In einer Stellungnahme gegenüber den Medien vor ein paar Wochen hatten wir dargelegt, dass wir beim Abschluss des von Ihnen erwähnten Mietvertrages leider zu wenig genau geprüft haben, was der Hintergrund unserer Mieterin ist, und dass wir den Vertrag in Kenntnis dessen, was wir heute wissen, nicht abgeschlossen hätten – dies, obwohl sich die Musikgruppe ausdrücklich von rechtsradikalen Aktivitäten distanziert. Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung der Bodensee-Arena bedauern ausdrücklich, wenn durch diesen Fehler bei Ihnen schlechte Gefühle entstanden sind.

Gleichzeitig kann ich leider nicht anders, als Sie darauf hinzuweisen, dass wir einen gültigen Mietvertrag vorliegen haben, den wir nur dann einseitig, ohne unkalkulierbare Rechtsfolgen zu riskieren, kündigen könnten, wenn der Mieterin gesetzeswidriges Verhalten nachgewiesen werden kann. Das ist nach unseren Recherchen nicht der Fall. Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen keinen anderen Bescheid geben kann.

Freundliche Grüsse

Matthias Mölleney, Präsident des Verwaltungsrats

 

Dazu ein seemoz-Kommentar: Alles nur halb so wild?

Das Konzert der Südtiroler Band Frei.Wild wird aller Voraussicht nach am 19. April in der Kreuzlinger Bodensee-Arena stattfinden. Die Aufregung im Vorfeld war und ist groß. Die Kombo treibt ein durchsichtiges Spiel, das sie von ihren Vorbildern „Böhse Onkelz“ abgekupfert hat. Die Onkelz distanzierten sich bei vielen ihrer Konzerte von Nazis und Faschisten, bedienten aber ungeniert deren politische Grundhaltung. Die Dementis waren wohl kalkuliert und bescherten der erfolgreichsten Band aus dem deutschen Rechtsrockmilieu Millionenumsätze.

Frei.Wild ist der etwas billigere Abklatsch, surft aber auf einer ähnlichen Gefühlslage. Angebliche Heimatliebe wird beschworen, völkisch-nationalistisches Liedgut ergießt sich über den Köpfen der meist männlichen Fans. Kameradschaft und Blut- und- Boden-Mentalität stehen oben an, Treue bis auf den Tod darf ebenfalls nicht fehlen. Sie spielen geschickt auf der Klaviatur derer, die schon immer der Meinung waren, dass Ausländer hier nichts zu suchen haben, sowieso nur unsere Sozialsysteme ausbeuten und blonden Arierinnen nachstellen. So deutlich wird das zwar nicht gesungen, aber so ist es gemeint und so kommt es zwischen den Songtexten auch rüber. Eine dumpfe Melange, die sich nicht zufällig bei offen bekennenden Nazis außerordentlicher Beliebtheit erfreut.

Im Vorfeld des geplanten Konzerts in Kreuzlingen gab es Proteste, und die Forderung, den Auftritt von Frei.Wild zu verhindern, stand ebenfalls im Raum. Aber nicht allzu lange. Die Geschäftsführung der Bodensee-Arena erklärte, sie könne den Auftritt nicht verhindern. Die Band sei auch schon in Zürich und anderswo aufgetreten und Probleme habe es nirgendwo gegeben. Selbstverständlich werde man sich unter das Publikum mischen und die Szenerie genau beobachten, ließen alarmierte Kreuzlinger GemeinderätInnen wissen. Und es wird wie immer sein bei Frei.Wild: Frontmann Phillipp Burger artikuliert von der Bühne herunter seine Abscheu gegen Rechtsradikale und lobt die Fans, die überdimensionale Spruchbänder entrollen, auf denen steht: „Wir wollen keine Nazis“. Das wäre sozusagen der übliche Frei.Wild-Pflichtteil. Die Kür folgt spätestens dann, wenn kurz darauf der Refrain von „Wahre Werte“ durch die Halle wabert: „Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen? Wenn ihr euch ihrer schämt, könnt ihr sie doch verlassen“. Oder: „Da, wo wir leben, da wo wir stehen, ist unser Erbe, ist unser Segen…“.

Anschließend werden die rätlichen BeobachterInnen zufrieden von dannen ziehen und der Presse auf Anfrage erklären, dass alles friedlich und gesittet geblieben sei. Nein, auch Hakenkreuze habe man keine gesehen, niemand habe den rechten Arm hoch gerissen und das Horst-Wessel-Lied intoniert. Alles also halb so wild?

Autor: H.Reile

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